14. Johannes Honterus als Buchillustrator

Gutenberg Jahrbuch 1986. 35–56.

Einen ziemlich abgelegenen, aber alten Zweig des Deutschtums bilden die Sachsen in Siebenbürgen. Um die öden und unbewohnten Gebiete des Landes urbar zu machen, ließ der Ungarnkönig Géza II. (1141–1162) um die Mitte des 12. Jahrhunderts Ansiedler kommen aus den übervölkerten Teilen Deutschlands. Etwas später rief König Andreas II. den Deutschritterorden ins Land, um das schon christianisierte Ungarn vor den letzten Heidenwellen der Völkerwanderung aus Südosten zu schützen. Im Jahre 1211 erhielt der Orden die größten Teile der Hochebene vom Burzenland als Lehen. Der Deutsche Orden wollte aber hier, so wie es ihm in Preußen gelungen war, einen selbständigen Staat errichten. Nach langwierigen und wechselvollen Verhandlungen sah sich der Ungarnkönig gezwungen, seine Hoheitsrechte mit Heeresmacht zu verteidigen. Im Jahre 1225 widerrief er seine Schenkung und zwang die Ritter mit Waffengewalt, endgültig das Land zu verlassen.

Die vom Orden angesiedelten deutschen Bauern aber wurden nicht nur geschont, sondern genossen das Wohlwollen des Königs und seiner Nachfolger. Mit der Zeit erlangten sie bei den ungarischen Herrschern solches Vertrauen, daß diese ihnen die Verteidigung dieses wichtigen Grenzgebiets von Ungarn übertrugen. Die größte Ortschaft des Burzenlandes ist mit der Zeit Kronstadt (Brassó, Brasov) geworden. Im Jahre 1486 dehnte König Matthias Corvinus die Geltung des Goldenen Freibriefes von 1224 (des sog. „Andreanum”), der für die deutschen Bewohner der Hermannstädter Provinz und ihrer Nachbargebiete ausgestellt wurde, auch auf das ganze Burzenland aus. Dadurch gehörte die Einwohnerschaft des Kronstädter Distriktes als vollberechtigtes Glied der „universitas Saxonum”, d. h. der einflußreichen Rechtsgemeinschaft an, die sich auf dem freien Königsboden herausgebildet hatte und die alle deutschen Bürger dieses Gebietes umfaßte[1].

Die Benennung „Sachsen” bezieht sich nicht auf das ausschließliche Abstammungsland der deutschen Ansiedler, zumal sie eher aus dem Rheinland gekommen sind, sondern vor allem auf ihre Rechtspraxis, die nach dem berühmten „Sachsenspiegel” geregelt wurde. Die Sachsen in Siebenbürgen haben ihre ursprüngliche Sprache – als eine Art interessantes „Fossil” – bis in die heutigen Tage beibehalten.

Aus einer solchen Umgebung stammte der bekannteste Siebenbürger Sachse, Johannes Honterus. Er wurde in Kronstadt wahrscheinlich 1498 geboren. Sein Vater war Georg Lederer, der neben einem Wohnhaus noch ein Berufshaus und einen Meierhof in der Stadt besaß. Sein Sohn Johannes nannte sich seit seinem Universitätsstudium Honter, seit 1542 als humanistischer Gelehrter Honterus. Er erhielt in Kronstadt eine gründliche Schulausbildung, vermutlich durch die Dominikaner, zum Studium ging er – dank seines wohlhabenden Vaters – auf die Wiener Universität. Dort hat er den Magistertitel Anfang 1525 erhalten. Im Strom der aus der von den Türken belagerten Stadt Wien Flüchtenden traf er im Herbst 1529 in Regensburg ein. Im Frühjahr 1530 befand sich Honterus an der Universität Krakau. Den nächsten Frühling und Sommer verbrachte er aber schon in Nürnberg. Von dort traf er im Herbst 1531 in Basel ein. Im Jänner 1533 war Honterus wieder in Kronstadt. Im Frühling dann machte er einen kurzen Besuch in Krakau. Damit waren die Wanderjahre für ihn vorbei. Nur einmal verließ er noch seine Geburtsstadt, und zwar nur für einige Monate in der ersten Hälfte des Jahres 1535. Man nimmt an, daß Honterus damals vielleicht für kurze Zeit in Wittenberg bei Luther war. Sonst verblieb er – bis zu seinem Tod am 23. Jänner 1549 – ständig in Kronstadt.

Es ist nicht leicht, sich über die vielseitige Tätigkeit dieses Mannes ein Bild zu machen. Doch kann hier in diesem Zusammenhang nicht auf seine vielseitige Wirksamkeit eingegangen werden, die er als Jurist, als Philologe, als Pädagoge, als Reformator usw. ausübte. Im folgenden wird ausschließlich seine Tätigkeit als Holzschneider untersucht, wobei man aber auch seine kartographische und typographische Leistung in Betracht ziehen muß.

Im Jahre 1530, als Honterus neben seinem Studium auch als Lehrender an der Universität Krakau wirkte, gab er seine ersten Publikationen heraus. Dazu gehörte ein kleines Lehrbuch über Himmel und Erde. Diese „Rudimenta cosmographica” sind lateinisch und in Prosa abgefaßt. Das Werk gliedert sich in zwei Bücher: das eine behandelt die Astronomie, das andere die Geographie. Dazu bot er nur ein Mindestmaß an kartographischer Hilfe. Der Planiglob des Titelblatts (mit einem Durchmesser von 43 mm – Abb. 1) bringt die Halbkugel der Alten Welt nur mit den drei Erdteilnamen und den Namen der Haupthimmelsrichtungen am Außenrand. Übrigens wurde dieser Planiglob nochmals in diesem Druckwerk als Textabbildung verwendet.

Ein Einblattdruck war zwei Exemplaren dieser Krakauer Erstausgabe seiner „Rudimenta cosmographica” beigebunden. Dieser enthält eine Erdkarte mit dem Titel „Universalis geographiae typus” in der Größe 177x125 mm (Abb. 2). Beide Bände – in der UB Breslau und in der SuUB Hamburg – sind während des zweiten Weltkrieges verlorengegangen[2], doch eine Reproduktion der Karte aus dem Breslauer Exemplar ist glücklicherweise erhalten geblieben[3]. Um 1830 war der Originalholzstock dieser Weltkarte in Krakau noch vorhanden, und Józef Muczkowski druckte in einem Sammelband diese Erdkarte noch ab[4].

Die Erdkarte der Krakauer Erstfassung stellt die Alte und Neue Welt in den von Martin Waldseemüller auf seiner Karte von 1507 festgelegten Küstenumrissen dar, und zwar in einer vereinfachten Linienführung der Karte von Peter Apian. Die Weltkarte von Apian erschien zum ersten Mal 1520 in Wien, als Honterus seinen Studien in eben dieser Stadt nachging[5]. Beide oben beschriebenen Holzschnitte von Krakau sind nicht signiert, doch kann man annehmen, daß sie von Honterus selbst geschnitten wurden[6].

Besonders wichtig war für Honterus' Holzschneidertätigkeit die Zeit in Basel. Er stellte hier 1532 zwei größere (270x270 mm) Sternkarten des nördlichen und südlichen Himmels mit vielen Figuren des Tierkreises und der Sternbilder her. Fast in der Mitte des Holzschnittes – „Imagines constellationum Australium” betitelt – ist eine hübsch geschwungene Bandrolle mit Buchstaben „J. H. C.” (= Johannes Honterus Coronensis) zu sehen (Abb. 3), und zwar in unmittelbarer Nähe des Sternbildes „Corona”, das eine liebevolle Anspielung auf seine Heimatstadt Kronstadt ist. Die schon erwähnte Jahreszahl 1532 ist an der anderen Tafel, den „Imagines constellationum Borealium”, auf einer ähnlichen Bandrolle in der rechten unteren Ecke zu finden (Abb. 4).

Höchstwahrscheinlich wurden diese doppelfoliogroßen Sternkarten für die lateinische Übersetzung der „Phaenomena” des griechischen Dichters Arat hergestellt. Das Buch selbst erschien bei dem bekannten Basler Buchdrucker Henricpetri, aber erst 1535 und im Oktavformat. Die beiden Sternkarten wurden wohl zur gleichen Zeit verkauft, aber wegen des Formatunterschieds getrennt vom Band. Alle diese losen Karten gingen dadurch verloren. Glücklicherweise sind sie aber in vielen Exemplaren der Folioausgabe des Gesamtwerkes von Claudius Ptolemaeus aus dem Jahre 1541 und 1551 beim siebenten Buch von Almagest erhalten geblieben[7]. Man kann also annehmen, daß Henricpetri die Holzschnitte bei Honterus bestellt hat und später von den erworbenen Holzstöcken neue Abzüge herstellen ließ[8].

Die beiden Sternkarten sind ziemlich gut gelungene Kopien der Figuren von Albrecht Dürer, mit denen das Werk von Stabius 1515 in Nürnberg illustriert wurde. Natürlich erreichen diese Nachahmungen das künstlerische Niveau des Nürnberger Meisters nicht. (Hier möge eine interessante Kleinigkeit erwähnt werden: Es ist nicht allgemein bekannt, daß der Vater von Albrecht Dürer eigentlich ein Landsmann von Honterus war, da er in Ungarn in der Ortschaft Ajtós (als Türer = Dürer) geboren wurde.) Immerhin sind die Sternkarten gewiß eine beachtliche Leistung von einem – im Grunde genommen – Dilettanten, dessen zeichnerisches Geschick in den freien Abweichungen von Dürer gut spürbar ist[9].

Die bekannteste der in seine Basler Zeit fallenden wissenschaftlichen Leistungen von Honterus ist die von ihm entworfene und vervielfältigte Karte von Siebenbürgen. Sie trägt den Titel „Chorographia Transylvaniae – Sybenbürgen. Ornatissimo senatui Cibiensi dicatum. Basileae anno MDXXXII”, sie hat eine Größe von 555x372 mm und wurde mit Hilfe von zwei großen Holzstöcken hergestellt. Auf Honterus' Autorschaft weist auch hier ein Monogramm J.H.C. hin, das von einem schön gezeichneten Spruchband am rechten Kartenrand in der Nähe des Ortsbildes von Kronstadt getragen wird. Diese Art der Signierung ist demnach fast identisch mit jener Lösung, welche bei den oben behandelten Sternkarten verwendet wurde. Die linke obere Ecke ziert das Hermannstädter Wappen, während die rechte durch das Kronstädter Wappen geschmückt wird (Abb. 5). Die Karte ist ausschließlich sein Werk, weil er sie nicht nur entworfen, sondern auch in Holz geschnitten hat.

Das Erscheinen der Karte erregte in Gelehrtenkreisen Aufsehen und trug dazu bei, daß ihr Autor bald zu den hervorragendsten Geographen seines Zeitalters gezählt wurde. Die „Chorographia” von Honterus ist die älteste ausführliche Karte, die von diesem Teil Südosteuropas hergestellt wurde. Sie ist auch für lange Zeit grundlegend für solche Werke geblieben. Im wesentlichen beschränkte sich Honterus, der auf keine Vorgänger zurückgehen konnte, auf die kartographische Wiedergabe des von Deutschen bewohnten Teiles in Siebenbürgen. Die übrigen Gegenden des Landes genau zu erfassen lag nicht in seiner Absicht. Von den 197 freien Gemeinden auf Königsboden führte Honterus 114 Orte an. (Unter Königsboden versteht man das Gebiet, wo das „Andreanum”, also das Privileg des Ungarnkönigs Andreas II. aus dem Jahre 1224, für die Siebenbürger Sachsen gültig war[10].)

Das Vorhandensein der lange Zeit für verschollen gehaltenen Karte von Honterus erfuhr die Öffentlichkeit erst 1876, als Georg Daniel Teutsch – aufgrund der Mitteilung von Sándor Zay (= Márki Sándor)[11] – bekannt machte, daß in der Kartensammlung des ungarischen Nationalmuseums in Budapest ein Exemplar derselben gefunden worden sei[12]. Später veröffentlichte Karl Fabritius die Karte von Honterus, deren Bedeutung er in einer Abhandlung in ungarischer Sprache würdigte[13]. Das Unikat befindet sich auch heute noch in der Ungarischen Nationalbibliothek. Aus Anlaß der Tagung der Siebenbürger Sachsen mit dem Thema „Luther und Siebenbürgen” war die „Chorographia” im Jahre 1983 für zwei Wochen in der Universitätsbibliothek Tübingen ausgestellt[14].

Die Seltenheit der „Chorographia Transylvaniae” läßt sich durch einen zeitgenössischen Bericht beweisen. Antonius Verantius, der damalige Probst von Weißenburg in Siebenbürgen und nachmalige Erzbischof von Gran und dadurch Primas von Ungarn, schrieb am 20. August 1544 einen Brief an seinen Freund in Venedig, Andreas Surianus. Dazu legte er ihm die gewünschte Karte von Honterus bei und betonte, daß sie eine Seltenheit geworden sei, weil der Kronstädter Humanist ihre weitere Verbreitung nicht wünsche. Honterus hatte sein Erstlingswerk unterdrückt und alle Exemplare, die ihm in die Hände kamen, eingezogen, weil es ihm nicht vollkommen genug dünkte[15].

Honterus hat die einzelnen Ortschaften in seiner Karte von Siebenbürgen gemäß ihrer Rechtsstellung stilisiert dargestellt. Die Städte besitzen eine Vielzahl von Türmen und Festungsmauern, der Name ist mit Majuskeln angegeben. Die Marktflecken haben nur wenige Türme und sind – abgesehen von dem großen Anfangsbuchstaben – mit Minuskeln gekennzeichnet. Bei den Dörfern findet man meistens nur ein Häuschen, und ihre Namen sind mit kleinen Buchstaben gedruckt. Eine ähnliche Abstufung ist z. B. auch bei Gewässern festzustellen, wo die kleineren Bäche mit einer, die etwas größeren Flüsse mit zwei parallel laufenden Linien von Honterus dargestellt wurden.

Wahrscheinlich hatte Honterus schon während seiner Wiener Studienzeit mit Buchdruckern Kontakt. Er fing im Jahre 1530 an, seine Bücher in Druckform zu publizieren. So hatte er schon gewiß manche Erfahrungen auf diesem Gebiet, als er 1531 in Basel eintraf. Seine dortige xylographische Tätigkeit knüpfte nun nachweisbar an das Druckereiwesen an. Als vielseitiger Humanist erkannte er sicherlich die Bedeutung der Typographie. Schon bei seiner Ankunft in Kronstadt Anfang 1533 wurde vermerkt, daß er durch den „Magistrum Theobaldum Griffium Medicinae Doctorem et Artis Typographicae Licentiatum, der ihm dann in arte Typographica redlich beygestanden”, begleitet wurde. Man nimmt an, daß Honterus sich bei seinen beiden letzten Reisen in den Jahren 1533 und 1535 nach Krakau bzw. vielleicht nach Wittenberg um die Erwerbung der Ausstattung einer Offizin bemühte.

In der Fachliteratur wird allgemein gesagt, die Druckerei von Kronstadt hätte schon 1533, sicher aber ab 1535 gearbeitet[16]. Bis heute ist jedoch kein einziges Druckwerk dieser Presse aus der Zeit vor 1539 bekannt, aber es sind nicht weniger als neun kleine Bücher aus eben diesem Jahr erhalten geblieben. So kann man eher annehmen, daß die Offizin des Honterus ihre Tätigkeit erst im Jahre 1539 aufgenommen hat.

Ähnlich steht es mit den Gründungsmotiven. Georg Haner[17] hat 1694 angenommen, was später von mehreren Autoren wiederholt wurde, daß Honterus' Druckerei mit der Publikation einiger Büchlein von Luther und der Augsburgischen Konfession begonnen habe. In Wirklichkeit ist aus Kronstadt vor 1543 kein einziges Druckwerk, das unmittelbar im Dienst der Reformation stehen sollte, bekannt. Die Offizin wurde in erster Linie, um Schulbücher zu produzieren, ins Leben gerufen, weil Siebenbürgen in diesen Jahren durch das Eindringen der Türken in die ungarische Tiefebene wirtschaftlich in eine ziemlich isolierte Lage kam. Dadurch wurden auch die Druckereien der Sachsen von denen der anderen Länder abgeschnitten.

Die ersten Produkte der Kronstädter Presse von 1539 waren zwar ausschließlich Schulbücher, aber der anspruchsvolle Honterus schmückte diese hübschen, den Aldinen ähnlichen kleinen Bände in Oktavformat mit einer schmalen (118x65 mm) Titeleinfassung aus. Der Holzschnitt, folgt dem portalartigen Typ der Spätrenaissance, wo weiße Bordüren auf schwarzem Grund den klassisch einfachen Aufbau bilden. Nicht weniger als sieben kleine Bücher aus dem Jahre 1539 wurden mit dieser Titeleinfassung hergestellt. Dabei kann man zwei Varianten unterscheiden: die zwei senkrechten inneren Rahmenlinien sind breit (Var. A – Abb. 6) oder schmal, wodurch die Konturen der zwei Seitenkapitellen in den Vordergrund treten (Var. B. – Abb. 7). Innerhalb der Variante B ist noch ein weiterer Unterschied feststellbar: der Schatten des linken Kapitells über dem Titeltext dringt schnabelartig in den Hohlraum ein (Var. B/1 – Abb. 8) oder aber der Schatten läuft auch hier parallel mit dem Kapitell (Var. B/2 – Abb. 9). Die Abänderungen sind in der obigen Reihenfolge entstanden: in den späteren Jahren ist allein die Variante B/2 zu finden. Mit Hilfe der obigen und weiteren kleinen Beobachtungen war es möglich, die Druckwerke von Kronstadt sogar innerhalb des Jahres 1539 in eine genaue Chronologie einzuordnen[18].

Aus diesen Varianten kann man auch etliche Folgerungen ziehen. Einerseits ist es höchstwahrscheinlich, daß diese Veränderungen – aufgrund ästhetischer Uberlegungen – gleich nach der Anfangsverwendung vorgenommen wurden. Andererseits ist es sicher, daß jemand diese Arbeit – und zwar mit den gleichen Ansprüchen, womit der Holzschnitt selbst hergestellt wurde – in Kronstadt durchgeführt hat. Nach den bereits in Basel vollbrachten Leistungen des Honterus ist es nicht übertrieben, ihm die Ausführung dieser Aufgabe zuzuschreiben. So braucht man auch nicht auf die Vermutung von Pál Gulyás einzugehen, dieser auffallend feine und reife Holzschnitt sei nicht in Kronstadt, sondern im Ausland verfertigt und samt dem gegossenen typographischen Material gekauft worden[19].

In der unteren Randleiste ist ein schwungvoll entworfenes, stehendes Greifenpaar zu sehen. Dies veranlaßte Arnold Huttman zur folgenden Äußerung: „Es ist anzunehmen, daß die für die Jahre 1535 –1540 für Kronstadt nachgewiesenen Drucke der Honterus-Presse durch die Hand des Dr. Theobald Griffius gingen und daß er drucktechnisch an diesen wesentlich beteiligt war.” Oskar Wittstock ist noch weitergegangen und wies auch die Herstellung dieser Titeleinfassung dem in Kronstadt 1540 verstorbenen Griffius zu[20]. Diese Titelfassung ist in einem Dutzend von Kronstädter Druckwerken zu finden: zum letzten Mal tauchte sie – noch immer in der Form von Variante B/2 – im Jahre 1569 auf.

Schon im nächsten Jahr, also 1540, erschien eine weitere Holzschnitteinfassung in der Honterschen Offizin. Diese portalartige Holzschnittbordüre (Abb. 10 – 118x64 mm) trägt unten das Wappen von Kronstadt: eine Lilienkrone unmittelbar über einer Baumwurzel. In der Zeit zwischen 1540 und 1551 kommt sie insgesamt sechsmal vor. Im Jahre 1543 tauchten sogar drei weitere neue Titeleinfassungen auf. Die erste (Abb. 11) hat eine Größe von 125x80 mm, ist also bedeutend breiter als die zwei früheren. Es handelt sich auch hier um eine portalartige Bordüre, die stilistisch den ersten auffallend nahekommt. Außer 1543 taucht sie nur im Jahre 1547 auf. Die zweite Einfassung aus dem Jahre 1543 ist aus einem einzigen Druckwerk bekannt (Abb. 12 – 116x68 mm) und besteht aus vier selbständigen Holzschnitten. Der obere enthält unter einem Bogen wieder das Wappen von Kronstadt. Auch die drei weiteren Leisten sind in demselben Spätrennaisancestil gehalten: die klassischen Elemente sind mit wenig Schattierung meistens nur als Konturen dargestellt. Der untere Teil kommt später allein, als selbständige Vignette 1563 noch einmal zum Vorschein.

Die dritte Einfassung – auch von 1543 – zeigt keine steifen Portale, sondern besteht aus Voluten, Ranken und delphinartigen Tieren, die eine harmonische Gesamtwirkung bieten (Abb. 13 – 118x64 mm). Noch zweimal begegnen wir diesem Holzschnitt auf Titelblättern Kronstädter Drucke: 1544 und 1567. Elisabeth Soltész stellte Ähnlichkeit mit den Titeleinfassungen von Urs Graf (1514) und vom jüngeren Holbein (1518) fest, mit den in den Details natürlich reicheren, aber sonst gleichartigen in Basel hergestellten Holzschnitten[21]. Kurz vor dem Tod von Honterus im Jahre 1547 erschien die letzte Einfassung in seiner Offizin. Es handelt sich um seine einzige Bordüre ohne Rahmen (Abb. 14 – 125x82 mm), wo zwischen Ranken versteckt an Weintrauben pickende Vögel dargestellt sind. In der Zeit zwischen 1547 und 1555 erschien dieser Holzschnitt auf fünf verschiedenen Titelblättern.

Die zwei Werke von Kronstadt aus dem Jahre 1539, die keine Holzschnittbordüre haben, tragen auf ihren rot-schwarz gedruckten Titelblättern je ein Wappen. In beiden Fällen handelt es sich um das Zeichen der Person, der Honterus das Buch gewidmet hat. Beide Wappen sind gekrönt, weil die Widmung dem damaligen König von Ungarn und seiner Gemahlin galt.

Das Wappen der Königin Isabella (aus der polnisch-litauischen Dynastie Jagello) ist aus vier Teilen zusammengesetzt, ein Feld davon besteht selbst aus vier Teilen (Abb. 15 – 63x46 mm). Etwas ähnlich sieht das Wappen des Königs Johannes Szapolyai aus, wo die vier Felder, die die Wappen von Ungarn und Dalmatien darstellen, in der Mitte das Wappen der Familie Szapolyai (Abb. 16 – 66x40 mm) tragen. In beiden Fällen wiederholen sich die Wappenholzschnitte an der letzten Seite nochmals.

Da dem König gewidmete Werk wurde fünf Jahre später erneut veröffentlicht. Nur die ersten zwei Bogen wurden in ein einziges Heft zusammengezogen, alle weiteren stammen aus dem Original von 1539. Auch diese – nun schon überholte – Jahreszahl wurde auf dem Titelblatt nochmals wiederholt. Da der König inzwischen verstorben war, wurde die Widmung weggelassen. Es ist interessant, daß das Familienwappen des toten Herrschers heraldisch umgewandelt wurde: das Wappentier – also der Wolf hat einen neuen Kopf und dazu an einer Seite eine Mondsichel, an der anderen Seite einen sechsstrahligen Stern bekommen (Abb. 17). Dieser Wechsel innerhalb des Holzstocks ist eine Meisterleistung, weil dazu nur ein enorm kleiner Platz von 3,5x9 mm zur Verfügung stand, wobei freilich diese gut gelungene Abänderung fast nur unter der Lupe zu erkennen ist.

Am häufigsten kommt in den Kronstädter Publikationen das Druckerzeichen von Honterus vor. Es handelt sich – nach dem damaligen Brauch – um das Wappen der Stadt: Lilienkrone unmittelbar über einer Baumwurzel. Das Wappenschild ahmt die schlanke, elegante, einem Pferdekopf gleichende Schildform der Basler Renaissance–Druckerzeichen nach (Abb. 18 – 52x42 mm). In fast zwei Dutzend Druckwerken ist es zu finden, die in der Zeit zwischen 1539 und 1567 hergestellt wurden. Es gibt auch ein anderes Druckerzeichen (Abb. 19 – 24x47 mm), das wesentlich seltener – insgesamt nur fünfmal zwischen 1541 und 1562 vorkommt. Das Emblem zeigt wiederum das Wappen von Kronstadt – mit betont verbreiteten Wurzeln – aber diesmal ohne Schild mit einem sechsstrahligen Stern links und rechts oben.

Von den kleinen Schlußvignetten taucht die erste – ein aus einem Kleeblatt ausgehender einfacher „Schnurrbart” – nur im Jahre 1539, dann aber viermal auf (Abb. 20 – 6x37 mm). Auch von Anfang an wurde eine weitere Vignette in Kronstadt gebraucht (Abb. 21 – 9x40 mm), wo vier Blättchen mit ihren Ranken aus einem kurzen Stock herauswachsen. Dieser Buchschmuck kommt am öftesten – insgesamt in 14 Büchern – und am längsten – von 1539 bis 1594 – vor. Im Jahre 1547 tauchen auf einmal drei weitere neue Vignetten auf. Die erste (Abb. 22 11x73 mm) erscheint nur in einem einzigen Druckwerk. Die zweite (Abb. 23 – 11x7 mm) ist ein zweites Mal im Jahre 1563 zu sehen. Die zwei Aste mit vier Blättern greifen von beiden Seiten fast genau symmetrisch in die Richtung von Mitte, wo sie sich dann treffen. Die dritte kann man insgesamt in vier Druckwerken zwischen 1547 und 1555 finden. Es handelt sich um ein Geflecht von Ranken mit einigen Blättern in einer etwas größeren Form (Abb. 24 –25x60 mm).

Im Jahre 1548 erschienen drei weitere neue Vignetten auf den Blättern der Kronstädter Druckwerke. Alle drei Holzschnitte wurden in ähnlichem Stil hergestellt: die stark stilisierten Ranken tragen zwei bzw. vier Blätter (Abb. 25, 26 und 27). Auch ihre Größen weichen voneinander kaum ab (12x57 und zweimal 11x61 mm).

Mit dem Namen von Honterus sind etwa drei Dutzend Drucke verbunden, die in Kronstadt in der Zeit zwischen 1539 und 1548 hergestellt wurden. Die Mehrheit der Publikationen besteht aus Schulbüchern, die meist Honterus selbst zusammengestellt bzw. geschrieben hat. In der Reihe dieser Büchlein ist seine umgearbeitete Kosmographie hervorzuheben.

Das Werk hat Honterus zum ersten Mal noch 1530 in Krakau für das Quadrivium (arithmetica – geometria – musica – astronomica) veröffentlicht, also für die oberen Klassen der Schulen. Seine Kosmographie war ausgesprochen bahnbrechend. In den Schulen der damaligen Zeit kann von einem Unterricht der Geschichte, der Geographie und der Naturwissenschaft – in ihrem heutigen Sinne – kaum die Rede sein. Honterus legte den Schwerpunkt seiner Arbeit weniger auf die mathematische Geographie (Astrologie) als auf die physikalische.

Nach der Rückkehr nach Kronstadt arbeitete Honterus seine Kosmographie um: er setzte den ganzen Text in 1260 Hexameter um und hat sie auch inhaltlich ergänzt. Der erste Teil blieb auch weiterhin die Astronomie, dagegen wurde die Geographie wesentlich erweitert und in zwei Bücher geteilt: das erste enthält die Beschreibung von Europa, das andere die von Asien und Afrika.

Die zweite Fassung seiner Kosmographie wurde zum ersten Mal 1541 in seiner Heimatstadt gedruckt. Diese Ausgabe war aber vom Verfasser als Provisorium gedacht: zur Betonung dieses Umstandes steht am Ende des dritten Buches eine unvollendete Zeile. Honterus der Typograph stellte diese Version nur in wenigen Exemplaren her, die nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für seine Freunde bestimmt waren. Durch diese Probe-Ausgabe wollte er ihre Meinung bzw. ihre Vorschläge für Korrekturen erfahren. Erst dann gab Honterus seiner Arbeit eine endgültige Gestalt: in vielen Fällen verbesserte er noch den Text, ergänzte ihn mit 106 weiteren Zeilen und – last but not least – fügte er in Holz geschnittene Karten hinzu. So erschien also seine Kosmographie 1542 zum ersten Mal in dieser endgültigen Form in Kronstadt aus der Presse des Verfassers. Diese Fassung war einerseits dank der Verse leichter memorierbar, andererseits unterstützten die Karten auch wesentlich das Studium der Schüler.

Das Kurzinventar des Spezialschmucks in seiner Kosmographie lautet wie folgt: Circuli sphaerae cum V. zonis (Abb. 28 – 117x76 mm – H1a) – Ordo planetarum cum aspectibus (Abb. 29 – 112x76 mm – H1b) – Der Planiglob mit einem Durchmesser von etwa 42 mm (Abb. 30 – H2a) – Universalis cosmographia (Abb. 31 – 124x 162 mm – H2b+H3a). Nun folgt der Atlas minor mit zwölf im Durchschnitt 124x156 mm großen Karten. Davon nimmt allein die letzte nur die eine Seite des kleinen Oktavbandes in Anspruch, alle anderen sind auf zwei gegenüberstehenden Seiten zu finden: Hispania (Abb. 32 – H3b+H4a) – Gallia (Abb. 33 – H4b+I1a) – Germania (Abb. 34 – I1b+I2b) – Sarmatia (Ost–Europa bis zum Don. – Abb. 35 – I2b+I3a) – Ungaria. Dacia. Macedonia. (Abb.36 – I3b+I4a) – Macedonia. Achaia. Peloponnesus (Abb. 37 – I4a+K1a) – Italia (Abb. 38 – K1b+K2a) – Judaea. Syria. Mezopotamia (Abb.39 – K2b+K3a) – Asia minor (Abb. 40 K3b+K4a) – Asia (bis zum Ganges – Abb. 41 K4b+L1a) – Africa (auch noch etwas südlich vom Äquator – Abb. 42 – L1b+L2a) – Sicilia (Abb. 43 122x78 mm – L2b). Zwei von diesen Holzstöcken sind in Kronstadt bis heute erhalten geblieben[22].

Dieses neuartige Schulbuch von Honterus war ein Riesenerfolg und erschien von Paris bis Breslau und von Rostock bis Venedig – auch auf deutsch, französisch und italienisch – bis 1692 in fast 100 Ausgaben[23]. Dadurch ist er der meistpublizierte Autor des 16. Jahrhunderts, nicht nur von Siebenbürgen, sondern auch vom ganzen Karpaten–Becken. Sein Atlas minor ist der älteste der im deutschen Sprachgebiet damals erschienenen Atlanten[24].

Die Bedeutung der in Holz geschnittenen Karte wird noch dadurch unterstrichen, daß diese von Honterus eigenhändig hergestellt wurde. Das wird nicht allein durch sein Monogramm „Coronae MDXLII I. H. C.” in der Ecke eines Holzschnittes, sondern auch durch seinen Brief bewiesen, den er am 1. Jänner 1542 – bei der Versendung der vorläufigen Ausgaben – an seinen schon erwähnten Humanisten-Freund Antonius Verantius gerichtet hat: „Sollte es dazu kommen, die letzte Hand an das Werk zu legen, so werde ich dem Handbuch Karten verschiedener Länder hinzufügen, mit deren Holzschnitt ich eben beschäftigt bin[25].

Zusammenfassend muß betont werden, daß Honterus im Laufe seiner auffallend vielseitigen Tätigkeit auch auf dem Gebiet der Holzschneidekunst Wertvolles geschaffen hat. Als Buchillustrator war er parallel zu der Druckerei für die erste Gesamtausgabe des Neuen Testaments in ungarischer Sprache in der westungarischen Stadt Sárvár – im ganzen Karpaten-Becken der erste, nicht nur chronologisch, sondern auch seiner Kunst nach.

Wissenschaften und Künste bzw. der Typographie in Europa entwickelt hat. Hier wirkten als Buchillustratoren solche bekannte Künstler wie Urs Graf und Hans Holbein d. J. So muß man besonders hoch schätzen, was der Basler Gelehrte Sebastian Münster am 2. September 1545 an seinen Freund, Kollegen und ehemaligen Lehrer Konrad Pelikan in Zürich schrieb: „Es war auch vor einem Jahrzehnt ein Kronstädter hier, namens Honterus, der alle Bildschnitzer unseres Zeitalters weit übertrifft …”[26]

Dieser Beitrag ist ein Versuch, den so begabten und vielseitigen Honterus als Holzschneider vorzustellen. Es war – meiner Ansicht nach –– notwendig, weil die Fachliteratur (z. B. das monumentale Künstler-Lexikon von Thieme-Becker) von ihm bis heute fast keine Kenntnis nahm. Hoffentlich ist es mir gelungen, den in vieler Hinsicht bedeutenden Johannes Honterus auch als Buchillustrator in ein richtiges und würdiges Licht zu stellen.


[1] Wittstock, Oscar: Johannes Honterus. Göttingen 1970. 15–16.

[2] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 54.

[3] Netoliczka, Oscar: Johannes Honterus' ausgewählte Schriften. Wien–Hermannstadt 1898. 152.

[4] Recueil des gravures sur bois imprimées dans divers ouvrages polonais au seizième et au dix-septième siècle, dont les planches sont conservées à la bibliothèque de l'Université de Jagellon. Kraków 1849. Nr. 900.

[5] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 54.

[6] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 56.

[7] So auch in der Ungarischen Nationalbibliothek Budapest in der Ausgabe von 1551.

[8] Természettudományi Közlöny (Naturwissenschaftliche Mitteilungen) 1963. 131–133.

[9] Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 1911. 93–96.

[10] Wittstock, Oscar: Johannes Honterus. Göttingen 1970. 91–95. – Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 2–7.

[11] A Hon (Die Heimat) (Budapest) 1876. Nr. 109.

[12] Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 1876. 85–87.

[13] Fabritius Károly: Erdélynek Honter János által készített térképe 1532-bõl (Die von Johannes Honter verfertigte Karte Siebenbürgens von 1532). Budapest 1878.

[14] Ein Neudruck der Karte erschien 1960 durch den Münchner Verlag Hans Meschendörfer.

[15] Verancsics Antal összes munkái (Die samtlichen Werke von Antonius Verantius). VI. Pest 1860. 174.

[16] Wittstock, Oscar: Johannes Honterus. Göttingen 1970. 119–131.

[17] Hamer, Georgius: Historia ecclesiarum Transylvanicarum. Francofurti–Lipsiae 1694. 193.

[18]   Magyar Könyvszemle (Ungarische Bücherschau) 1963. 263–268.

[19] Gulyás Pál: A könyvnyomtatás Magyarországon a XV. és XVI. században (Die Buchdruckerei in Ungarn im XV. und XVI. Jahrhundert). Budapest 1931. 54.

[20] Wittstock, Oscar: Johannes Honterus. Göttingen 1970. 190–191 und die Abbildungen: 192–193.

[21] Soltész Zoltánné: A magyarországi könyvdíszítés a XVI. században (Buchschmuck in Ungarn im XVI. Jahrhundert). Budapest 1961. 155.

[22] Wittstock, Oscar: Johannes Honterus. Göttingen 1970. 144.

[23] Borsa Gedeon: Die Ausgaben des „Cosmographia“ von Johannes Honter. In: Essays in honour of Victor Scholderer. Mainz 1970. 90–105. – Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 85–90.

[24] Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 62.

[25] Monumenta Hungariae Historica Ser. II/28. Budapest 1875. 308. – Engelmann, Gerhard: Johannes Honter als Geograph. Köln–Wien 1982. 65.

[26] Netoliczka, Oscar: Beiträge zur Geschichte des Johannes Honterus und seiner Schriften. Kronstadt 1930. 11.




TARTALOM KEZDÕLAP