Graner Burgpalast und Porta Speciosa, Hiob

Gran, Palast
Gran, Burgkapelle 1
Gran, Burgkapelle 2
Gran, Porta Speciosa 1
Gran, Porta Speciosa 3
Gran, Porta Speciosa 4
Graner Burgpalast

Auf dem Burgberg in Gran erhob sich nicht nur die römische Stadt Solva, sondern vom Ende des 10. Jahrhunderts an auch der Stammsitz der ungarischen Fürsten, wo Großfürst Géza gelebt hat und wo um 970 sein Sohn, der spätere König Stephan, zur Welt kam. Auch die Kirche des ungarischen Erzbischofs und sein Palast entstanden auf dem Burgberg. Der königliche Burgpalast wurde schon im 11. Jahrhundert erbaut. Den Anfang hatte Béla III. gemacht. Doch da seine Nachfolger als Wohnsitz Altofen vorzogen, fiel der Palast zunächst vorübergehend (1198), dann aber endgültig (1256) den Erzbischöfen zu. Die von Kirche und Königtum beherrschte Siedlung konnten 1241-42 selbst die Mongolen nicht erobern.

Der Burgpalast selbst war ein mehrgeschossiger, unregelmäßig polyedrischer Wohnturm, den man auch im 16. Jahrhundert - vermutlich als Hinweis auf die königlichen Bauten - noch den weißen Turm nannte. Eine Mauer trennte innen jede Etage des Wohnturmes in zwei Räume. Zu erreichen war er wohl durch das in Höhe des ersten Geschosses befindliche Tor. An den Wohnturm schlossen in spitzem Winkel ein zur Donau gewandter Palastflügel sowie ein Kapellentrakt an. Von letzterem blieben der Nachwelt außer den Grundmauern zwei Säle erhalten.

Ein schmaler Gang und eine Seitenkapelle verbanden den Wohnturm mit der Burgkapelle, einem der schönsten Denkmäler der romanischen Architektur in Ungarn. Ihr relativ kleiner, einfacher Innenraum zeichnet sich durch eine meisterhafte Raumgestaltung aus. Die Seitenwände des rechteckigen Schiffes erweitern bogige Sitznischen, und eine doppelte Säulenreihe trägt das Gewölbe der rundbogigen Apsis. Jeweils eine Nebenkapelle grenzt im Norden und Süden an die Kapelle, auch diese mit französischer Grundrißanordnung. Das plastische Dekor bilden größtenteils Kapitelle antiken Geschmacks mit Akanthusblättern, aber auch einige Figurenkapitelle und vor allem das Portal verdienen besondere Beachtung. Die beiden äußeren Säulenkapitelle der Doppelnischen an der nördlichen Kapellenmauer ziert jeweils ein Kopf mit bärtigem, ungarischem bzw. mit glattem Gesicht.

Den Portalen kam in Gran besondere Bedeutung zu. Sie vertreten mehrere Varianten des romanischen Stils, ganz zu schweigen davon, daß gleichzeitig mit dem Bau des Burgpalastes auch das Prunkportal des Doms, die Porta Speciosa, entsteht. Diese Portale sind sämtlichst Säulenportale mit abgestuftem Gewände, wobei das Portal der Kapelle zwei Paar reichverzierte Säulen bildeten, das des Palastes jedoch nur jeweils ein Säule. Das Tor zum Wohnturm, gleichfalls mit Säulen und abgestufter Laibung, war ähnlich gestaltet, ebenso wie das kleinere Tor neben diesem, das vermutlich auf den Erker führte. Am vorgenannten erscheinen an den Kanten der gekehlt zurückgearbeiteten Mauerpfeiler und in der Kehle über dem Sockel nach oben kriechende Tiere. Alle Portale zieren Kapitelle mit feinen, aber scharf geschnittenen Akanthusblättern, die ein zusammenhängendes Gesims bilden. Den rundbogigen Abschluß des Kapellenportals schmückt außerdem ein normannisches Rautenornament, während man an den Innentoren auch das normannische Zickzackmotiv findet, ebenso wie an einzelnen Kapitellen.

Quelle: Dezsõ Dercsényi. Romanische Architektur in Ungarn. Budapest 1972, 190-191. Abb. 51, 53, 55, 56, 57, 58, 59.

Prunkportal des Graner St. Adalbertdoms

(Porta Speciosa)

Der Bau des Domes zu Ehren des hl. Adalbert wurde in den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts im Auftrag König Stephans in Angriff genommen. Auf die königliche Bauhütte deuten die Säulenkapitelle mit Akanthusblättern. Erzbischof Hiob, der in Paris studiert hatte, ließ die neue Kirche erbauen. Nach der Türkenzeit war der Dom nur noch eine Ruine, deren Grundmauern man dann beim Bau der Kathedrale klassizistischen Stils zu Beginn des 19. Jahrhunderts vollständig zerstörte. Auch von der die Hauptfassade zierenden Porta Speciosa blieben nur Fragmente erhalten, obwohl das Portal Mitte des 18. Jahrhunderts noch in unversehrtem Zustand gemalt und beschrieben wird. Von daher wissen wir, wie es ursprünglich aussah. Es war ein Portal aus rotem Marmor, ebenfalls mit abgestuftem Gewände und Säulen, seine Türpfosten, den Architrav, hauptsächlich aber das Tympanon schmückten figurative Marmorinkrustierungen. Der mittlere Teil des dreiteiligen Portals ruhte nach dem Muster oberitalienischer Portale auf Löwen, während die Säulen der beiden schmaleren Außenteile von kauernden Menschengestalten getragen wurden. In die aus der nahen Steingrube stammenden roten Marmorplatten hatte man die Kleidung der Gestalten eingemeißelt, mitunter bestand diese aber auch aus Marmor anderer (blauer) Farbe, während Hände, Füße, Kopf und Inschriftenbänder immer aus weißem Marmor gefertigt waren. Inkrustation und Darstellung zeugen von einer großen Malkultur und einem mit sicherer Hand arbeitenden Künstler. Die Technik ist byzantinisch, selbst wenn sie hier, entsprechend den Gegebenheiten des lokalen Marmors, anders angewandt wurde. In Byzanz dekorierte man weißen, in Esztergom roten Marmor mit Marmoreinlagen anderer Farbe. Auf den Portalpfeilern Apostel, auf dem Architrav die nach byzantinischer Art knieenden Gestalten Bélas III. und des Erzbischofs Hiob (sie datieren das Portal in die Zeit vor dem Tod des Königs, also vor 1196), und im Tympanon die legendäre Szene: Stephan der Heilige offeriert in Begleitung des hl. Adalbert sein Land der thronenden, das Kind im Schoß haltenden Heiligen Jungfrau.

Esztergom, Burgmuseum

Quelle: Dezsõ Dercsényi. Romanische Architektur in Ungarn. Budapest 1972, 191.

Hiob

Vertrauter König Bélas III., der seine Jugendjahre zusammen mit dem späteren Herrscher in Byzanz verbracht haben dürfte. Nicht ausgeschlossen ist, daß er seine hohe Bildung an einer der westlichen Schulen erwarb. Nach seiner Rückkehr wurde er Bischof von Waitzen (1181-1183) und letztlich Erzbischof von Gran (1185-1203). Führte zur Zeit seines Episkoptas in griechischer Sprache einen dogmatischen Disput mit dem byzantinischen Herrscher Isaakios II. Vermutlich nach westeuropäischen und byzantinischen Vorbildern ließ er die Kathedrale in Gran umbauen. Damals entstand auch das nur fragmentarisch und auf späteren Darstellungen erhalten gebliebene Prunkportal, die Porta Speciosa, an der unter anderem auch Erzbischof Hiob abgebildet ist. Legte 1195 ein Kreuzfahrergelübde ab, zog auf Bitten Bélas III. dann aber doch nicht ins Heilige Land. In den Thronstreitigkeiten der Söhne Bélas unterstützte er Herzog Emmerich, später jedoch stellte er sich gegen ihn. Starb wahrscheinlich im Jahr 1203.

KSz