Gast, Hospes- und Freizügigkeitsrecht, Libertinus, Kurie

Kornernte
Waldrodender Siedler
Bauernwagen
Betlehemer Hirten, Fünfkirchner Dom
Hacken und Pflügen
Hochzeitsszene, Szabadegyháza
Gast (Hospes)

Im 11.-12. Jahrhundert ursprünglich zur oberen, vermögenden Gesellschaftsschicht gehörender Vornehmer, der seine Heimat verließ und sich als Gast in Ungarn ansiedelte, um durch seine militärischen und sonstigen Dienste am Königshof in den Besitz von Gütern zu gelangen. Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hieß man die bäuerlichen Gastsiedler so, die sich in der Hoffnung auf geringere oder bedeutendere rechtliche und ökonomische Vergünstigungen in den weniger bewohnten Gebieten des Landes niederließen. Sie kamen hauptsächlich aus Nordfrankreich, Bayern, Schwaben und Sachsen sowie aus Italien nach Ungarn und siedelten sich meist in einer Gemeinschaft an. Schon im 13. Jahrhundert wurden auch solche Bauern als Hospites bezeichnet, die ihren früheren Herren im Interesse der Erlangung von Privilegien verlassen und auf dem Boden eines anderen Grundbesitzers ein neues zu Hause gefunden hatten.

KSz


Hospesprivilegien

Zu den persönlichen Privilegien der Hospites gehörten das Recht auf den Erwerb beweglicher und unbeweglicher Güter, das Recht auf Veräußerung bzw. im Todesfall Weitervererbung dieser Güter sowie im Fall des Nichtvorhandenseins von Erben das Recht auf testamentarische Verfügung. Nach der Größe des bestellten Bodens war der Hospes zur Entrichtung von exakt festgelegten aber ermäßigten Steuern und zu Dienstleistungen verpflichtet, unter denen Frondienste jedoch in der Regel fehlten. Die Gemeinschaft der Hospites verfügte über ein begrenztes Recht zur Selbstverwaltung: Der aus ihren Reihen gewählte Richter urteilte (nach dem Muster der heutigen Zivilprozesse) in sog. "geringeren Angelegenheiten", während die (den Strafprozessen entsprechenden) sog. "größeren Sachen" in den Kompetenzbereich des territorial zuständigen königlichen Beamten (z.B. Komitatsgespan) fielen. Häufig stand der Hospesgemeinschaft das Recht zu, Markt abzuhalten, ihren Pfarrer zu wählen, und mitunter genoß sie teilweise oder vollständige Zollfreiheit. Die Freiheiten des sich zum Ende des 13. Jahrhunderts herausbildenden Fronbauerntums beinhalteten zahlreiche Elemente der Hospesprivilegien. Mit Erweiterung der allgemeinen Hospesrechte durch den König entstanden im mittelalterlichen Ungarn die verschiedenen Versionen des Stadtrechts.

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Recht auf Freizügigkeit

Das Recht auf freie Wahl des Wohnortes und des Grundherren, das als Minimum der allgemeinen Freiheit zu betrachten ist. Ein Beschluß des Kronrates aus den Jahren um die Wende des 13./14. Jahrhunderts - der als Anlage zum Gesetzbuch von 1298 erhalten blieb - erkannte das Freizügigkeitsrecht der auf den Adelsgütern lebenden "Bauern und Leibeigenen" an. Für die Dienstleute der Kron- und Kirchengüter galt damals noch das archaische Abhängigkeitsverhältnis. Vor dem Umzug war es erforderlich, die Genehmigung des Grundherren einzuholen sowie die fällige Steuer an ihn zu zahlen, und darüber hinaus mußte noch eine Umzugsgebühr in bestimmter Höhe entrichtet werden.

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Libertinus

Bezeichnung für einen Knecht mit besonderer Stellung. Im Ungarischen wurde er früher auch "Freigelassener" genannt, doch in diesem Sinne verwendet die moderne Fachliteratur den Ausdruck heute nicht mehr. Der Libertinus gehörte im Laufe des 12.-13. Jahrhunderts als charakteristischer Typ zur Bevölkerung der weltlichen Eigengüter, auf königlichen oder Kirchengütern traf man ihn nur selten an. Er war seiner Rechtsstellung nach Knecht. Von den Servus genannten Knechten unterschied er sich dadurch, daß er den Boden selbständig bewirtschaftete, eine gültige Ehe schließen durfte und daß sein Recht auf eigene Auslösung anerkannt wurde. Den Naturalienzehnt mußte er ebenso an den Grundherrn abliefern wie er diesem gegenüber auch zu Dienstleistungen verpflichtet war. Letztgenannte unterschieden sich jedoch maßgeblich von denen der gemeinen Knechte und traten mit der Zeit dann in den Hintergrund. Im ausgehenden 13. Jahrhundert war die Mehrzahl der Libertini - durch Auslösung oder Freilassung - in die Reihen des persönliche Freiheit genießenden Fronbauerntums aufgestiegen.

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Kurie (lat. curia, curtis)

Begriff mit mehreren Bedeutungen: 1. Im 11.-12. Jahrhundert Zentrum des auf der Arbeit der den Hofstaat versorgenden Dienstleute gründenden königlichen Allodialgutes (allodium) und ständiger Wohnsitz des königlichen Beauftragten. 2. Vom 11. bis zur zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Zentrum weltlicher Güter (praedium, allodium). 3. Im Gutszentrum großer Güter errichteter Palas oder Burg aus Stein. 4. Zentrum bzw. Residenz kleiner Güter. 5. Grundstück von Leibeigenen bzw. dessen Gewann, im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts Einheit der Besteuerung.

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