Hussitenbibel, hussitische Rechtschreibung

Ketzer
Wiener Kodex
Hussitenbibel

Die früheste ungarische Bibelübersetzung ist unter dem Namen Hussitenbibel bekannt. Teile davon blieben als Kopien im Münchner, Wiener und im Apor-Kodex erhalten, worunter der Münchner Kodex am frühesten entstand. Aus dem Schlußsatz der die Übersetzung von vier Evangelien enthaltenden Handschrift erfährt man genau, wer sie wo und wann angefertigt hat: "Dieses Buch wurde beendet von der Hand des Georg Németi, dem Sohn Emre Hensels, in der Stadt Tatros in Moldau, im tausendvierhundertsechsundsechzigsten Jahr der Geburt des Herrn." In dem um 1450 kopierten Wiener Kodex sind neben mehreren kleineren Büchern des Alten Testaments (Ruth, Judit, Esther, Makabäer, Baruch, Daniel) die Bücher der zwölf kleineren Propheten zu lesen. Wichtigster Teil des im ausgehenden 15. Jahrhundert kopierten Apor-Kodex ist die Übersetzung der 150 Psalmen.

Von Anfang an gab es viele, die vom hussitischen Ursprung dieser Übersetzung überzeugt waren, andere wieder bestritten ihn. In der Franziskanerchronik des Valentin Szalkai heißt es, daß 1438-39 zwei sirmische Hussitenkleriker, Thomas und Valentin, nach Moldau flüchteten, wo sie das Alte und Neue Testament ins Ungarische übersetzten. - Da sich sowohl eine Bibelübersetzung als auch eine existierende Kopie an Moldau binden ließen, lag es nahe, daß man beide in Zusammenhang brachte. Für die hussitische Konzeption sprachen darüber hinaus drei weitere Umstände: 1. In der Matrikel der Prager Universität waren ein Baccalaureus namens Thomas Quinqueecclesiensis (1399) und ein anderer namens Valentinus de Ujlak (1411) eingetragen, die man letzlich unter den Namen Thomas von Fünfkirchen bzw. Valentin von Ujlak mit den Bibelübersetzern identifizierte. 2. Die Chronik der Franziskaner hält die Übersetzung von Spiritus sanctus als Heiliger Hauch für Ketzerei, wie es in den drei Kodizi tatsächlich enthalten ist. 3. Jan Hus hatte zur Wiedergabe der im lateinischen ABC nicht vorhandenen böhmischen Laute ein eigenes Rechtschreibesystem mit Beizeichen erarbeitet. Der Kopist des Müncher Kodex verwendete als erster ein wenn auch nicht identisches, so doch auf einer identischen Konzeption beruhendes System. Vom hussitischen Ursprung des Münchner Kodex ausgehend bezeichnet István Kniezsa diese Rechtschreibung als hussitische Rechtschreibung, ungeachtet dessen, daß die Schreibweise der Franziskaner in ungarischen Kodizi im allgemeinen ebenfalls Beizeichen enthält. Die Rechtschreibung mit Beizeichen ist keine Erfindung von Hus, daher dürfte sie sich bei uns nicht ausschließlich durch Vermittlung der Hussiten eingebürgert haben. Ganz undenkbar ist hingegen, daß die Franziskaner eine in Moldau verfaßte ketzerische Bibelübersetzung erst konfiszierten, deren Rechtschreibung aber übernahmen und sie dann auch noch im ganzen Land verbreiteten. Den Übersetzungen lagen liturgische Bücher zugrunde. Am weitesten läßt sich der Weg des in der zweiten Hälfte 15. Jahrhunderts kopierten Apor-Kodex verfolgen. Im 16. Jahrhundert war er im Besitz von Prämonstratensernonnen, die ihn ergänzten. Der Psalter wurde von jedem Mönch wöchentlich hergesagt, selbst wenn er nicht Latein konnte. Die ungarische Übersetzung diente in erster Linie der zusätzlichen Andacht. Als ketzerische Übersetzung haben die Kopisten und Benutzer damals ihr viel gelesenes Buch der Bücher jedenfalls nicht empfunden.

EM


Hussitische Rechtschreibung

Die hussitische Rechtschreibung entstand im 15. Jahrhundert. Die ungarischen Übersetzer der Hussiten-Bibel verwandten sie auch für die ungarische Sprache. In diesem Rechtschreibtyp ist jeder Laut mit einem gesonderten Buchstaben bezeichnet, die im Lateinischen fehlenden Buchstaben wurden durch Buchstaben mit Nebenzeichen ergänzt (z. B. das kurze und lange offene e durch è, das geschlossene kurze ë durch e und e, ö durch o, ü durch v, u und ny durch n. Das Zeichen für ly wurde (l, das für ty wurde t und das für gy wurde g.). Die Länge der Konsonanten wurde nicht bezeichnet. Neben der hussitischen Rechtschreibung existierte auch die Kanzleirechtschreibung weiter. In einzelnen Schriftdenkmälern wurden sogar beide Rechtschreibungen gemischt verwendet.

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