SIEBENTES BILD

In Byzanz. Platz mit einigen herumlungernden Bürgern. In der Mitte der Palast des Patriarchen, rechts ein Nonnenkloster, links ein Hain. Adam, als Tankred in bestem Mannesalter, kommt mit anderen Rittern an der Spitze der aus Asien zurückkehrenden Kreuzfahrer mit wehenden Fahnen und Trommelwirbel, Luzifer ist sein Waffenträger. Abend, später Nacht

1. BÜRGER
Schon wieder ein Barbarentrupp!
Laß fliehn uns, schließen Tür und Tor,
Sonst packt die Raublust sie aufs neue.

2. BÜRGER
Versteckt die Fraun! Die Horde kennt
Die Wonnen des Serails zu gut!

1. BÜRGER
Und unsre Fraun das Recht des Siegers.

ADAM
Bleibt stehn! Was flieht ihr so vor uns?
Seht ihr das heilige Zeichen nicht,
Das uns zu Brüdern macht? Wir trugen
Nach Asien unsres Glaubens Licht:
Die Menschenliebe, daß die Völker,
In deren Mitte einst die Wiege
Des Herren stand, das Heil erfahren.
Und nur bei euch wär keine Liebe?

1. BÜRGER
Den Sermon hörten wir schon oft,
Und nachher brannten unsre Dächer.
Die Bürger zerstreuen sich.

ADAM (zu den Rittern)
Ihr seht, das ist die böse Frucht,
Wenn Räuber mit verruchten Plänen
Die heilige Fahne Gottes schwenken
Und feig, des Volks Gelüsten schmeichelnd,
Die Führerschaft für sich erschleichen.
Solange, Ritter, unser Schwert
Der unbefleckten Ehr, dem Lobe Gottes,
Dem Heldentum, dem Schutz der Frauen
Gewidmet ist, bleibt unsre Sendung,
Zu zügeln diesen bösen Dämon
Und ihn, auch gegen seinen Willen,
Zu großer, edler Tat zu zwingen.

LUZIFER
Recht, Tankred, doch wenn einst das Volk
Auch deine Führerschaft anzweifelt?

ADAM
Erzwinge ich sie kraft des Geistes.

LUZIFER
Geist gibt es auch vielleicht beim Gegner,
Steigst du zu ihm herab?

ADAM
      Wozu?
Ist’s edler nicht, ihn aufzuheben?
Den schweren Kampf zu meiden, weil
Genossen fehlen, ist so kleinlich
Wie Helfer zu verschmähn aus Eifersucht,
Zu neiden ihren Ruhmesanteil.

LUZIFER
Was ist aus der Idee geworden,
Für die im Zirkus Märtyrer einst starben?
Aus der Befreiung jedes Menschen?
O wunderliche Bruderliebe!

ADAM
Spar dir den Spott, O glaube nicht,
Ich kann die hohe Lehre nicht erfassen.
Dies ist die Sehnsucht meines Lebens.
Willkommen, wer den heiligen Funken
Verspürt, wer sich zu uns emporkämpft,
Ein Schwertschlag öffnet ihm die Tür;
Doch müssen wir der Satzung Schätze
Bewahren vor des Chaos Ansturm.
O käme, käme bald die Zeit,
Die das Erlösungswerk vollendet,
Kein Damm mehr Mensch vom Menschen trennt.
Zwar müßt ich zweifeln, daß sie komme,
Wär nicht des großen Werks Beginner
Der Herr des Himmels selbst gewesen.
Ihr sehet, Freunde, den Empfang!
Vereinsamt im Gewühl der Stadt,
So müssen wir im Hain uns lagern
Wie unter Heiden, bis es besser
Geworden. Geht. Ich folg euch. Bürg mir
Für seine Mannen jeder Ritter.
Die Kreuzfahrer schlagen ein Lager auf.

LUZIFER
Wie schade, daß aus deinen schönsten
Gedanken faule Äpfel wachsen,
Von außen rot, doch innen madig.

ADAM
Du glaubst wohl an nichts Edles mehr?

LUZIFER
Und glaubt ich auch, was würd es nützen,
Wenn dein Geschlecht dran doch nicht glaubt?
Das Rittertum, das du errichtest
Als Leuchtturm in des Meeres Wogen,
Erlischt dereinst, verfällt und wird
Zu böserm Riff dem kühnen Schiffer
Als andere, die nie geleuchtet.
Alles, was lebt und Segen spendet,
Stirbt mit der Zeit, der Geist verfliegt,
Der Leib verbleibt und haucht als Aas
Die tödlichen Miasmen aus
In der entstandnen neuen Welt.
Dies, siehst du, bleibt uns von der Größe
Der alten Zeit.

ADAM
      Was tut’s? Bis unser Orden
Zerfällt, sind seine heiligen Lehren
Ins Volk gedrungen!

LUZIFER
      Heilige Lehren!
Zum Fluch wird euch die heilige Lehr,
Auf die ihr stießt von ungefähr;
Ihr dreht und spitzt sie immerdar
Und schärft und spannt sie so sehr an,
Bis sie zu Fesseln werden oder Wahn.
Ihr wünscht euch den Begriff exakt,
Zu dem zu stehn ihr doch nicht wagt.
Euch hat’s der Fluch der Lehre angetan.
Dies Schwert bleibt, etwa um ein Haar
Verkürzt, verlängert, was es war:
Ein Schwert. So geht es bis zuletzt.
Wo ist der Punkt, der hier die Grenze setzt?
Erst wenn der Wandel groß und tief,
Dann nehmt ihr wahr ihn instinktiv.
Doch fällt mir schon das Reden schwer.
Blick in der Stadt dich selbst umher.
Einige Bürger erscheinen wieder.

ADAM
Hört, Freunde! Obdach heischt mein müdes Volk
Wohl nicht vergebens in der Hauptstadt
Der Christenheit?

3. BÜRGER
      Es fragt sich: Bist du
Kein Ketzer, ärger als die Heiden?

4. BÜRGER
Sag, glaubst du an die Homousie?
Und nicht an die Homoiusie?

ADAM
Versteh ich nicht.

LUZIFER
      Gesteh’s um alle Welt
Nicht ein!

4. BÜRGER
      Er zweifelt. Seht, ein Ketzer!

MEHRERE
Fort, schließen wir die Häuser zu!
Verflucht, wer ihnen Obdach gibt.
Sie zerstreuen sich. Der Patriarch in fürstlicher Pracht kommt mit Gefolge aus seinem Palast, ihm folgt eine Schar Mönche, die Ketzer in Fesseln geleiten. Zum Schluß Soldaten und Volk.

ADAM
Ich staune! - Doch wer ist der Fürst,
Der dort so aufgeblasen naht?

LUZIFER
Der Patriarch, der Erbe der Apostel.

ADAM
Und dies barfüßige, ekle Pack,
Das schadenfroh, mit falscher Demut
Das Volk in Ketten hier begleitet?

LUZIFER
Bedürfnislose Christenmönche.

ADAM
In meinen Bergen gab’s die nicht.

LUZIFER
Hier um so mehr. Der Aussatz breitet
Sich langsam aus. Verletz nur nicht
Dies unerbittlich tugendhafte Volk,
Das darum eben unversöhnlich ist.

ADAM
In welcher Tugend glänzt solch Volk?

LUZIFER
In Selbstkasteiung und Entsagung,
Wie sie am Kreuz dein Meister übte.

ADAM
Er hat die Welt damit erlöst,
Doch diese Feigen lästern Gott,
Rebellisch spottend seiner Huld.
Wer gegen Mücken Waffen führt
Wie gegen Bären, ist kein Held,
Nur toll.

LUZIFER
      Doch wenn sie diese Mücken
Für Bären ansehn? - Ist es nicht
Ihr Recht, als Helden jeden Wüstling
Der Hölle preiszugeben?

ADAM
      Herr,
Ich seh wie Thomas, und mir fehlt der Glaube.
Ich will dem Blendwerk näher treten.
(Er tritt vor den Patriarchen hin)
Mein Vater! Uns, des Heiligen Grabes
Befreiern, von der Fahrt ermüdet,
Verweigert diese Stadt ein Obdach.
Du bist so mächtig, hilf uns, Vater!

PATRIARCH
Mein Sohn, mir fehlt die Zeit zu Nichtigem.
Denn Gottes Ruhm, des Volkes Heil
Gebieten, daß ich Ketzer richte,
Die giftverspritzend blühn wie Unkraut.
Wir tilgen sie mit Schwert und Feuer,
Doch immer neue Brut schickt uns
Die Hölle. Seid ihr fromme Ritter,
Was zieht ihr gegen ferne Mohren?
Gefährlicher ist hier der Feind.
Auf, überfallet ihre Dörfer,
Vernichtet Weiber, Greise, Kinder.

ADAM
Die ohne Schuld sind, Vater? Nicht doch.

PATRIARCH
Unschuldig ist sogar die Schlange,
Solang sie klein, und wenn den Giftzahn
Sie nicht mehr hat. Und schonst du sie?

ADAM
Die Schuld muß furchtbar sein, daß sie
Zu solchem Zorn entfacht die Kirche
Der Liebe.

PATRIARCH
      Hör, mein Sohn! Nicht wer
Dem Körper schmeichelt, liebt, doch wer
Die Seele, sei’s durch Schwert und Flamme,
Ihm zuführt, der also gesprochen:
„Nicht Frieden bring ich, sondern Kampf
Auf Erden.” Die verruchten Ketzer
Verkünden im Mysterium der
Dreifaltigkeit die Homoiusie,
Dieweil die Kirche die Homousie
Als Glaubenssatz hat aufgestellt.

MÖNCHE
Fort auf den Scheiterhaufen, Ketzer!

ADAM
So gebt doch, Freunde, auf das „i”!
Schätzt ihr das Leben so gering,
So kämpft doch für das Heilige Grab.

EIN ALTER KETZER
Satan, versuch uns nicht: wir sterben
Für unsren wahren Glauben, wo Gott will.

EIN MÖNCH
Du rühmst dich, Tropf, des wahren Glaubens?

DER ALTE KETZER
Zeugt nicht - mit andern - das Konzil
Von Rimini für uns?

DER MÖNCH
      Verirrung!
Doch Nikäa, nicht wahr, und andre
Rechtgläubige Konzile sind für uns?

DER ALTE KETZER
Daß ihr Abtrünnigen es wagt,
Mit uns zu streiten! Oder sprich:
Wo habt ihr einen Kirchenvater
Wie Arius und die Eusebiusse?

DER MÖNCH
Besitzt ihr einen Athanasius?

DER ALTE KETZER
Habt ihr denn Märtyrer?

DER MÖNCH
      Viel mehr als ihr!

DER ALTE KETZER
Pah, Märtyrer! Durch Teufelsmacht
Mit grobem Spuk zum Tod verleitet!
Ihr seid das große Babylon,
Die Metze, von der Sankt Johannes spricht,
Die schwinden wird von dieser Welt.

DER MÖNCH
Ihr seid der siebenköpfige Drache,
Der Antichrist der Offenbarung:
Betrüger, Schurken, Satansschüler.

DER ALTE KETZER
Ihr Räuber, Schlangen, Buhler, Schlemmer!

PATRIARCH
Hinweg, wir säumen schon zu lang,
Ins Feuer euch zu Gottes Preis!

DER ALTE KETZER
Zu Gottes Preis, so ist’s, du Böser,
Das Opfer fällt zu Gottes Preis.
Ihr seid die Starken, tut nach eurer Willkür,
Doch Gott wird eure Taten richten,
Gezählt sind eures Frevels Stunden,
Aus unserm Blut erstehen neue Kämpen.
Der Glaube lebt, die Opferflamme
Beleuchtet späte tausend Jahre.
Kommt, Freunde, in den süßen Tod!

DIE KETZER (singen im Chor)
1. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich heule, aber meine Hilfe ist ferne.
2. Mein Gott, des Tags rufe ich, so antwortest du nicht; und des nachts schweige ich auch nicht.
3. Aber du bist heilig. (Psalm 22)

DIE MÖNCHE (im Chor einfallend)
1. Herr, hadere mit meinen Haderern, streite wider meine Bestreiter.
2. Ergreife den Schild und Waffen und mache dich auf, mir zu helfen!
3. Zücke den Spieß und schütze mich wider meine Verfolger! (Psalm 35)
Unterdes zieht der Patriarch mit seinem Zug ab. Einige Mönche mit Traktaten mischen sich unter die Kreuzfahrer.

LUZIFER
Was stehst du sprachlos? Packt dich Grauen?
Du nimmst es tragisch? Faß es als
Komödie auf und lache, lache.

ADAM
Ach, scherze nicht! Daß für ein „i”
Man so entschlossen in den Tod geht!
Was ist dann das Erhabne, Große?

LUZIFER
Was andre leicht zum Lachen bringt.
Ein Haar trennt beides, eine Stimme
Im Herzen urteilt über sie.
Und diese Richterin, die bald vergöttert,
Bald spottend tötet, ist: die Sympathie.

ADAM
Was muß ich all die Sünden schaun!
Den Hader in der stolzen Wissenschaft,
Das Gift, so meisterlich gewonnen
Aus der erquicklich schönsten Blume.
Die holde Blume kannt ich einst
In des verfolgten Glaubens Frühzeit.
Wer war der Frevler, der sie knickte?

LUZIFER
Der Frevler ist der Sieg, der stets
Entzweit und hundert Interessen züchtet.
Die Not vereint, schafft Märtyrer,
Gibt Kraft, du siehst es bei den Ketzern.

ADAM
Ich würfe weg mein Schwert und kehrte
Zurück ins Nordland, meine Heimat,
Wo in des Urwalds Schatten noch
Die Mannesehr und reine Schlichtheit
Dem Gift der glatten Zeiten trotzen,
Wenn mich nicht eine Stimme mahnte,
Ich sei’s, der neu gestalten muß die Welt.

LUZIFER
Verlorne Müh! Nie kann der Eine
Der Zeit zum Trotz zur Geltung kommen.
Im Strome kannst du schwimmen oder
Ertrinken, doch den Kurs nicht ändern.
Wer groß dasteht vor der Geschichte
Und wirkt, hat seine Zeit verstanden,
Doch Neues hat er nicht geschaffen.
Der Hahn erweckt den Morgen nicht,
Er kräht nur, wenn der Tag erwacht.
Die dort gefesselt, hohnumringt
Zum Martertod begeistert schreiten,
Nur sie sehn eine Spur voraus,
Ein neues Ahnen schimmert ihnen.
Und dafür sterben sie, was sorglos
Die Enkel mit der Luft einatmen.
Genug davon. Blick dort ins Lager:
Was gehn dort schmierige Mönche um,
Was feilschen, schwingen Reden sie
Mit breiten Gesten wie Verrückte?
Komm, lauschen wir!

EIN MÖNCH (unter den sich drängenden Kreuzfahrern)
      Kauft, Helden, kauft
Die Lehre von der Buße, die
In allen Zweifeln euch geleitet.
Sie lehrt euch, wieviel Jahre Mörder
Und Kirchenräuber, falsche Zeugen,
Verbuhlte in der Hölle schmoren,
Sie lehrt euch, daß ein Jahr der Strafe
Um zwanzig Solidi der Reiche,
Um drei der Arme abzugelten
Vermag, und wer gar nichts besitzt,
Um manche tausend Geißelhiebe.
Kauft, kauft das unschätzbare Buch!

DIE KREUZFAHRER
Gib her! - Auch uns gib, heiliger Vater!

ADAM
Ha, arger Krämer, ärger noch die Käufer!
Zerspreng den Markt mir mit dem Schwert!

LUZIFER (verlegen)
Verzeih, der Mönch ist mein Gevatter,
Mich widert diese Welt nicht an.
Wenn Gottes Ruhm im Steigen ist,
So steig mit ihm auch ich im Wert.
Nur du bliebst etwas tief zurück.
Eva als Isaura und ihre Kammerzofe Helene stürzen schreiend auf Adam zu, verfolgt von einigen Kreuzfahrern, die sich aber sofort aus dem Staube machen.

EVA (zusammenbrechend)
Held, rette mich!

ADAM (hält sie in den Armen)
      Erhol dich, Dame,
Hier bist du sicher. Sieh mich an
Mit diesen schönen Augen! - Was geschah ihr?

HELENE
Wir wollten die Natur genießen
Im kühlen Schatten unsres Gartens.
Wir saßen sorglos auf dem Rasen
Und lauschten froh der Nachtigall,
Da glühten hinterm Busch hervor
In wilder Leidenschaft zwei Augen.
Wir flohn erschrocken, vier Kreuzfahrer
Verfolgten trappelnd, keuchend uns,
Mit Müh erreichten wir dich endlich.

ADAM
O soll ich dein Erwachen wünschen?
Wirst du nicht wie ein Traum entfliehn?
Wie kann ein Leib so geistdurchflossen,
So edel sein, anbetungswürdig?

LUZIFER
Ein geistdurchfloßner Leib? Fürwahr, es wär
Für Liebeswahn die beste Strafe,
Wenn alles sich erfüllte, was
Der Liebsten einer so andichtet.

ADAM
Mir ist, ich hätte dich gekannt,
Ich stand mit dir vor Gottes Thron.

LUZIFER
Ich bitte dich, vergiß doch nie:
Die Liebelei ist nett - zu zweit,
Doch für den Dritten abgeschmackt.

ADAM
Sie lebt… sie lächelt… Dank dir, Himmel!

EVA
Wie dank ich, Ritter, für die Rettung?

ADAM
Ein Wort von dir ist reichster Lohn!

LUZIFER (zu Helene)
Ein karger Lohn, und mir selbst der versagt?

HELENE
Und welchen Dank wär ich dir schuldig?

LUZIFER
Glaubst du, der edle Ritter hätte
Auch dich gerettet? Welcher Wahn!
Der Ritter rettet sich das Fräulein,
Die Zofe ist des Knappen Anteil.

HELENE
Und was gewönn ich? Bin ich dankbar,
Dann war die Rettung überflüssig;
Wenn undankbar, erst recht verdammt.
Nicht übel waren die Verfolger.

ADAM
Wohin befiehlst du dich zu bringen?

EVA
Wir stehn vor unsrer Klostertür.

ADAM
Das Kloster, sagst du? - Seine Tür
Versperrt mir doch die Hoffnung nicht?
Ein Zeichen gib, ans Kreuz zu heften.
Wenn dieses mich zum Kampfe ruft,
Mag jenes meinen schönsten Traum
Mir wiederbringen, all die Jahre,
An deren End der Preis mir winkt.

EVA
Nimm dieses Band.

ADAM
      Das nachtschwarz ist?
O Hoffnung, Hoffnung - keine Trauer!

EVA
Nur dieses Zeichen kann ich geben.
Das Kloster ist kein Ort der Hoffnung.

ADAM
Auch nicht der Liebe. Doch wie soll,
Wo du bist, keine Liebe sein!
Du trägst noch nicht die Nonnentracht.

EVA
Ach, quäl mich nicht mit deinen Fragen,
Es schmerzt mich tief, dein Leid zu sehn.

LUZIFER
Auch dich schließt diese Mauer ein?

HELENE
Jawohl, doch liegt der Schlüssel nicht im Meer.

LUZIFER
Wie schad! Welch schöne Elegie
Könnt ich drauf drechseln.

HELENE
      Pack dich, Schelm!

LUZIFER
Warum? Wär’s nicht erhaben, wenn
Ich deinen Schlüssel aus dem Meere holte?

HELENE
Das wünsch ich gar nicht.

LUZIFER
      Doch, ich geh schon,
Mich in den schwarzen Schlund zu stürzen.

HELENE
O bleib, mich tötet hier die Angst!
Der Schlüssel wird im Fenster sein.

ADAM
Verrate mir doch deinen Namen,
In mein Gebet möcht ich ihn schließen
Und Segen auf dein Haupt erflehn, wenn
Dein Schicksal ich nicht teilen darf.

EVA
Mein Name ist Isaura. Deiner?

ADAM
Ich heiße Tankred.

EVA
      Tankred, Gott mit dir!

ADAM
Isaura, o, verlaß mich nicht
So bald, sonst sei verflucht der Name,
Den du zuerst beim Abschied nanntest,
Zu kurz war, selbst als Traum, der Augenblick:
Doch wenn du mir ein Rätsel bleibst,
Wie soll den Traum ich weiterspinnen ohne
Den teuren Faden deines Schicksals?

EVA
So hör mein Schicksal. Auch mein Vater
War Held des Heiligen Grabes. Als
Sein Lager eines Nachts der Feind
Mit Schwert und Feuer überrannte,
Als nirgends, nirgends Rettung winkte,
Gelobte er der heiligen Jungfrau,
Wenn er entkomme, mich, das Kind,
Einst ihr zu weihn. Er kehrte heim,
Ich nahm die Hostie.

ADAM
      Heilige Jungfrau!
Du Inkarnat der reinen Liebe,
Du wandtest dich nicht ab, gekränkt
Von solch unheiligem Gelübde,
Das Schatten wirft auf deine Tugend,
Zum Fluch verdammt des Himmels Labsal?…

HELENE
Und du willst nicht mein Schicksal wissen?

LUZIFER
Du liebtest, warst betrogen, liebtest
Aufs neue und betrogst nun selber.
Du liebtest, wurdest seiner satt.
Dein leeres Herz harrt nun des Mieters.

HELENE
Wie seltsam! Hältst du’s mit dem Teufel?
Doch scheinst du mir nicht so bescheiden,
Daß du mein Herz jetzt noch für leer hältst.

LUZIFER (zu Adam)
Rasch, Herr! Dir wird der Abschied schwer,
Und mir, zu hindern meinen Sieg.

ADAM
Isaura! Jedes Wort ein Stachel!
Sein Gift versüß mit einem Kuß.

EVA
Du hörtest, Ritter, meinen Schwur.

ADAM
Ist Sünde auch, daß ich dich liebe?

EVA
Du Glücklicher. Ich muß vergessen!
Ich gehe, sonst verläßt die Kraft mich.
Wir sehn uns, Tankred, einst dort oben!

ADAM
Leb wohl! Ich denke ewig dein!
Eva tritt ins Kloster.

HELENE (beiseite)
Du Feigling! Ich soll alles tun?
(laut)
      Den Schlüssel
Such nicht im Meer, er liegt im Fenster.
(Sie folgt Eva)

ADAM (besinnt sich)
Wir gehn.

LUZIFER
      Zu spät. Vorbei ist alles.
Nun sieh, wie toll ist dein Geschlecht.
Bald ist die Frau ihm Werkzeug grober
Gelüste, mit verruchten Händen
Streift es den Blütenstaub von ihr,
Beraubt sich selbst der Poesie;
Bald stellt es sie auf den Altar, als Gottheit,
Vergießt sein Blut unnütz für Sie,
Bis ohne Frucht verwelkt ihr Kuß.
Warum das Weib nicht einfach ehren
Im Kreise seiner edlen Sendung?
Unterdes ist es ganz finster geworden, der Mond geht auf. Isaura und Helene am Fenster.

EVA
Wie sah er mich voll Sehnsucht an,
Wie bebte er, der Held, vor mir!
Doch Tugend zwingt mich und der Glaube,
Das Opfer heilig zu erleiden.

HELENE
Wie närrisch ist doch unsre Art!
Sagt sie vom Vorurteil sich los
Und rennt wie toll der Wonne nach,
Verliert sie ihre Frauenwürde
Und wälzt verachtet sich im Schlamm.
Doch bleibt sie tugendhaft, dann bangt
Sie bald vor ihrem eignen Schatten,
Läßt ohne Frucht die Reize welken,
Beraubt sich selbst der Lust und andre.
Es gibt doch einen Mittelweg!
Ein kleines Abenteuer mal,
Ein zarter Liebesbund in Ehren…
Auch Weiber sind nicht nur von Geist.

EVA
Helene, sieh, ob er schon fort ist.
Er hätte mich so leicht verlassen?
Noch einmal hören seine Stimme!

ADAM (zu Luzifer)
Sieh, ob sie nicht am Fenster steht,
Mir nicht nachsendet einen Blick.
Noch einmal sehn die Feengestalt!
Verzeih, daß ich noch blieb, Isaura.

EVA
Ich trüg es leichter, wärst du fort.
Ein Riß im Herzen kann verheilen,
Ein zweiter schmerzt viel ärger noch.

ADAM
Fürchtest du nicht, so in die Nacht zu schaun,
Die wie ein großes Herz in Liebe pocht,
In der nur wir nicht lieben dürfen?
Nimmt dich der Zauber nicht gefangen?

EVA
In mir lebt auch dies alles wie ein Traum,
Den mir für diese Welt der Himmel
Mitgab. Ich hör das Lied der Lüfte,
Ich sehe tausend Genien
Mit Schwesterkuß in jeder Laube lächeln,
Doch nie mehr, Tankred, sprechen sie zu uns!

ADAM
Warum? Die schlechte Mauer soll mich hindern?
Der ich so oft die Schanzen überwand
Der Heiden, sollt ich diese nicht erklimmen?

LUZIFER
Die nicht, die schützt der Geist der Zeit,
Der stärker ist als du.

ADAM
      Wer sagt das?
Im Hintergrund flammt der Schein eines Scheiterhaufens auf.

DIE KETZER (im Chor aus der Ferne)
21. Errette meine Seele vom Schwert, meine einsame von den Hunden!
22. Hilf mir aus dem Rachen des Löwen, und errette mich von den Einhörnern!
23. Ich will deinen Namen predigen meinen Brüdern; ich will dich in der Gemeinde rühmen.

EVA
Erbarm dich, Gott, der Sünderseelen!

ADAM (zurückschaudernd)
Ein gräßlich Lied.

LUZIFER
      Dein Hochzeitslied.

ADAM
Mich schreckt es nicht. Ich trotze allem
Für dich, für dich!

DIE MÖNCHE (im Chor aus der Ferne)
26. … sie müssen mit Schande und Scham gekleidet werden, die sich wider mich rühmen.
27. Rühmen und freuen müssen sich, die mir gönnen, daß ich recht behalte, und immer sagen: Der Herr sei hochgelobt, der seinem Knechte wohlwill.
Zu Beginn dieses Chorgesanges bleibt Adam, der an die Klostertür getreten war, wieder stehn. Im Turm schreit ein Kauz, in der Luft fliegen Hexen, und vor der Tür steigt ein Gerippe aus dem Boden und bleibt drohend vor Adam stehn.

EVA (schlägt das Fenster zu)
Gott, hilf!

DAS GERIPPE
      Fort von der heiligen Schwelle!

ADAM
Wer bist du, Spuk?

DAS GERIPPE
      Der Gegenwärtige
In jedem Kuß, in jedem Liebesrausch.

HEXEN (lachend)
Süße Saat, doch saure Frucht.
Die Tauben brüten Schlangenzucht.
Isaura, komm!

ADAM
      Abscheuliche Fratzen!
Seid ihr verwandelt oder ich?
Ich hab euch lächeln einst gesehen.
Was ist hier Wirklichkeit, was Traum?
Mein Arm erschlafft vor eurem Zauber.

LUZIFER
Mich führt der Zufall, ach, in liebe
Gesellschaft. Lang vermißtes Glück!
Das ist die züchtige Hexenschar,
Die alle nackten Nymphen weit
An Frechheit übertrifft. Da ist
Der Urkumpan, der grause Tod,
Tritt auf als Zerrbild strenger Tugend,
Dem Erdensohn sie arg verleidend.
Seid mir gegrüßt! Mir fehlt es leider
An Zeit, die Nacht mit euch zu plaudern.
Die Erscheinungen verschwinden.
Was stehn wir, Tankred, in der Nacht?
Dein Liebchen schlug das Fenster zu:
Der Wind ist kalt und bringt dir Gicht.
Und wer beschützt mich vor Helene?
Der Teufel hüte sich vor Liebelei,
Er macht sich damit lächerlich,
Und seine Macht holt dann - er selbst.
Wie seltsam, daß das heiße Menschenherz,
Nach Liebe schmachtend, Qual nur erntet,
Der Teufel ohne Herz dagegen
Kann sich der Liebe kaum erwehren.

ADAM
Führ, Luzifer, zu neuem Sein mich!
Für Heiliges zog ich in den Kampf
Und fand verzerrt es und mißbraucht;
Sie opfern Menschen Gott zum Preis!
Der Bastard Mensch versagt vor der Idee.
Ich wollt veredeln unsre Lüste,
Sie stempelten die Lust zur Sünde.
Die Rittertugend, die ich wollte,
Stieß mir den Dolch ins Herz. Drum weg
Von hier, in eine neue Welt!
Ich hab bewiesen, was ich tauge,
Hab ringen und entsagen können.
Die Walstatt laß ich ohne Schmach.
Nichts soll mich mehr zur Tat begeistern.
Die Welt, sie gehe, wie sie wolle,
Die Räder stell ich nimmermehr,
Gleichmütig seh ich, wie sie schlenkert.
Ich bin ermüdet - laß mich ruhn!

LUZIFER
Von mir aus - ruh. Ob auch dein Geist,
Der ruhelose, dir die Gunst erweist?
Wer weiß es! Adam, folge mir!


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