{287.} 3. Kultur und Reformation.
Die religiöse Toleranz

Die Wellen der ganz Europa überrollenden Reformation erreichten Ungarn schon sehr früh in den 1520er Jahren, und zwar zuallererst das Bürgertum deutscher Zunge in den königlichen Städten. Am Hofe Maria von Habsburgs, der Gattin König Ludwigs II., entstand ein Kreis von Humanisten, die mit Luthers Ideen sympathisierten, und dem auch zwei künftige Anführer der siebenbürgischen politischen Kämpfe angehörten, Georg Reicherstorffer und Markus Pemfflinger.

Die Lehre Luthers führte in Siebenbürgen als erster Johannes Honterus ein, ein Kronstädter Priester, der in Wien, Krakau und Basel studiert hatte. Dieser überdurchschnittlich gebildete und systematische Denker errichtete 1538/39 eine Druckerei in Kronstadt (die zweite im Land nach der seit 1529 betriebenen in Hermannstadt) und druckte der Reihe nach großes Interesse erregende theologische, juridische und geographische Werke, die zum Teil auch in deutscher Sprache erschienen. 1542/43 erarbeitete Honterus die Grundlagen der im Entstehen begriffenen sächsischen lutherischen Kirche, welche ihre endgültige Formulierung 1547 erhielten. Im Oktober 1542 wurde in Kronstadt die letzte Messe nach katholischem Ritus gelesen. 1543 entließ der Landtag in Weißenburg die wegen Ketzerei vorgeladenen Kronstädter Prediger unbestraft. Im April wurde Honterus dort zum Stadtpfarrer bestellt. Seine erste geistliche Amtshandlung bestand in der Reorganisation der städtischen Schule und der Einrichtung einer Bibliothek.

Dem Beispiel der bevölkerungsstärksten sächsischen Stadt folgte die gesamte sächsische Nationsuniversität. Im November 1545 beschloß sie auf ihrer Hermannstädter Versammlung die einheitliche Annahme der Lehre Luthers. Anfang 1553 wählte sich die Synode der sächsischen Geistlichen in der Person Paul Wieners einen eigenen Bischof („Superintendent“). Im Jahrzehnt nach 1550 wurden die für die nächsten Jahrhunderte gültigen Grundlagen der sächsischen lutherischen Kirche gelegt. Doch diesem Sieg folgte eine Periode kultureller Schwäche. Die sächsischen Pfarrer, Lehrer und Dichter schrieben lateinisch. Während die Kronstädter Druckerei ihre Blütezeit erlebte, druckte die Hermannstädter nicht ein einziges Buch in deutscher oder lateinischer Sprache. Das bedeutendste Geistesprodukt (neben der religiösen Literatur) aus der zweiten Jahrhunderthälfte ist das Rechtsbuch, das die Privilegien der sächsischen „Nation“ systematisch zur Darstellung brachte. Auswahl und Redaktion besorgten Thomas Bomel und Mathias Fronius, während der Hermannstädter Königsrichter Albert Huet die fürstliche Genehmigung erteilte. Für den Druck des Werkes (1583) vereinigte man die Druckereien von Kronstadt und Hermannstadt, was beide wiederum in eine Krise stürzte.

Die Annahme der Lehren Luthers seitens der Ungarn folgte der sächsischen Reformation kaum einige Jahre später. In Klausenburg wurde der Sachse Kaspar Helth, ebenfalls ein begeisterter Anhänger Luthers, schon 1544 Stadtpfarrer. In der überwiegend von Ungarn bewohnten Stadt begann er ungarisch zu schreiben und zu predigen, zudem magyarisierte er auch seinen Namen zu Gáspár Heltai. Ab 1550 wurde seine Tätigkeit auch durch eine Druckerei unterstützt, in der Heltai neben seinen eigenen ungarischen {288.} Werken auch die Teile der von ihm geplanten kollektiven Bibelübersetzung herausgab. 1554 wurde die Kirche der ungarischen Lutheraner in Siebenbürgen gegründet, mit einem früheren Mönch namens Tamás als ihrem ersten Bischof.

Das war kein Zufall, denn die ersten ungarischen protestantischen Prediger waren zumeist frühere Franziskaner-Observanzen, gleich jenen, die schon beim Ausbruch des ungarischen Bauernkrieges von 1514 eine führende Rolle gespielt hatten. Ähnlich dem damaligen Aufstand als sozialer Bewegung der Landstädte fand jetzt die Reformation ihre ersten ungarischen Anhänger ebenfalls in den Bürgern dieser Oppida.

Diese erfolgreichen, individuell aber nur im engen Kreis tätigen ersten Missionare (Mátyás Dévai Biró, András Szkhárosi Horváth, István Benczédi Székely, János Gálszécsi, András Batizi – mit Ausnahme der beiden letzten waren alle Franziskaner) lebten gerade in dem stets umstrittenen Gebietsstreifen zwischen den beiden Landesteilen der Szapolyais und der Habsburger.

Der unumschränkte Herr des Banats, Péter Petrovics, organisierte 1549 den nach dem sächsischen landesweit zweiten lutherischen Kirchendistrikt. Auf der 1549 sowie 1550 abgehaltenen Synode in Torony erschienen die Geistlichen aus Temeschwar, Arad, Makó und Szegedin und wählten – den Sachsen darin zuvorkommend – auch einen Bischof, den, seinem Namen nach zu urteilen, ebenfalls aus einem Oppidum stammenden Máté Gönci. Im nördlichen Streifen des Partiums von Ugocsa bis zum Szilágy-Gebiet unterstützte die Familie Perényi-Drágffy die Reformation. Unter der Schirmherrschaft von Gáspár Drágffys Witwe Anna Báthory kam es zur Synode von Erdeed am 20. September 1555, auf der die Geistlichen der Komitate Szabolcs, Sathmar, Szilágy und Ugocsa ein lutherisch geprägtes Bekenntnis annahmen und zugleich einen Bischof namens Demeter Tordai wählten, der ein Anhänger des Schweizer Protestantismus war.

Als die lutherische Lehre gerade ihre ersten großen Erfolge erzielte, war ihr die zweite, die helvetische Welle der Reformation bereits auf den Fersen. Der Landesteil der Szapolyais ging hier sogar voran. Der Debrecziner Geistliche Mátyás Dévai Biró begann an seinem Lebensende einige Wittenberger theologische Thesen zu bestreiten. Sein Nachfolger, Márton Kálmáncsehi Sánta, wurde vom Stadtrat 1551 bereits unter der Anklage der Ketzerei vertrieben. Kálmáncsehi begab sich in den Schutz des damals schon in Munkács lebenden Péter Petrovics, mit dessen Unterstützung im Dezember 1552 die Synode von Beregszász zusammentrat, auf der die Pastoren der Umgebung das erste helvetische Bekenntnis Ungarns annahmen.

Der erfolglose Aufstand von Petrovics im Jahre 1553 im Gebiet jenseits der Theiß brachte für eine Zeitlang die territoriale Verbreitung des Kalvinismus ins Stocken. Aber nach der Wende von 1556 gelang es ihm, blitzartig das Gebiet jenseits der Theiß für sich zu erobern. Sein erster Bischof wurde Kálmáncsehi mit dem Sitz in Debreczin. Nach dessen frühem Tod wurde ein energischer, organisatorisch hochbegabter Mann Stadtpfarrer in Debreczin und dann protestantischer Bischof des Gebietes jenseits der Theiß: Péter Melius Juhász. Er machte seine Stadt sehr bald zum ungarischen Zentrum der Reformation und rief Gál Huszár aus Transdanubien (1560) dorthin, um hier die erste kalvinistische Druckerei des Landes zu gründen (neben der in Wardein seit 1550 tätigen die zweite im Gebiet jenseits der Theiß).

{289.} Bereits als Bischof begründete Melius 1561 seine auf kalvinistischen Grundlagen stehende und doch eigene Konfession, die später als „Glaubensbekenntnis von Debreczin und Erlautal“ bekannt wurde. Seine Auffassung machte sich 1567 die Debrecziner Synode der Geistlichen des Gebietes jenseits der Theiß zu eigen. Diese Bekenntnisse wollten das gesamte Leben regeln: von den Dogmen über die Gottesdienste bis hin zur öffentlichen und individuellen Moral, ja sogar bis in die intimste Sphäre des familiären Lebens.

Der von seinen Gegnern als „Papst Péter“ verspottete Oberhirte hat sein Leben lang gekämpft. In gewaltigen Predigten geißelte er die ihre Macht für sich selbst und nicht für das Gemeinwohl einsetzenden Herren und verurteilte in gewagter Weise die Kanonisierung des Gewohnheitsrechts in Werbõczys „Tripartitum“ als gegen Gott gerichtetes „verlogenes Dekret“. Vor allem aber bekämpfte er die restlichen Katholiken sowie die ungarischen und sächsischen Anhänger Luthers – und schließlich auch den frischesten Sproß der Reformation, die antitrinitarischen Lehren des Michael Servet. Letztlich gelang es ihm auch, im Gebiet jenseits der Theiß den Wucherungen der immer neuen Triebe der dreißigjährigen Glaubenserneuerung Einhalt zu gebieten. Währenddessen gestaltete er unter Ausnutzung der Passivität der entfernt lebenden Grundherrenfamilie Enyingi Török Debreczin zu einer von gewählten Bürgern regierten Stadt um, in der die Kirche die Hauptrolle spielte. Sein strenger Geist legte sich schwer auf die Welt der „cívis“: Nach seinem Tode (1572) erlebte der dort sprühende Geist einen Niedergang. Seine Nachfolger waren zwar talentierte Organisatoren, Theologen oder Schriftsteller, insgesamt aber weit blassere Persönlichkeiten.

Melius vermochte Debreczin vor dem marodierenden Bauernheer des religiös begeisterten György Karácsony zu schützen und Tamás Arany mit seinen als Dreieinigkeitsverleugner bekannten Anhängern zu vertreiben. Wo aber seine Macht nicht hinreichte, dort ging der Streit um Glaubensfragen weiter. In Klausenburg wurde 1556 der gleich Heltai als Sachse geborene Ferenc Dávid (Franz Davidis oder Franz Hertel) Bischof der ungarischen Lutheraner. Auch Dávids Leben war, wie das von Melius, von Kämpfen bestimmt, doch wurde seine zweifelnde Seele von einer Krise in die andere getrieben. Am Ende des grimmigen Streites mit den „Sakramentariern“ (Kalvinisten) legte er sein Bischofsamt nieder und schloß sich ebenfalls dem helvetischen Bekenntnis an (1559). Die ungarischen Bürger Klausenburgs folgten ihrem beliebten Seelsorger sehr bald, und 1564 wählte die Synode der ungarischen Prediger Siebenbürgens in Groß-Enyed wiederum Dávid zu ihrem Bischof, womit der gesamte Kirchendistrikt kalvinistisch geworden war.

Johann II. machte den Klausenburger Bischof zu seinem Hofprediger, wodurch Dávid in der Umgebung des Herrschers wieder einer neuen Herausforderung begegnete, nämlich in der Person des fürstlichen Leibarztes, des Italieners Giorgio Biandrata, der ein Anhänger der antitrinitarischen Lehren war. Erneut stritt Dávid jahrelang, bis er schließlich 1568 die gleiche Wesenheit der Person Christi mit Gott Vater verneinte. Bald danach folgt ihm seine Stadt und auch der Landesherr, womit in Siebenbürgen die Antitrinitrarier zur anerkannten Konfession aufstiegen und eine ganze Schar der verwegensten theologischen Denker Europas – Johannes Sommer, Christian Francken, Jacobus Paleologus, Mathias Vehe-Glirius – nach Siebenbürgen zog.

{290.} Klausenburg wurde zu einem bedeutenden Geisteszentrum, in dem Heltai seine beispiellose Druckertätigkeit fortsetzen konnte. Der Reihe nach erschienen die Teile der Bibel, Ferenc Dávids Streitschriften über den Glauben und natürlich Heltais eigene Werke, darunter „Száz fabula“ (Hundert Fabeln, 1564), eine erstmalige ungarischsprachige Prosa, und „Chronica“ (1577), das erste historiographische Werk in ungarischer Sprache. Zugleich erschienen bei ihm aber auch die Gedichte des ersten großen Dichters ungarischer Zunge, Sebestyén Tinódi Lantos, und die ungarische Übersetzung von Werbõczys „Tripartitum“. Auch das erste Schauspiel in ungarischer Sprache, die antitrinitarisch geprägte „Válaszúti komédia“ (Scheideweg-Komödie, zweideutig, weil der Autor so heißt und es sich um einen Glaubensdisput handelt) läßt sich mit Klausenburg in Verbindung bringen.

Am Ende der 1560er Jahre ergeben die Religionsverhältnisse Siebenbürgens ein höchst ungewohntes Bild: Es bestehen drei protestantische Konfessionen, und auch der Katholizismus ist nicht völlig verschwunden. Die Szekler des Stuhles Csík und der Drei Stühle sowie ein Teil des Adels im Partium blieben bei dem Glauben ihrer Ahnen. Die Mehrheit der Rumänen war und blieb auch weiterhin orthodox.

Es bleibt ein herausragendes Kennzeichen Siebenbürgens, daß es hier praktisch nie zu einer organisierten Religionsverfolgung gekommen ist. Der katholisch gebliebene alternde König Johann behandelte die über Glaubensthesen streitenden Geistlichen mit einer weisen Toleranz. Selbst Bruder Georg verleitete sein gröberer Charakter kaum zu Gewalthandlungen, obwohl er das letzte Gesetz über das Verbot religiöser Reformen (1545) erließ. Auf dem Landtag 1548 in Thorenburg bestätigt er jedoch schon die Existenz der Lutheraner und verbietet nur weitergehende Reformen.

Von den beiden ursprünglich „anerkannten“ Konfessionen werden nach 1556 die Katholiken in den Hintergrund gedrängt, während sich die kalvinistische und dann die antitrinitarische Richtung verstärken. Auf dem Landtag von 1568 setzt Johann II. ein Gesetz über die völlige Freiheit der Verkündigung und Erklärung des Evangeliums durch, „denn der Glaube ist Gottes Geschenk“.* EOE II. 343 Auch wenn sich das Gesetz nicht auf die Katholiken bezog, schuf es eine in Europa beispiellose geistige Freiheit, in der die Klausenburger Theologengruppe (Dávid, Paleologus, Glirius) selbst die heikelsten Glaubensfragen erörterten. Die übereifrigen „Neuerer“ versuchte zuerst Johann II. selbst mittels neuer Gesetze zu bremsen, die dann Stephan Báthory noch durch eine scharfe Buchzensur verstärkte. Die theologische Unruhe ließ dadurch nach, und inzwischen rettete der Herrscher auch den Katholizismus, womit es zu einem kleineren Wunder kam: In einem Land lebten gleichzeitig vier anerkannte Konfessionen nebeneinander – mehr oder weniger in Frieden. Und wenn die griechisch-orthodoxe Kirche auch nicht als ebenrangig betrachtet wurde, so duldete man sie doch.

Eine Erklärung dafür ist auf der eine Seite offenbar in der weitgehenden Differenzierung der ständischen Gesellschaft zu sehen. Das Luthertum fand Unterstützung in der sächsischen Nation mit ihren autonomen Rechten. Der mit dem Zerfall des Landes in eine geistige Krise geratene ungarische Adel wurde ebenfalls Anhänger zuerst der lutherischen und dann der kalvinistischeu {291.} Lehre, und der Antitrinitarismus wurde zur Konfession des ungarischen Bürgertums (Klausenburg) in Siebenbürgen und eines Teils der Szekler.

Die Wahl der Konfession wurde im Einzelfall auch von geistigen, politischen und ethnischen Faktoren mitbestimmt. Die Siebenbürger Sachsen suchten auf die Herausforderung durch die neuen Verhältnisse, eine Antwort in der Annahme einer aus Deutschland kommenden Lehre zu finden. Die ungarischen Reformierten wurden vom hartnäckig habsburgfeindlichen Péter Petrovics gleich zweimal in entscheidender Weise unterstützt. Im Aufstieg der Antitrinitarier erkannte die ruhelose Seele Johanns II. auf der Suche nach seiner Identität und der Identität seines Landes die Artikulationsmöglichkeit, mit der er seine Zugehörigkeit zur christlichen Welt und zugleich die ihm aufgezwungene Distanz von ihr ausdrücken konnte. Die mit den realen Verhältnissen im Streit liegenden Szekler bilden ein weiteres Beispiel für die Interdependenz politischer und geistig-kultureller Entwicklungsprozesse: Ein Teil von ihnen beharrte krampfhaft auf dem Katholizismus, da er in ihm offenbar ein Mittel sah, sich mit seiner Hilfe vor dem Verfall seiner Rechte zu schützen; der andere Teil durchlief blitzschnell die unterschiedlichsten Formen der Reformation, vom Luthertum bis zur „Dreieinigkeitsverleugnung“, ja sogar bis zu deren Seitentrieb, den Sabbatariern. Anscheinend wirkte sich auch die wirtschaftliche Entwicklung manchmal auf den Gang der Reformation aus: Mit der in Treue zum Luthertum verharrenden sächsischen Reformation befand sich das lebendige geistige Leben der eine lange Blütezeit durchlaufenden Stadt Klausenburg in scharfem Gegensatz.

Wenn aber die Macht des siebenbürgischen Herrschers eine beinahe schrankenlose war, wie konnten dann im religiösen Bereich die ständischen und sogar außerständischen Kräfte einen so hohen Grad an Autonomie erlangen? Dafür ist die Erklärung sicherlich in der außergewöhnlichen Lage des jungen Staates zu suchen. In diesem gegen seinen eigenen Willen entstandenen Staat mit ungewisser Zukunft war die religiöse Einheit seiner Untertanen für den jeweiligen Herrscher eine zweitrangige Frage.

Das Verhältnis der Macht zur Religion zeigte sich auf recht klare Weise in der Religionspolitik Stephan Báthorys. Ferenc Dávid, dieser ruhelose Geist, ging in den 70er Jahren wieder einen Schritt weiter in seiner Bibelkritik: er leugnete, daß man Christus anbeten müsse. Da der Woiwode Christoph Báthory Gewalt vermeiden wollte, rief er den berühmten antitrinitarischen Denker Fausto Sozzini aus Polen nach Siebenbürgen, damit dieser den Bischof von der Falschheit seiner Behauptungen überzeugen sollte. Sozzini blieb jedoch erfolglos, und Biandrata trat offen gegen Dávid auf, so daß der von ihm beeinflußte Woiwode schließlich (auch unter Verwendung falscher Anklagen) Dávid festnehmen ließ, worauf dieser im November 1579 auf dessen Burg Diemrich starb. Die antitrinitarische Konfession spaltete sich sehr bald: Aus dem gemäßigten von Biandrata geführten Flügel entstand die unitarische Kirche, und aus den Radikalen, die schließlich unter dem Einfluß von Dávids Schüler Mathias Vehe-Glirius das Neue Testament verleugneten, bildete sich die Sekte der Sabbatarier.

Inzwischen war Stephan Báthory sehr darum bemüht, den aussterbenden Katholizismus zu retten. 1579 zwang er den Siebenbürger Landtag, die Jesuiten ins Land zu lassen. Der Societas Jesu wurde erlaubt, in Klausenburg eine Schule im Range einer Universität mit zwei Fakultäten zu errichten und {292.} in mehreren anderen Orten Grundschulen zu unterhalten. Die zumeist protestantischen Stände beobachteten mit unverhülltem Haß die anfänglich polnischen und italienischen, später ungarischen Mitglieder der Gesellschaft Jesu und deren infolge ihres hohen Niveaus und der Unterstützung durch den Fürsten erfolgreiche Bildungs- und Missionsarbeit, die auch ihren politischen Einfluß steigerte. Báthory gab den Ständen jedoch nur insoweit nach, daß er eine Reorganisation der 1556 zerfallenen katholischen Kirche nicht genehmigte. Einen neuen Weißenburger Bischof sollte erst Fürst Sigismund Báthory ernennen.

Eine ebenso große Wirkung hatte Fürst Stephans Eingreifen in die unter den orthodoxen Rumänen seit 1540 stattfindenden sächsischen und ungarischen Missionsbestrebungen. In der Hermannstädter Druckerei gab der Dolmetscher der Stadt, Filip Moldoveanul, 1544 einen Katechismus und andere kirchliche Broschüren in rumänischer Sprache und im Geist der Reformation heraus. In Kronstadt setzte diese Arbeit von 1558 bis 1582 ein griechisch-orthodoxer Geistlicher und Drucker aus der Walachei namens Coresi mit seinen Schülern fort, der eine ganze Reihe kirchenslawische und einige rumänische Bücher druckte, in denen der reformatorische Einfluß aber nur gering war. Eine viel eher reformatorische und ungarische Initiative war die 1582 in Broos erschienene rumänische Teilübersetzung des Alten Testaments.

Am Ende der 60er Jahre entstand im Gebiet um Wallenthal die rumänische reformierte Kirche in Siebenbürgen. Diese Entwicklung hat Báthory nicht mit Gewalt, sondern durch Förderung der rumänischen orthodoxen Kirche aufgehalten. Nach mehreren Versuchen seit 1571 gab er 1574 den Orthodoxen endgültig in der Person eines Geistlichen namens Ghenadie einen Bischof mit Sitz in Weißenburg. Da die griechisch-orthodoxe Kirche durch die rumänischen Einwanderer immer wieder Zuwachs erhielt, isolierte sie schließlich die rumänischen Reformationsbestrebungen und verhinderte damit zugleich die Möglichkeit, daß die Rumänen über ihre reformierte Kirche gewisse ständische Rechte errangen. Die Orthodoxen andererseits wurden trotz ihrer Bischöfe nicht zu einer „anerkannten“ Konfession aufgewertet.

Das andauernde Verwirrspiel von Reformation und anbrechender Gegenreformation war nicht nur ein Ausdruck des Dranges nach Wissen seitens der Gläubigen, sondern förderte diesen noch. In Siebenbürgen gelangten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts mehrere zehntausend im Inland und in der Fremde gedruckte Bücher in die Hand der Leser, in erster Linie theologische Arbeiten (der meistgelesene Autor war Melanchthon), dann aber auch die antiken Autoren und die zeitgenössischen Humanisten, vor allem Aristoteles, Erasmus, Ramus und Justus Lipsius sowie Boccaccio.

Es entfaltet sich erstmals auch eine landesspezifische Literatur. Von Heltais schöpferischen Initiativen war bereits die Rede. Damals kam in Siebenbürgen auch die ungarischsprachige Versnovelle in Mode. Bei den Siebenbürger Sachsen inspirierte das Hungarus-Bewußtsein beispielsweise Christian Schaeseus zu seinem großen Epos über den Untergang Pannoniens (Ruinae Pannoniae), Christian Pomarius hingegen verband seine Geschichte von Bistritz mit einer Beschreibung des Sachsenbodens und -volkes.

Das ureigenste Gebiet der siebenbürgischen Kultur war allerdings die Historiographie. Aus Siebenbürgen stammten Miklós Oláh und die am Szapolyai-Hof wirkenden György Szerémi und Antal Verancsics, alle drei {293.} Verfasser hervorragender Geschichtswerke Habsburger-Ungarns. Bischof Ferenc Forgách, der wiederum von Ferdinands Hof nach Siebenbürgen geflüchtet war, schrieb seine Geschichte der Jahre zwischen 1540 und 1570 bereits im Lande. Der andere Kanzler, Farkas Kovacsóczy, ist der Verfasser des ersten ungarischen Werkes der Staatsphilosophie. Der Erzieher des jungen Sigismund Báthory, Pál Gyulay, war König Stephans Chronist der Jahre 1579–1581 und der russischen Kriegszüge. Als Gipfelpunkt kann man István Szamosközy, den Pionier der pragmatischen, um Objektivität bemühten Geschichtsschreibung betrachten. Neben ihnen ist noch der aus Italien gerufene „offizielle“ Historiker Gian Michele Bruto zu nennen sowie der zu seinem Nachfolger ernannte János Decsi Czimor.

Die Sprache der höfischen Geschichtsschreibung war-vermutlich im Blick auf die internationale Leserschaft – das Lateinische, im Gegensatz zur gerade in Entfaltung begriffenen ungarischsprachigen Belletristik und sogar zur offiziellen Regierungssprache, denn seit 1565 wurden ja auch die Gesetze ungarisch abgefaßt.

Die Kultur Siebenbürgens verlor niemals den Zusammenhang mit ihrer europäischen Basis. Schon die Reformation hatte mit den Reisen der Studenten aus Ungarn an die westlichen Universitäten begonnen. Nicht nur Honterus, sondern auch ein großer Teil der jüngeren Generation sächsischer und ungarischer Prediger besuchte die Zentren der Reformation in Deutschland und der Schweiz. Die Hauptziele sind nicht mehr die katholisch gebliebenen Städte Wien und Krakau, sondern nunmehr Wittenberg und Basel. Um dorthin zu gelangen, war aber eine entsprechende Grundausbildung vonnöten. Deshalb gründete Honterus 1543 das „Studium Coronese“ und entstanden eine Reihe von Mittelschulen in Hermannstadt, Bistritz, Klausenburg, Neumarkt, Weißenburg, Debreczin und Wardein, meist mit Unterstützung seitens des Landesherrn.

Während das junge Fürstentum mit der Annahme der Reformation und dem Aufbruch der ungarischen Literatur ein bemerkenswertes Zeugnis seiner geistigen Reife ablegte, sind auf anderen Gebieten die Zeichen relativer Zurückgebliebenheit unübersehbar. Ein Beispiel dafür ist die verspätete Übernahme des Renaissance-Lebensstils. Eine Reihe Burgen und Schlösser wurde im Stil der Renaissance modernisiert. Die Burg von Neuschloß und das Winzendorfer Schloß begann noch Bruder Georg zu befestigen und zu verschönern. 1543 nimmt Farkas Bethlen seine Bautätigkeit in Bachnen auf, ab 1555 modernisierte die Familie Kendi die schöne Burg Wetsch und zugleich die Familie Apafi Eppesdorf. Burgkapitän Gábor Kornis nahm um 1557 in Huszt und Burgkapitän Ferenc Geszty seit Ende der 70er Jahre in Diemrich Umbauten vor. Zu den schönsten Gebäuden gehörten das ebenfalls zu jener Zeit entstandene Bethlen-Schloß in Kreisch oder Benedek Kereszturis Herrenhaus in Szentbenedek (1593) Beide Bauwerke sind eine geglückte Reminiszenz an die Renaissance des Cinquecento, an ihrem Umbau waren italienische Baumeister beteiligt.

In Weißenburg wurde der zum Fürstenpalast gewordene Bischofssitz ständig erweitert. In Klausenburg schuf ein italienischer Architekt die Hochschule als regelrechten Renaissance-Palast mit Arkaden und Innenhof. In Wardein begann man am Ende der 40er Jahre und in Fogarasch 1580 mit dem Ausbau der Befestigungsanlagen zu Burgen mit italienischen Bastionen. Vergeblich bemühte man sich aber vielfach, seine Schlösser nach der neuen {294.} italienischen Mode zu errichten bzw. zu renovieren – innerhalb der modernen Wände lebten die Menschen noch lange auf mittelalterliche Weise. Zudem unterstützte auch die puritanischere Atmosphäre der Reformation nicht gerade diesen von Lebensfreude geprägten neuen Lebensstil, dessen Vermittler natürlich primär katholische Italiener waren; anfänglich Mitglieder des Hofes von Königin Isabella und später von Johann II. Den großen Durchbruch bereitete schließlich die Thronbesteigung von Sigismund Báthory, der seinen Katholizismus laut proklamierte. An seinem Hofe drängten sich bereits die „welschen“ Musiker, Künstler und Angestellten, seine Beziehungen reichten über den Musiker Gianbattista Mosto und den Kapitän der Leibwache Gianandrea Gromo bis zu Girolamo Diruta und sogar Palestrina.

Die siebenbürgische Gesellschaft jedoch betrachtete diesen Renaissance-Pomp am Fürstenhof vorerst mit Abneigung; der durchschnittliche Adlige oder der einfache Bürger äußerte offen seine Antipathie dagegen. In der Kultur des einfachen Volkes blieb das Mittelalter noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts lebendig. Denn dort, wo sich die Seelen dem Neuen hätten öffnen können, in den Städten, dort kam es zum Zusammenstoß zwischen Renaissance und Reformation, und die Kämpfe endeten mit einem eindeutigen Sieg der reformatorischen Einfachheit und Strenge.