ALLTAGSLEBEN
Die Tracht und Bewaffnung der Männer
Das Recht und die Möglichkeit Waffen zu tragen wurde zur Arpadenzeit mehr und mehr auf bestimmte Gruppen der Männer eingeengt. Im folgenden sollen die Tracht und Bewaffnung westeuropäischer Prägung sowie die traditionell ungarische bzw. mit neuen Einflüssen aus dem Osten ergänzte Ausrüstung getrennt voneinander vorgestellt werden. Wie die aus dem 11.-13. Jahrhundert verfügbaren Quellen verraten, setzte sich westliche Kleidung damals in immer stärkerem Maße durch.
Darstellungen bezeugen, daß die Männer nur selten Hemden trugen, sondern zuerst eine Tunika anlegten. Dies war ein weites, hemdartiges Kleidungsstück mit langen Ärmeln und rundem Halsausschnitt, das man aus Leinen oder Seide und in den verschiedensten Farben anfertigte. Am Halsausschnitt, an den Ärmeln sowie in der Mitte über den Oberschenkeln dürften es breite, gestickte Streifen geziert haben. Unter der Tunika trug man lange, enge Hosen oder farbige Strümpfe. An die Füße wurden Stiefel oder Schuhwerk mit bis über den Knöchel reichendem Schaft und weicher Sohle gezogen. Bekannt waren auch in der Mitte bestickte Sandalen byzantinischen Typs.
Als Gürtel genügte ein Riemen, den man mit einem einfachen Knoten zusammenband, benützt wurden aber auch nur mit einer Schnalle versehene Riemen. Im Kreis der Vornehmen kamen auch der mit Metallfäden durchwirkte Textilgürtel sowie der aus Metallgliedern zusamengestellte und mit Gold-, Silber- oder emaillierten Beschlägen besetzte Gürtel in Mode. Über der Tunika trugen sie einen kürzeren oder längeren, farbig gemusterten, ärmellosen Umhang (chlamis oder pallium), der vermutlich mit glattem Halsausschnitt, aber einem breiten, ausbiegenden Kragen zugeschnitten war. Die Flügel des Umhangs hielt ein Band zusammen, dessen verknotete Quastenenden durch zwei gegenständige Einschnitte am Rand des Umhangs gezogen wurden. Weniger feierlich als der Umhang und häufig mit einer Kapuze versehen waren das Cape (capa) und der Mantel (mantellum). Die aus Fell oder dickerem Stoff gefertigte, pelzgefütterte und mit Leder verzierte garnacia diente als Oberkleid.
Mit Übernahme der westlichen Mode veränderte sich auch die Haartracht; im allgemeinen wurden aufgelöste, rund um den Kopf herabgekämmte Frisuren getragen. Häufig flocht man auch Ringe oder anderen Schmuck aus Bronze bzw. Edelmetall ins Haar. Die sog. Drahtringe mit S-Ende waren bis zum Ende dieses Zeitalters sehr beliebt. Die Vollbarttracht blieb unverändert. Den Kopf bedeckte man zumeist mit einer aus Pelz oder Stoff genähten Mütze. Härtere Filzhüte mit Rand trug das Gemeinvolk. Bei den Vornehmen wurden die Mützen sogar geschmückt: Zur Hochzeit Herzog Bélas (1264), Sohn Bélas IV., zierten in Silberfassungen sitzende Pfauenfedern die Mützen der Teilnehmer, und sowohl in ihre Bärte als auch ihre Haarflechten hatten sie echte Perlen und Edelsteine geflochten.
Rüstete sich der Mann zum Kampf, vervollständigte er die oben geschilderte Bekleidung und nahm, natürlich in Abhängigkeit davon, ob er zur Waffengattung der schweren oder leichten Reiterei gehörte, verschiedene Schutzwaffen an sich. Im folgenden sollen zunächst die Schutz- und Angriffswaffen sowie das Pfedegeschirr der schweren, und anschließend die Ausrüstung der leichten Reiterei vorgestellt werden.
Im 11.-13. Jahrhundert verwendete man zum Schutz des Körpers verschiedene Typen des Panzers. Allseits beliebt war der sog. Kettenbandpanzer; hierfür wurden kleine schmiedeeiserne Ringe reihenweise an Riemen aufgenäht, was einen sicheren und dennoch leichten, biegsamen Panzer ergab. Bekannt war auch die Variante, wo man die Ringe in dichten Reihen an einem Lederhemd befestigt hatte. Nur die ganz Vornehmen konnten sich eines der echten, etwa zehn Kilogramm wiegenden Kettenhemden leisten, das in mühevoller Arbeit aus mindestens zwanzigtausend kleinen Ringen angefertigt wurde. Dem Schutz der Hüften dienten Kettenhosen- oder Strümpfe, und im 12. Jahrhundert schuf man als Verschluß der Hemdsärmel auch die Kettenhandschuhe.
Bald wurde es notwendig, die durch die gegnerischen Waffen am meisten bedrohten Schultern, Ellbogen und Kniee besser zu schützen. Deshalb befestigte man an diesen Körperteilen festschnallbare Panzerbleche. Zur gleichen Zeit waren auch die verschiedenen Typen der Schuppenpanzer in Gebrauch. Ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam die sog. Brigantine in Mode, ein mit Eisenstreifen- oder blechen gefüttertes Lederhemd. Diese Art des Schutzpanzers fand nach dem Mongolenüberfall in Mitteleuropa und später auch in Westeuropa Verbreitung. Die Schuppenpanzer entstanden im 11. Jahrhundert nach dem Muster eines bis zum Knie reichenden Overalls, während man die Unterschenkel mit breiten Lederstreifen umwickelte. Ergänzt wurde die Schutzausrüstung durch eine mit Kapuze versehene, schuppenbesetzte Kopfbedeckung, über der die Vornehmen dann noch den Blechhelm trugen.
Im 12. Jahrhundert trennten sich Kettenhemd und Kettenhose. Der Krieger trug unter seinem Panzer ein weites Hemd. Im 12.-13. Jahrhundert legte man über dem Panzer noch ein umgürtetes Waffenhemd (bambusium) an, das von den Kreuzrittern in Europa verbreitet wurde und vorrangig zum Schutz des gepanzerten Köpers gegen das Sonnenlicht diente. Ende des 13. Jahrhunderts kam das weiße Waffenhemd langsam aus der Mode bzw. verwandelte sich in ein buntes Prunkgewand der Ritter.
Aus der Arpadenzeit sind uns nur wenige Darstellungen von Schutzpanzern überliefert. Über einige Abbildungen mit Kettenhemd und Schuppenpanzer hinaus verdienen drei Denkmäler jedoch besondere Aufmerksamkeit.
Das erste Denkmal ist eine anläßlich der Heirat Kunigundes (Kingas), der Tochter Bélas I., nach Polen gelangte und dort an den Balken eines Kreuzes befestigte Krone, die kleine, anderthalb Zentimeter große, in Gold gegossene Figuren, darunter auch Rittergestalten, zieren.
Das zweite ist die Goldschnalle vom Fundort Kiskunmajsa-Kigyóspuszta (um 1260), deren nielloverzierte Schlachtszene zeigt, wie in langärmelige und bis zum Knie reichende Schuppenpanzer gekleidete Ritter mit Helm und Kapuze aufeinander prallen.
Beim dritten Denkmal handelt es sich um die an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert entstandene Freskenserie über die Legende des hl. Ladislaus in der Kirche von Gelence/Ghelinta (Rumänien). Der heilige König ist auf den Gemälden mit einem langen Hemd bekleidet, darüber trägt er einen mit Ringen besetzten Lederpanzer, um seine Taille liegt ein Gürtel ohne Beschläge, an dem ein Dolch hängt. Seine Beine stecken in engen Strumpfhosen und seine Füße in Schuppenpanzerschuhen. Auf dem Kopf trägt er einen mit einer Krone geschmückten Helm.
Im Nachlaßmaterial des 13. Jahrhunderts gibt es eine Gruppe, die sog. Reitersiegel, auf denen - ungeachtet ihrer geringen Abmessungen - einzelne Elemente der zeitgenössischen Bewaffnung gut zu erkennen sind. Bei Betrachtung läßt sich im Hinblick auf die Rüstung der Ritter lediglich vermuten, daß sie einen Panzer tragen, am besten sieht man ihre Kettenstrümpfe oder die spitzen Kettenschuhe. Auch das lange, umgürtete, vom Oberschenkel in Falten nach hinten schwingende Waffenhemd sowie der ganz oben auf dem Kopf sitzende Topfhelm sind gut auszumachen. Ihre Schilde, sofern sie solche tragen, sind klein und dreieckiger Form; auf ihnen erschienen die ersten ungarischen Wappen.
Nach der Tracht und Schutzbewaffnung kommen wir nun zur Vorstellung der Angriffsbewaffnung. Reiter mit schwerer Bewaffung (Ritter) benützten im allgemeinen keine Waffe für den Fernkampf. Deswegen erscheint es als etwas typisch Ungarisches, daß - wie ab der Mitte des 13. Jahrhunderts eine Vielzahl von Angaben belegen - auch der Bogen zu ihrer Ausrüstung gehörte. Dieser Bogen dürfte sich in nichts von den aus dem Jahrhundert der Landnahme bekannten Typen unterschieden haben, erst mit dem Auftauchen der Kumanen kann mit einer verbesserten Form gerechnet werden.
Dagegen war die Lanze im Vergleich zu früher wesentlich wichtiger geworden. Denn nachdem die leichte Reiterei mit ihren Pfeilhagelmanövern die Schlacht eröffnet hatte, gingen die schwerbewaffneten Hauptheere in keilförmiger Formation zum Lanzenangriff über. Dabei konzentrierte sich die gesamte Bewegungsenergie von Pferd und Reiter in der Lanzenspitze. Den Lanzenschaft schmückte man unterhalb der Spitze mit einem Wappenfähnchen.
Nach dem Lanzenangriff der aufeinander treffenden Keile kam es zum Kampf Mann gegen Mann. Obwohl das zweischneidige Schwert die Hauptwaffe des Nahkampfes blieb, hat es sich mit der Zeit doch wesentlich verändert, gezwungenermaßen, da man immer häufiger Schutzbewaffnung trug. Von der Mitte des 12. Jahrhunderts an wurde es, um die Wucht des Schlages zu steigern, bedeutend schwerer. Sein Gewicht erreichte langsam anderthalb Kilogramm oder mehr. Der Gewichtspunkt des Schwertes wurde näher zum Griff verlagert, wodurch sich seine Handlichkeit und die Genauigkeit der Hiebe verbesserten. Merkmal der Klingen mit unterschiedlicher Länge und Breite war, daß sie nicht abgerundet, sondern in einer scharfen Spitze endeten, was beweist, daß man mit ihnen in der Regel auch zustieß. Nicht als Waffe betrachten kann man das silberne Totenschwert mit kurzer Klinge von König Béla III.
Sehr wirkungsvoll waren bei einem panzergerüsteten Gegner - vor allem in der Hand des Fußvolkes - die verschiedenen Kriegsäxte. Anfang des 13. Jahrhunderts tauchten in der ungarischen Sprache bárd (Beil-1214) und topor (Axt-1235) als Lehnwörter auf. Ein unmißverständlicher Hinweis auf die Rolle des Beils findet sich in der Ringkampfszene unter den Wandgemälden über die Legende des hl. Ladislaus in der Kirche von Gelence/Ghelinta: Hier zerschneidet das Mädchen die Hakensehne des Kumanen mit einem Beil - der Waffe des heiligen Königs, die zu einem ständigen Requisit späterer Darstellungen von ihm wurde.
Nach diesem Überblick über die Kriegsausrüstung wenden wir uns nun dem Pferd und Pferdegeschirr der Krieger zu. Mit dem teilweisen Wandel der Bewaffnung erschienen vom letzten Drittel des 10. Jahrhunderts an im Karpatenbecken auch die Pferde mit mächtigerem Körper. Auf seinem großen Pferd saß der gepanzerte Reiter in einem speziellen, vom östlichen Typ abweichenden Sattel, bei dem sowohl Vorder- als auch Hinterzwiesel erhöht waren. Anfangs konnte er in diesem hohen Sattel nur mit langgestreckten und dann mehr und mehr nach vorn gestreckten Beinen sitzen. Im 12. Jahrhundert, als die Lanzenangriffe zum schlachtentscheidenden Faktor wurden, bildete sich, zwecks Abwehr eines starken Zusammenpralls und besserer Stützung, der tiefe Rittersattel heraus, dessen Zwiesel den Körper des Reiters in der Hüftgegend beinahe umschlossen.
Das Pferdegeschirr schmückte man mit Beschlägen, Bändern oder Quasten, doch auf den erwähnten Wandgemälden waren an den Gurten des Pferdegeschirrs sogar die goldgelben Punkte der Beschläge dargestellt. Als Neuheit des behandelten Zeitalters bürgerte sich bei der ungarischen schweren Reiterei die Benutzung der Sporen ein. Mit dem Beschlagen der Pferde begann man im Kreis des Ungartums vermutlich erst im 11. Jahrhundert. Bei der schweren Reiterei war es allgemeiner Brauch, die leichte Reitere jedoch verzichtete auch im Mittelalter noch darauf - um die Geschwindigkeit der Pferde nicht zu beeinträchtigen.
Zusammen stellten die Bewaffnung und das Pferd des Ritters einen sehr großen Wert dar. Viele der kleinen Grundherren verfügten gar nicht über soviel Grundbesitz (vier- bis fünfhundert Hektar), aus dessen Erträgen sie sich eine solche Ausrüstung hätten leisten können. Es ist kein Zufall, daß die Mehrzahl der zum Heeresdienst gezwungenen kleinen Grundbesitzer schon damals - d.h. in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts - bei der leichten Bewaffnung blieb und sie höchstens durch Schwert bzw. Lanze vervollständigte, weil dies sowohl gegenüber dem leicht- als auch schwerbewaffneten Gegner zweckmäßig war.
Ausschließlich in leichter Bewaffnung kämpften die Petschenegen und Szekler sowie die im 13. Jahrhundert zugewanderten Kumanen und Jazygen. Vor der Behandlung ihrer Bewaffnung soll jedoch auch von ihrer Tracht die Rede sein, bzw. von deren Fortbestehen nach der Landnahmezeit.
Die auch im 11. Jahrhundert noch in heidnischem Glauben lebenden Menschen waren vermutlich ebenso bestrebt, an ihrer althergebrachten Kleidung festzuhalten. Von Darstellungen des 11.-13. Jahrhunderts verdienen hier das mit hohem Stehkragen genähte Hemd und das eng am Körper anliegende, etwas mehr als knielange, unterhalb des Gürtels weite, faltenreiche, kaftanartige Obergewand mit engen, bis zum Handgelenk reichenden Ärmeln Erwähnung. Zur Bekleidung gehörte stets ein beschlaglos dargestellter Gürtel. Die Beine der abgebildeten Gestalten sind nackt oder stecken in engen Strümpfen; an ihre Füßen tragen sie hochschäftige Schuhe oder Stiefel. Obwohl man weiß, daß das Gemeinvolk seine Haare noch jahrhundertelang gebunden oder in Zöpfen getragen, also auf Kopfrasur verzichtet und so die alte Tradition bewahrt hat, erscheint auf den erwähnten Darstellungen dennoch die Haartracht westlicher Prägung: das aufgelöste, herabgekämmte Haar, das rasierte oder schnauzbärtige, mitunter sogar von einem Vollbart gerahmte Gesicht.
Neben den Ungarn und mit ihnen verschmolzenen militärischen Hilfsvölkern dürften auch die Szekler und Petschenegen sowie Elemente der mohamedanischen Völker (Ismaeliten) zum Fortbestehen der orientalisch geprägten landnahmezeitlichen Tracht beigetragen haben, und durch die Ansiedlung der Kumanen und Jazygen im 13. Jahrhundert kamen neue Einflüsse hinzu. Die Oberkleidung der Kumanen - die an kumanischen Steinskulpturen (kamennaja baba) des 12.-13. Jahrhunderts aus der südrussischen Steppe sowie auf den Wandmalereien der Ladislaus-Legende zu beobachten ist - bestand aus einem fast knielangen Kaftan, Hose und Stiefeln. Die Flügel des weiten, aus schwerem Material (bei den Vornehmen aus byzantinischem Stoff) gefertigten Kaftans schlugen sie vorn von rechts nach links übereinander und verschlossen ihn mit einem Gürtel.
In seltenen Fällen war das Hemd so lang, daß es unter dem Kaftan hervorlugte. Auch der kumanische Krieger hielt seinen Kaftan mittels Gürtel zusammen, welcher gleichzeitig zum Tragen der Bewaffnung (z.B. Säbel, Bogenköcher, Pfeilköcher) sowie der sonstigen Ausrüstung (Messer, Feuerschläger, Kamm, Tasche) diente, und der in der Regel unverziert, d.h. nur mit einer Schnalle versehen gewesen sein dürfte. Die vornehmen Kumanen allerdings hatten ebenfalls Anspruch auf einen Gürtel mit Edelmetallbeschlägen. Überraschenderweise folgte man bei der Fertigung der Beschlaggarnituren dieser Gürtel nicht dem östlichen Geschmack, denn sie zeigen die Verbindung zur Welt der Ritter.
Kumanische Krieger trugen anstelle der Hosen bis zur Hüfte reichende Strümpfe. Ihre leichten Stiefel mit weicher Sohle waren knielang. Der kumanische Mann rasierte sich den Kopf und flocht das hinten verbleibende Haar zu einem bis drei, häufig unterschiedlich langen und dicken Zöpfen. Auch den Backenbart entfernte er, trug jedoch einen Schnurrbart mit spitzgezwirbelten Enden. Seinen Kopf bedeckte eine lange, spitze, pelzlose sog. kumanische Mütze mit hochgeschlagenem Rand. Diese Tracht war unter den Ungarn in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts dermaßen verbreitet, daß sich die Kirche zweimal vergeblich bemühte (1279, 1288), sie zu verbieten.
Der leicht bewaffnete Krieger sah sich ebenfalls gezwungen, Schutzbewaffnung zu tragen. Zum Schutz des Körpers legte er einen Lederpanzer an. Krieger höheren Ranges trugen den bereits erwähnten Schuppen- bzw. Kettenpanzer. Ihren Kopf schützten auch sie mit einem Helm, den man in Form eines Kegels aus Lamellen zusammengenietet oder zu einem Stück geschmiedet hatte, und der in einer den Helmschmuck tragenden Tülle oder kleinen Stange für ein Fähnchen endete. Häufig wurde er durch einen Nasenschutz oder eine das halbe bzw. ganze Gesicht bedeckende Metallmaske ergänzt.
In der Regel verwendete der leicht bewaffnete Krieger keinen Schild, doch mag auch das mitunter vorgekommen sein. Grund dafür war, daß dieser ihn bei der gleichzeitigen Handhabung des Bogens und Pferdes behinderte. Seine Hauptangriffsswaffe blieb nämlich der Bogen. Der Typ des landnahmezeitlichen Reflexbogens hat im 11.-12. Jahrhundert vermutlich weiter bestanden, obwohl es dafür auf ungarischem Gebiet keine archäologischen Beweise gibt.
Unter den mannigfaltigen Formen der Pfeilspitzen tauchten mit Beginn des 11. Jahrhunderts mehr und mehr - drei- und vierkantige, pyramidenstumpf- und lanzenförmige - panzerbrechende Exemplare auf, zum Zeichen dafür, daß sich die Bogenschützen immer öfters panzerbewehrten Feinden gegenüber sahen. Daneben blieben aber auch die für frühere Zeiten typischen flachen, blattförmigen, rhombischen und deltoiden sowie gabelförmigen Pfeilspitzen in Gebrauch.
Zu den Waffen des Nahkampfes gehörte der Säbel, obgleich einen solchen selbst bei den Mongolen nur die Wohlhabenderen besaßen. Mit Beginn des 11. Jahrhunderts veränderte sich auch diese Waffe. Langsam entstand der im Vergleich zum früheren längere Säbel mit breiterer und stärker gebogener Klinge.
Darüber hinaus gab es noch eine andere traditionelle, im Karpatenbecken vielleicht schon durch Vermittlung der Petschenegen oder erst der Kumanen aufgetauchte Hiebwaffe, den Streitkolben, von dem uns jedoch nur Streufunde bekannt sind. Diese Streitkolben wurden in den verschiedensten Formen aus Eisen geschmiedet oder in Bronze gegossen und an einem Holzschaft befestigt gehandhabt.
Die Ausrüstung der leichten Reiterei entsprach sehr wahrscheinlich der zur Landnahmezeit üblichen bzw. hat sich davon ausgehend weiterentickelt. Über den Sattel liegen uns keine konkreten Angaben vor. Sicher ist hingegen, daß sich die Gebißstange unvermindert großer Beliebheit erfreute. Die Steigbügel der Krieger hatten - ihren weichen Stiefeln angepaßt - größtenteils breite, gewölbte Sohlen und zu einer runden oder zugespitzten Form geschmiedete Schäfte. Sporen fanden bei der leichten Reiterei weiterhin keine Verwendung.
Zum Abschluß unseres Überblicks über die Ausrüstung der schwer- und leichbewaffneten Reiterei sollte nun auch die Armbrust noch kurz erwähnt werden. Diese Waffe, die eine erschreckende Wirkung erzielte, blieb bis zuletzt Teil der Ausrüstung des Fußvolkes, d. h., sie wurde nicht in die Ausrüstung der verschiedenen berittenen Waffengattungen übernommen. Unserer ersten Angabe zufolge verteidigte der spanische Gespan Simon im Jahr 1242 die von den Mongolen belagerte Graner Burg mit Hilfe seiner Armbrustschützen. Und eine Angabe aus 1265 erwähnt das Erschießen von Pferden mit Armbrüsten, was bedeutet, daß diese Waffe zum Ende der Arpadenzeit auch auf ungarischem Boden schon gebräuchlich war.
Das in der Geschichte des Königreiches Ungarn ein Zeitalter abschließende, wichtige Jahr 1301 war im Hinblick auf die Tracht- und Waffengeschichte kein entscheidendes Datum, denn die hauptsächlichsten Waffengattungen behielten bis zum Ende des 14. Jahrhunderts ihre oben behandelten Proportionen bei, und auch die Weiterentwicklung der Waffen setzte sich in den angedeuteten Rahmen fort.
Die Tracht der Frauen und Kinder
Mit der Übernahme des Christentums änderte sich die Bekleidung sowohl der Männer als auch der Frauen wesentlich. Die für beide Geschlechter typische, aus dem Hemd, einem kaftanartigen, umgürteten Obergewand, der Hose und den beschlaggeschmückten Stiefeln bestehende Tracht wurde, den Vorschriften der neuen Religion gemäß, von Kleidungsstücken abgelöst, die die Körperformen verbargen. Diese in ganz Europa verbreitete, geschlossene, mantelartige Kleidung bestand aus mehreren übereinander getragenen Gewändern. Als erstes legte man ein Tunika genanntes Unter- und Obergewand an, darüber wurden ein kürzerer, ärmelloser, prunkvoller Überwurf sowie ein längerer, halbrund geschnittener Umhang getragen.
Die nacheinander angelegten Kleidungsstücke fertigte man aus ein und demselben Material, farblich unterschieden sie sich allerdings. Das Grundmaterial der Kleidung war Tuch, verwendet wurden aber auch europäische oder orientalische Seide, eventuell Brokat oder Samt. Eine aus dem Jahr 1264 überlieferte Abrechnung des jüngeren Königs Stephan beweist, daß sich die Vornehmen des Landes ihre Kleider aus den teuersten ausländischen Stoffen anfertigen ließen. In der Liste werden große Mengen flandrischen Tuchs, italienische, byzantinische und asiatische - vielleicht chinesische - Seide, Samt und feines Leinengewebe angeführt, die man ebenso zu Männer- wie zu Frauenkleidung verarbeitete. Gefüttert oder geschmückt wurden die Gewänder mit teuren Pelzen.
Unverheiratete Mädchen trugen das Haar offen (wie auch ihr ungarischer Name "hajadon" besagte), während verheiratete Frauen ihr Haar bereits mit irgendeiner Haube oder einem Schleier bedeckten. Die einfachste, das Haar, den Hals und teilweise auch die Schultern verbergende Kopfbedeckung, Nonnenhaube- oder schleier gennant, sieht man auf dem das Letzte Abenmahl darstellenden Wandgemälde in der Kirche zu Ócsa. Solche Schleier wurden von älteren Frauen und vermutlich von Witwen getragen. Eine kästchenartige, unter dem Kinn gebundene, flache Haube und darunter einen nach hinten lang herabwallenden Schleier trägt die weibliche Stifterfigur am Tympanon von Szentkirály. Dieser Kopfschmuck war jedoch nur im Kreis der adligen Damen verbreitet, wie sie auch unter den berühmten weiblichen Stifterfiguren des Naumburger Doms (Deutschland) zu finden sind.
Schmuck trugen die Frauen relativ wenig, am häufigsten vertreten waren die zum Verschließen des Gewandes dienenden Umhangschnallen bzw. Agraffen. Um ihren Zöpfen Halt zu geben, benützten sie - wie Grabfunde belegen - silberne oder bronzene Lockenringe. Daneben kamen in den freigelegten Gräbern aber auch Hals-, Arm- und Fingerringe zum Vorschein, die meisten aus Kupfer bzw. Bronze, denn nur Vornehme trugen Silber- und Goldgeschmeide. Als Schmuck galt auch der von Mädchen ebenso wie von Frauen getragene Gürtel, den man aus Metall- oder Goldfäden wob sowie mit Metallblechen und häufig auch mit Perlen verzierte.
Zur Tracht der unverheirateten Mädchen gehörte auch der im Ungarischen "párta" genannte Jungfernkranz. An ihn erinnern zahlreiche Sprichwörter und Wendungen, wie beispielsweise "pártában maradt" (sinngem.: Jungfer geblieben), als Bezeichnung für Mädchen, die keinen Mann gefunden hatten. Dieser Kopfschmuck bestand aus einem um den Kopf gelegten, ähnlich dem Hüftgürtel mit Perlen, gepreßten Blechen oder eventuell Edelsteinen geschmückten Band oder Kranz. Die Schriftquellen geben keine Auskunft darüber, ob das Tragen dieses Jungfernkranzes zur Arpadenzeit allgemein verbreitet war. Doch daß er getragen wurde, zeigen die von Archäologen in mehreren Frauengräbern im Bereich des Kopfes freigelegten Perlen und gepreßten Silberbleche.
Den wertvollsten Goldschmuck trugen die Mitglieder der königlichen Familie bzw. des Hofstaates. Diese Schätze wanderten, dank der zwischen den Herrscherfamilien geknüpften dynastischen Ehebindungen, von Land zu Land. Als Hochzeitsschmuck der Töchter Bélas IV. gelangten auf diesem Wege zum Beispiel jene Kronen nach Polen, die bis heute erhalten geblieben sind. Eine der Kronen ziert die Herme des hl. Sigismund, zwei andere benutzte man für ein Votivkreuz. Von der bald nach ihrem Tod heiliggesprochenen Königstochter Elisabet heißt es in der Legende, daß ihre Eltern, Andreas II. und die später ermordete Gertrud, sie für ihren Weg nach Thüringen mit einer reichen Mitgift ausgestattet hatten.
Elisabet wurde dem Sohn des thüringischen Markgrafen als Kind anverlobt, doch alles was sie mitnahm, die Kleider und der Schmuck, unterschied sich in nichts von der Tracht einer erwachsenen Prinzessin. Dies war bis zuletzt typisch für das Mittelalter, daß die Kleidung der Kinder, unabhängig von der gesellschaftlich-finanziellen Situation, nur in der Größe von der der Erwachsenen abwich. Mit Ausnahme der kleinsten trugen Kinder dieselben Kleider wie ihre Eltern.
