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SPRACHE

DIE SPÄTALTUNGARISCHE ZEIT
DAS SPRACHLICHE SYSTEM DER ZEIT



DIE SPÄTALTUNGARISCHE ZEIT

Die sprachliche Interpretation der Zeit

Die Periode von der Herrschaft König Sigismunds bis zur Katastrophe von Mohács wird aus der Sicht der ungarischen Sprachgeschichte die spätaltungarische Zeit genannt. Bis zu dieser Periode sind die früher begonnenen sprachlichen Veränderungen bereits vollendet (oder nähern sich ihrem Ende), und damit wird der Zustand der ungarischen Sprache dem heutigen immer ähnlicher. Durch die weitere kraftvolle Entwicklung erweitern sich vor allem Wortschatz und Ausdrucksbestand, des weiteren bereichert und stabilisiert sich ihr morphologisches und syntaktisches System. Die Sprachentwicklung schreitet parallel mit der sich ständig erhöhenden materiellen und geistigen Kultur voran. Die Zahl der Schulen wächst weiter, womit sich auch der schriftliche Sprachgebrauch ausdehnt, obwohl die Schreibkultur damals vor allem auf das Lateinische beschränkt ist.

Neben den Urkunden entstehen zumeist religiöse Werke (theologische Arbeiten, Predigten, Legenden, liturgische Bücher), doch auch schon weltliche (vor allem Chroniken, belletristische Werke: Gedichte). Anfänglich beschränkt sich die Benutzung der ungarischen Sprache vor allem auf die mündliche Rede, aber das Bedürfnis, ungarisch lesen und schreiben zu können, wird immer größer und damit zugleich auch das nach in ungarischer Sprache geschriebenen Werken. Solche sind vor allem die als Übersetzungen der lateinischen religiösen Literatur entstandenen Kodizes. Es sind aber auch einige als Lernhilfe gedachte lateinisch-ungarische Wörterlisten und Glossen zu lateinischen Predigten erhalten geblieben. Neben all diesen kommen in dieser Zeit aber auch selbständige ungarisch geschriebene Werke vor: Gedichte, Briefe, zivile Schriftstücke.

Die Kodizes

Die Kodizes waren religiöse Lektüre. (Die ersten ungarischsprachischen Kodizes, der Jókai-Kodex und die Hussitenbibel, wurden schon in der vorigen Periode behandelt.)

In der spätaltungarischen Zeit wuchs die Zahl der Kodexübersetzungen stark an. Das Aufblühen der Übersetzungsliteratur hing mit der Reform der Ordensdisziplin im Mittelalter zusammen, diese schrieb nämlich den Mönchen und Nonnen das Lesen religiöser Texte und regelmäßige Andachtsübungen vor. Infolge der Reform nahm die kirchliche, vor allem aber die Klosterliteratur einen kräftigen Aufschwung. Diese war in Ungarn ebenso wie im Ausland vor allem lateinisch. Die lateinischen Predigten, Legenden und Hymnen mußten jedoch für die Nonnen, die allgemein des Lateinischen nicht mächtig waren, ins Ungarische übersetzt werden. Durch diese Übersetzungen wurde die reiche Kodexliteratur der spätaltungarischen Zeit geschaffen. Wegen der hohen Zahl der damals entstandenen Kodizes pflegt man sie auch das Kodexzeitalter zu nennen. Die vor den Verwüstungen durch die Türken fliehenden Nonnen haben etwa fünfzig dieser ihnen wichtigen Kodizes mitgenommen und so gerettet.

Ein großer Teil der Predigten in den Kodizes stammt aus den Predigtsammlungen von Pelbárt Temesvári, einem Franziskanermönch, der diese Ansprachen aufgrund der damaligen theologischen Literatur schrieb und auch mit lehrreichen Geschichten würzte. Seine Predigtsammlung "Rosenkranz" hat sein Schüler, der Franziskaner Osvát Laskai, beendet. Die andere Hauptquelle der Legenden in den Kodizes ist die Sammlung Legenda Aurea ('Goldene Legende'), ein Werk des Dominikaners Jacobus a Voragine (†1298), das sich auf der ganzen Welt großer Beliebtheit erfreute. Eine weitere bedeutende Legendenquelle war der Catalogus Sanctorum (etwa 'Serie von Heiligenlegenden') des italienischen Bischofs Petrus de Natalibus (†1400), der 1493 gedruckt erschien und über dreitausend Legenden enthält.

Die Kodizes wurden von Mönchen ins Ungarische übersetzt, doch sind die meisten Kodizes nicht im Original, sondern in Abschriften erhalten. Auch die Kopisten waren meist Mönche oder Nonnen. In mehreren Klöstern des Landes - in den reicheren - gab es Kopierwerkstätten für Kodizes. Die Dominikanerinnen beispielsweise arbeiteten im Kloster auf der Margareteninsel (damals noch Haseninsel); die Franziskanerinnen in Altofen (im Klarissenkloster), in Ofen, Sepsiszentgyörgy und Neumarkt; die Pauliner hatten ihre Werkstätte in Nagyvázsony und die Prämonstratenser in Somlóvásárhely. Die einzelnen Kopierwerkstätten verliehen die kopierten Kodizes häufig an die anderen, dadurch finden sich manche Textteile auch in mehreren Kodizes. In dieser Zeit gab es noch keine einheitliche Literatursprache; die Kopisten schrieben die ihnen vorliegenden Texte allgemein in ihrer eigenen Mundart ab, aber das Austauschen der Kodizes förderte andererseits auch die Vereinheitlichung der Schriftsprache.

Die Kodizes wurden zuweilen von einer einzigen Hand (also einem Mönch oder einer Nonne) kopiert, in anderen Fällen von mehreren Händen. Nur von wenigen Kopisten kennen wir die Namen, so von Pál Váci, András Nyujtódi, Bertalan Halábori, Pál Tetemi, Deák Mihály, Pál Pápai, Lea Ráskai, Márta Sövényházi. Die Kodexkopisten notieren während des Schreibens auch mehrfach private Bemerkungen: Sie bitten ihre Leser um ein Gebet, entschuldigen sich für eine mißlungene Schrift, danken Gott für die beendete Arbeit. Zum Beispiel: "Wer dies schrieb, bittet um ein Ave Maria"; "bete für den Sünder, der dies schrieb. Halleluja"; "ich bin wirklich sehr krank"; "mein Kopf tut mir sehr weh"; "Gott sei Dank". Besonders interessant sind die Bemerkungen von Lea Ráskai. Die meisten Kodizes entstanden in den Kopierwerkstätten der Dominikaner und Franziskaner (je 17 Dominikaner- bzw. Franziskanerkodizes sind erhalten geblieben).

Die Mehrheit der Dominikanerkodizes sind planmäßig geschaffene Bücher, bestehend aus einer einzigen größeren Texteinheit; sie wurden wahrscheinlich für die Nonnen auf der Margareteninsel geschrieben. Der früheste von ihnen ist der Birk-Kodex von 1474, den der Dominikaner Pál Váci schrieb. Die Streichungen und Korrekturen im Text deuten darauf hin, daß es sich um ein Originalkonzept, eine Übersetzungsrohschrift, handelt. Der erste Teil enthält die Regeln des hl. Augustinus, der zweite die Vorschriften zur Lebensweise der Dominikanernonnen. ("Und damit ihr euch in diesem Büchlein wie in einem Spiegel betrachten könnt, damit ihr aus Vergeßlichkeit nicht etwas unterlaßt, soll es euch einmal in der Woche vorgelesen werden".) Der gewaltige Winkler-Kodex (1506) ist das Werk dreier Hände und auch in seinem Inhalt gemischt. Er beginnt mit einem Kalendarium, während sein zweiter Teil ein planvoll redigiertes Horenbuch (Hóráskönyv) ist, in dem sich lateinische und ungarische Andachtstexte, Litaneien finden. Die weiteren Teile enthalten verschiedene Evangelienabschnitte, die "Galligkeiten" Mariens (d. h. ihre bitteren Klagen über das Leiden Christi) sowie Reimandachten und Legenden. Einzelne Teile sind original ungarische Schöpfungen.

Die herausragendsten unter den Dominikanerkodizes sind die von Lea Ráskai. Der bekannteste ist die Margaretenlegende (Margit-legenda) von 1510, die das Leben der Tochter von König Béla IV., der hl. Margarete aus dem Arpadenhaus beschreibt. Den Originaltext der Legende schrieb der Beichtvater Margaretes, der Dominikanerprovinzial Marcellus, für die Untersuchung zu ihrer Heiligsprechung. Der Kodex zerfällt in drei Teile. Der erste berichtet vom Klosterleben Margaretes, der zweite schildert ihre Wundertaten, und der dritte enthält die Zeugenaussagen ihrer Mitschwestern vor der Heiligsprechungskommission. Aus der Legende zeichnet sich Margaretes demütiges, selbstaufopferndes Leben ab - aber wir lernen in ihr auch den Alltag des damaligen Klosterlebens kennen. Die Korrekturen und Streichungen am Text zeugen davon, daß Lea Ráskai den Text auch verbesserte und modifizierte.

Der andere bedeutende biographische Kodex von Lea Ráskai ist der Dominikus-Kodex (Domonkos-kódex) von 1517. In ihm wird ausführlich das Leben des hl. Dominikus erzählt und die Geschichte des von ihm gegründeten "Predigerordens", des Dominikanerordens, dargestellt. Es wird auch daran erinnert, daß der hl. Dominikus Meister Paul (den seligen Pál Magyar) zum Predigen nach Ungarn sandte. Der Kodex erzählt zahlreiche Wundertaten, Beispiele und Visionen aus dem Leben des Heiligen. Der Stil ist schön und kraftvoll. Es finden sich viele Ausdrücke aus dem Bereich von Lehre, Wissenschaft und Schule: deák 'Schüler', dékán 'Dekan', mester 'Meister', skóla 'Schule', tudomány 'Wissenschaft', tanul 'lernen'. 1510 kopierte Lea Ráskai einen großen Teil (die Seiten 19-64) vom Buch der Exempel (Példák Könyve). Die anderen beiden Kopisten des Kodexes sind unbekannt. Seine lateinische Quelle ist eine moralische Unterweisungen und Gleichnisse enthaltende religiöse Beispielsammlung aus dem 15. Jahrhundert. Unter den Gleichnissen ragt der Dialog von Leben und Tod hervor, der sog. Totentanz, der den schreckenerregenden Tod darstellt, der keine Unterschiede nach Ansehen uns Stand macht.

Der um 1514-1519 kopierte Cornides-Kodex (Cornides-kodex) enthält im ersten Teil Predigten für die größeren Feste des Kirchenjahres. Ihre Hauptquelle ist eine lateinische Predigtsammlung aus dem 15. Jahrhundert. Sein zweiter Teil erzählt die Legenden weiblicher Heiliger, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums den Märtyrertod erlitten. An einer Stelle des Kodexes (nach der Biographie der hl. Justina) trug Lea Ráskai das Datum des Kopierens ein und verriet dort auch ihren Namen: raskay lea. Verschiedene Eintragungen am Ende der einzelnen Textteile geben Auskunft über Zeitereignisse und Geschehnisse aus dem Leben des Inselklosters: über die Neuweihe der Kapelle, über den Tod von Palatin Imre Perényi und auch über den Dózsa-Bauernkrieg. Lea Ráskais Schreibweise hat eine ausgeprägte Linienführung, es ist eine charaktervolle Schrift. Ihre Rechtschreibung ist ausgereift und konsequent; sie war eine hervorragende Kopisten-Persönlichkeit ihrer Zeit. Aufgrund ihres im Cornides-Kodex eingetragenen Namens konnte festgestellt werden, welche Kodex-Abschriften von ihr stammen.

Ein umfangreicher Dominikanerkodex ist der Jordánszky-Kodex (Jordánszky-kodex), entstanden zwischen 1516 und 1519. Sein Inhalt ist ebenso wie die Hussitenbibel eine Bibelübersetzung, allerdings unabhängig von dieser. Er enthält einzelne Teile des Alten Testaments, die vier Evangelien, die "Wanderungen der Apostel" ('Apostelgeschichte') und andere neutestamentliche Teile. Seine Rechtschreibung und Sprache zeigen gewisse Übereinstimmungen mit dem Érdy-Kodex (z. B. gibt er von den langen Vokalen é und á durch Verdoppelung an). Sein Kopist ist unbekannt.

Das 1521 geschaffene Büchlein von den Würden der heiligen Apostel (Könyvecse az szent apostoloknak méltóságokról) beschreibt in Dialogform einen stark die mündliche Rede widerspiegelnden Wettstreit der Apostel und anderer Heiliger. Es zählt all die Gründe auf, aus denen die Apostel würdiger sind als andere Heilige. Das Original des Kodexes ist eine bisher unbekannte lateinische Abhandlung. Der Text erwähnt auch Dante, und dabei erscheint die erste metrische Verszeile im Ungarischen. Den Kodex hat vermutlich eine Dominikanerin im Kloster auf der Margareteninsel kopiert.

Der gewaltigste Dominikanerkodex ist der zwischen 1529 und 1531 entstandene, auch mit Bildern verzierte, schön gestaltete Neuhäuseler Kodex (Érsekújvári Kódex). Drei Hände haben ihn kopiert. Den größten Teil schrieb die Nonne Márta Sövényházi. Der Inhalt ist gemischt: es finden sich in ihm die Evangelien von Karfreitag und Ostern, kurze Belehrungen und Gleichnisse. Der bedeutsamste Teil ist die Reimlegende der hl. Katharina von Alexandrien, ein gelehrtes Werk voller theologischer Erörterungen. Die Hauptquelle sind mehrere Predigten von Pelbárt Temesvári sowie ein mittelalterliches lateinisches Sagenbuch. Der Übersetzer hat sich vom lateinischen Original freigemacht und den Text mit gutem Rhythmusempfinden ins Ungarische übertragen.

Zu den Dominikanerkodizes gehören noch der Horvát-Kodex von 1522 (eine Arbeit von Lea Ráskai), der Gömöry-Kodex (1516), der Virginia-Kodex (1529), der Kriza-Kodex (1532) sowie auch vielleicht die Christinenlegende (Krisztina-legenda, 1510) sowie der Thewrewk-Kodex (1531).

Die Mehrzahl der von Franziskanern kopierten Kodizes enthält gemischt Evangelienabschnitte, Predigten, Legenden, Erörterungen und Lieder. Viele von ihnen entstanden im reichen Klarissenkloster von Altofen. Der früheste von ihnen ist der Guary-Kodex, der um 1490 entstand und vielleicht von Lukács Segösdi, dem damaligen Ordensgeneral, geschrieben wurde. Der sorgfältig kopierte, schön gestaltete und auch sprachlich schöne Kodex enthält religiöse Meditationen und Unterweisungen. Einzelne Teile sind Textparallelen des Nádor-Kodexes. Die Rechtschreibung folgt teils der der Hussitenbibel. Auch den Palatinskodex (Nádor-kodex) hat 1508 ein unbekannter Mönch für die Klarissen von Altofen kopiert. Er enthält Meditationen, Legenden, fromme Lieder sowie ein Sündenregister für die Beichte. Einzelne Teile stimmen mit ebensolchen Texten anderer Kodizes überein (z. B. Winkler-, Érdy- und Kazinczy-Kodex). In diesem Kodex befindet sich auch das älteste Lied in ungarischer Sprache mit Notenbild. Diese Lieder waren ungarische Volkslieder - eines von ihnen wurde noch im 17. Jahrhundert gesungen.

Der Kopist des 1512 bzw. 1513 entstandenen umfangreichen Tirnauer Kodexes (Nagyszombati Kódex) ist ebenfalls unbekannt. Einen großen Teil des Kodexes füllen Meditationen und Erörterungen aus. Er beinhaltet Erklärungen der Zehn Gebote, des Vaterunsers, des apostolischen Glaubensbekenntnisses und des Ave Maria - sowie ebenfalls ein Sündenregister. Einige Unterweisungen machen auch mit der mittelalterlichen Auffassung der Naturwissenschaft bekannt; so wird die Sonne achtmal größer als die Erde genannt, es gibt zehnmal so viel Wasser wie Land, und über dem Sternhimmel befindet sich noch ein Himmel. Der Kodex ist in einer ö- und ü-Mundart geschrieben (statt e wird ö oder ü gesprochen).

Der gewaltigste Franziskanerkodex ist der 1519 kopierte Debrecziner Kodex (Debreceni Kodex). Sein erster Teil erzählt die Legenden der in der Zeit von Sankt Andreas (30. Nov.) bis Mariä Verkündigung (25. März) gefeierten Heiligen. Sein zweiter Teil enthält Belehrungen und weitere Heiligenlegenden.

Der ungarische Kodex mit der längsten Kopierzeit ist der Kazinczy-Kodex (Kazinczy-kodex): er enthält die Jahreszahlen 1526, 1527 und 1541. Er wurde folglich schon in der Zeit nach der Katastrophe von Mohács, vermutlich aber vor der Besetzung Ofens und der Flucht der Altofner Klarissen beendet. Drei namenlose Mönche (oder Nonnen) haben ihn kopiert; der/die zweite und dritte schrieben in einer ö-Mundart. Der Kodex ist eine Sammlung von Predigten, Gleichnissen und Legenden. Besonders wertvoll sind seine romanhaften Gleichnisse und Legenden (z. B. über die hl. Anna, den hl. Alexius sowie die Legende Das Leben von Barlaam und Josaphat). Ihre Kopistin "bittet um ein Ave Maria" ihrer Leserinnen.

In Ofen oder Altofen entstandene Kodizes sind noch der Simor-Kodex (1508), der 1512 geschriebene Weszprémi-Kodex, der Lobkowitz-Kodex (1514), der Bod-Kodex (um 1520), der Sándor-Kodex (um 1518), der Vitkovics-Kodex (1525), das Miskolcer Fragment (Miskolci Töredék, 1525) und der Tihanyer Kodex (Tihanyi-kódex, 1532).

Die in Transdanubien geschriebenen Franziskanerkodizes enthalten Psalmenübersetzungen. Den Keszthelyer Kodex (Keszthelyi kódex) hat Gergely Velikei 1522 für die Terzianerinnen von Léka im Komitat Vas geschrieben. Der Kopist hat auf einer Seite des Kodexes auch seinen Namen und das Datum eingetragen. Den 1539 kopierten Kulcsár-Kodex schrieb der Franziskaner Pál Pápai in Ozora im Komitat Tolna.

Einige Franziskanerkodizes stammen auch aus Siebenbürgen. Der bekannteste von ihnen ist der Székelyudvarhelyer Kodex (Székelyudvarhelyi kódex). Seine ersten beiden Teile, das Buch Judit und den Katechismus, übersetzte und schrieb der Franziskaner András Nyujtódi im Jahre 1526. Wie er schrieb, übersetzte er sie für die Nonne von Tövis, "meine geliebte jüngere Schwester, Judit Nyujtódi". Er bittet auch seine Schwester, bei seiner Schrift nicht "auf ihre bäuerische Art, sondern ihren wirklichen Sinn" zu achten. Die Übersetzung des alttestamentlichen Buches Judit gab es auch schon in der Hussitenbibel und im Wiener Kodex, doch ist seine Übersetzung von diesen unabhängig, ein eigenständiges Werk. Sein Text zeigt viele Übereinstimmungen mit der heutigen Szeklermundart. In diesem Kodex findet sich der erste Katechismus in ungarischer Sprache. Die weiteren Teile enthalten Meditationen und Evangelienabschnitte. Diese hat vielleicht die Besitzerin des Kodexes, Judit Nyujtódi, selbst hineinkopiert, wie die Bemerkung auf einer Seite andeutet: "Dieses Buch gehört der Jungfrau Judit: es wurde im Jahre 1528 in Tövis geschrieben".

Die Legenden des für die Beginen von Neumarkt geschaffenen Teleki-Kodexes (1525-1531) sind in Romanform, mit lebhafter Phantasie geschriebene Geschichten. Wahrscheinlich ebenfalls in Neumarkt wurde danach 1525 auch der Zelma Lázár-Kodex (Lázár Zelma-kódex) kopiert. Von Paulinermönchen stammen zwei alte Gebetbücher, der um 1494 entstandene Festetics-Kodex (Festetics-kodex) und seine Ergänzung, der Czech-Kodex (Czech-kodex) von 1513. Alle beide wurden im Paulinerkloster von Nagyvázsony (Komitat Veszprém) für Benigna Magyar, die Frau von Pál Kinizsi (dem Patron des Klosters und Burgherrn) gefertigt. Der Festetics-Kodex ist ein besonders schön illuminiertes Gebetbuch. Sein außerordentlicher Wert besteht darin, daß sich in ihm auch die erste ungarische Übersetzung der sieben Bußpsalmen von Petrarca findet. - Der Czech-Kodex enthält außer den Psalmen auch Privatgebete, unter denen die 15 Gebete der hl. Brigitta und eine wunderbare Dichtung herausragen: Der Hymnus des hl. Bernhard an den gekreuzigten Christus.

Wahrscheinlich aus dem Paulinerkloster von Nagyvázsony stammt auch der um 1518 entstandene Peer-Kodex (Peer-kodex), den sechs Hände schrieben; die Verfasser sind unbekannt. Der Kodex enthält Legenden, Gebete und Gedichte. Das schöne Lied von András Vásárhelyi ist ein gereimtes Bittgebet an die Jungfrau Maria, die Patrona Hungariae. Der Dichter hat in die Strophenanfänge die Anfangsbuchstaben seines Namens eingeflochten (Anagramm). Eine weitere schöne Dichtung ist das Lied über den hl. König Ladislaus. Im Kodex befindet sich auch das die Priester verspottende und tadelnde Lied von Ferenc Apáti, die sog. Cantilena, und des weiteren ein ewiger Kalender in Gedichtform, eine sog. Cisio, die Übersetzung eines in Europa verbreiteten Vers-Kalenders. Ein ebensolcher ist übrigens auch schon aus früherer Zeit erhalten, in einem nach 1462 entstandenen lateinischen Kodex, dem Thuróczi-Kodex.

Es gibt nur wenige ungarische Kodizes von Prämonstratensern. Ein solcher ist der Döbrentei-Kodex (Döbrentei-kodex) von 1508, den der Priester und königliche Notar Bertalan Halábori kopierte. Er enthält Psalmenübersetzungen, Predigten, Evangelienabschnitte und Hymnen, ja sogar - mit dem Titel "Märchen" - ein Rätselmärchen. Der Kodex ist das älteste Zeugnis der í-Mundart (í statt é gesprochen) des Theißgebietes. Von den Prämonstratensern stammt weiter der 1519 kopierte Lányi-Kodex (Lányi-kodex), der für die Nonnen von Somlóvásárhely geschrieben wurde und die Ordensregeln und Rituale der Prämonstratenser beinhaltet.

Der bekannteste ungarische Kodex - und zugleich die größte ungarische Legendensammlung - ist der Érdy-Kodex (Érdy-kodex). Zwischen 1524 und 1527 übersetzte und schrieb ihn in Lövöld (Városlõd) ein anonymer Kartäusermönch. Der Kodex wurde "für alle Mönche" geschrieben. Er enthält außer einem lateinischen auch ein ungarisches Vorwort, das erste in der ungarischen Literatur. Das Buch ist eine Redensammlung aufgrund der Predigten von Pelbárt Temesvári: Sonntagspredigten, Heiligenlegenden und Evangelienerklärungen. Besondere Bedeutung haben die Legenden ungarischer Heiliger. Der anonyme Kartäuser war ein selbständiger, mutiger Übersetzer mit reichem Wortschatz. Seine Sprache vertritt die höchste Stufe der Sprachentwicklung der Zeit.

Glossen, Wörterliste

Von den erklärenden Notizen zu lateinischen Texten (den Glossen) und den das Lernen lateinischer Wörter erleichternden lateinisch-ungarischen Wörterlisten war ebenfalls schon im vorangehenden Teil die Rede.

In der spätaltungarischen Zeit wächst ihre Zahl mit der zunehmenden lateinischsprachigen Schreibkultur erheblich. Glossen finden sich ebenso in kirchlichen wie in weltlichen Texten. Die meisten Glossen enthält die lateinische Predigtsammlung Sermones Dominicales ('Sonntagspredigten'), bestehend aus zwei zusammenhängenden Kodizes, die beide Kopien einer 1456 entstandenen Predigtsammlung sind. Die Glossen zu den Texten wurden zur Erleichterung des ungarischen Vortrags der Predigten verfaßt. So ist z. B. die glossza ein erklärendes Schreiben, der filosofus ein heidnischer Weiser, die bibliotéka eine Bücherkammer. Die beiden Kopien enthalten 6200 ungarische Wörter.

Die Jászóer Glossen (Jászói Glosszák) entstanden vermutlich um 1540. Sie wurden in der Bibliothek des Prämonstratenserklosters von Jászóvár (Jasov, Slowakei), in einer handschriftlichen lateinischen Textsammlung entdeckt. Sie bestehen aus 23 ungarischen Wörtern. Die Zircer Glossen (Zirci Glosszák) wurden um 1470-1480 in die Predigtsammlung eines Prämonstratenserklosters eingetragen. Sie umfassen etwa 20 Wörter. Erheblich mehr Glossen (etwa 400) finden sich in der Sammlung "Nagyvátyi-Glossen" ("Nagyvátyi- glosszák"), die um 1490 dem Text einer 1478 gedruckten Bibel beigefügt wurden. Ihr Wortbestand ist sehr abwechslungsreich, überraschend viele Wörter haben weltlichen Charakter.

Von einem weltlichen Geistlichen oder Studenten stammen die Szalkai-Glossen (Szalkai-glosszák, 1490). László Szalkai notierte in seinem Sárospataker Schulbuch 440 ungarische Wörter. Seine Wörter weisen den Einfluß der Lateinschule auf das Wachsen des Wortschatzes nach und sind wertvolle Beiträge zur Geschichte der ungarischen Literatursprache. So ist poeta bei ihm 'Gedichtschöpfer', doch benutzt er es als ungarisches Wort auch für die Bedeutung 'Dichter'. Die múzsák sind 'gedichtschöpfende Frauen'; törlít bedeutet 'schreiben, ein Schriftwerk schaffen'.

Weltlichen Ursprungs ist die aus der Zeit um 1490 stammende Ábel-Wörterliste (Ábel-szójegyzék). Sie wird nach mündlichem Diktat entstanden sein; sie enthält 220 Wortpaare, unter anderem auch Gesprächswendungen. Auch die Zahlenreihe ist in ihr vorhanden. Die Wörterliste fand sich im Nachlaß des ungarischen Sprachforschers Jenõ Ábel.

Unter den Glossen vom Beginn des 16. Jahrhunderts sind die Gyöngyöser Glossen (Gyöngyössi Glosszák) von 1520 mit etwa 600 Wörtern hervorzuheben, die sich im Kapitel mit den Ordensregeln der Franziskanerobservanten eines lateinischen handschriftlichen Kodexes fanden. Bedeutsam sind auch noch die (454) Glossen in dem naturwissenschaftlichen Werk Ortus Sanitatis (etwa 'der Ursprung der Gesundheit'), die wahrscheinlich von einem Arzt stammen. Das Werk stellt die drei Klassen der Natur dar (Pflanzen, Tiere, Steine).

Original ungarische Texte

Aus spätaltungarischer Zeit stammen auch einige originale (also nicht durch Übersetzung entstandene) ungarische Sprachdenkmäler. Diese sind zumeist Schriften weltlichen Gegenstandes. Es gibt unter ihnen ein Historienlied, aber auch Gedichte, Gedichtfragmente, verschiedenartige zivile Schriftstücke sowie Briefe.

Zu den bedeutungsvollsten gehört vielleicht ein 150zeiliges Historienlied von 1476, Die Erstürmung von Schabatz (Szabács viadala). Sein unbekannter Verfasser erzählt eine glänzende Kriegstat von König Matthias, die Belagerung und Erstürmung der Burg Schabatz an der Save. Das Historienlied wird nicht lange nach der Einnahme der Burg entstanden sein und ist wahrscheinlich das Fragment einer größeren Dichtung. Früher hielten es manche für eine Fälschung, vor allem wegen seiner hervorragenden Reime. Neueste Forschungen weisen aber darauf hin, daß es ein echtes Werk sein kann.

Die älteste Beschimpfung wurde 1479 aufgezeichnet. Die Ungarn beschimpfen die mit ihnen im Kampf stehenden Deutschen und bedrohen sie: "ihr habt unser Blut getrunken, heute trinken wir euer Blut". Diese Beschimpfung ist ein Gasttext in der lateinischen Dubnitzer Chronik von 1479.

Drei abergläubische Volkszauber beinhalten die Bagonyaer Zaubersprüche (Bagonyai ráolvasások) von 1488. Der erste dient der Säuberung eines Geschwürs bei einem "blutigen Braunfuchs", der zweite der Heilung eines lahmenden Pferdes und der dritte der Beseitigung der Warze eines Mannes namens János.

Das früheste Denkmal der Liebesdichtung ist das 1490 aufgezeichnete Ödenburger Liebeslied (Soproni virágének). "Blume, wisse, daß ich von dir gehen muß. Und für dich muß ich mich in Trauer kleiden."

In der Zeit zwischen dem Ende des 15. Jahrhunderts und der Katastrophe von Mohács (29. Aug. 1529) entstanden auch mehrere Privatbriefe und Schriftstücke über Rechts- und sonstige Zivilsachen. Die wichtigsten von diesen Briefen und Schriftstücken sind folgende:

Der erste ungarische Privatbrief (misszilis levél) stammt aus der Zeit um 1479 bis 1490. Aladár Várday schrieb ihn an seinen Bruder, Miklós Várday, und versicherte ihm darin, daß auch der Woiwode seine Sache unterstützt. Der gereimte Gruß Imre Töröks wurde 1485 verfaßt. Der Briefschreiber grüßt im Postskriptum eines lateinischen Briefes seine Verlobte, Krisztina. Die erste Quittung in ungarischer Sprache ist der Schutzbrief von András Vér von 1493. In diesem Schutzbrief (Quittung) bestätigt András Vér, daß sein Schuldner, Balazs Erdõhegyi, ihm 20 Forint von dessen 100-Forint-Schuld bezahlt habe. Das erste erhalten gebliebene Testament schrieb 1507 István Cheh, der zugunsten seiner Frau und Kinder über seine Besitzung, seine Mühle und sein bewegliches Vermögen verfügte. Ein seltenes Zeugnis des Schriftwesens bei Hof ist ein 1516 datiertes Ehrengerichtsurteil. Darin versöhnen die Landesrichter den Banus von Kroatien mit dem von ihm verleumdeten Banus von Jajce.

Kulturgeschichtlich und sprachwissenschaftlich gleicherweise interessant ist die Aussteuerliste von Mária Drágffy (1516), die auch viele, heute bereits ausgestorbene Wörter (Namen von Schmuck und Stoffarten) enthält, so etwa majc 'aus Gold- oder Silberfaden gewebtes Band', násfa 'Halskette', gíra 'altes Gewichtsmaß für Gold und Silber', futa 'Stoffart', velez 'Stoffart', safil 'Saphir'.

Aus den Wochen unmittelbar vor der Katastrophe von Mohács blieben mehrere Privatbriefe erhalten. Bewegend schön sind beispielsweise der in Abschiedsstimmung gehaltene Brief von Ferenc Batthyány an seine Frau sowie der Versöhnungsbrief an Banus Doroszlay, in dem Batthyány und Doroszlay sich gegenseitig um Verzeihung bitten. Höchst beachtenswert ist der Brief der Priorin Ilona Bocskay vom 29. August 1526 an ihren später in der Schlacht von Mohács gefallenen Neffen István Bocskay, in dem die "Priorissa Elena von der Haseninsel" ihren Neffen bittet, die Leibeigenen der Kirche nicht zu knechten. Die Besonderheit des Briefes liegt darin, daß ihn nicht die Absenderin, die Priorin, geschrieben hat, sondern Lea Ráskai, die damals im Kloster der Dominikanerinnen auf der Margareteninsel lebte und dort Bibliothekarin war.

DAS SPRACHLICHE SYSTEM DER ZEIT

Der Wortbestand

Unsere Sprachdenkmäler bezeugen, daß sich das sprachliche System der spätaltungarischen Zeit - sowohl im Wort- und Ausdrucksbestand als auch in seinen grammatischen Mitteln - weiter kraftvoll bereichert.

Eine Art der Erweiterung des Wortbestandes war es, daß sich die alten Wörter - vor allem bei den wichtigsten Wortarten, den Verben und Nomina - mit neuem Inhalt füllten. So trat zur früheren Bedeutung des Wortes atya 'Vater' und dann 'Priester' jetzt 'Gott' hinzu; úr 'Herr' und ember 'Mensch' nehmen jetzt die Bedeutung 'Ehemann' und fél 'Hälfte von etwas' die von 'Ehefrau' an. Die Wörter galamb 'Taube' und virág 'Blume' bereichern sich um die Bedeutung 'Liebste/r'. Die Wortfamilie nyomorodik, nyomorog, megnyomorít, die letztlich aus dem Wort nyom 'sich mit seinem Gewicht schwer auf jemanden/etwas legen' entspringt, gewinnt zu dieser Zeit die übertragene Bedeutung 'kaputtgehen, sich quälen, zugrunde richten'.

Stark wächst die Zahl der durch Wortbildung entstandenen Wörter, wie z. B. böjtöl 'fasten', búsít 'betrüben', borotvál 'rasieren', egyenget 'begradigen, glätten', egyezik 'übereinstimmen', fonnyad 'verwelken', hitel 'Kredit', ismeretes 'bekannt', könyörög 'bitten, flehen', tilalom 'Verbot', társas 'gesellig, gemeinschaftlich', végsõ 'letzt, extrem', végtelen 'endlos'. Aus dieser Zeit gibt es auch viele, ebenfalls mit Bildungssuffix entstandene Wörter ohne selbständiges Basiswort: fojt '(er)sticken, würgen', foldoz 'flicken', gerjed 'entflammen', gömbölyü 'rund', gyöngyölít 'rollen, wickeln', hólyag 'Blase', ismer 'kennen'. Viele mittels Wortzusammensetzung entstandene Wörter erscheinen in dieser Zeit: atyafi 'Landsmann', baromfi 'Geflügel', bõkezû 'freigebig', fenevad 'Bestie', gondviselés 'Vorsehung', holteleven 'zu Tode erschrocken', pártütés 'Empörung, Rebellion'. Damals erscheinen auch die durch Substantivierung entstandenen folyosó 'Flur, Gang', himlõ 'Pocken' und lakó 'Bewohner'. Auch der Bestand der durch innere Entwicklung entstandenen onomapoetischen Wörter wächst: babuk 'Wiedehopf', bibic 'Kiebitz', borzad 'schaudern', borzas 'zerzaust', hopp 'hopp', paskol 'klatschen, patschen', karattyol 'schnattern, gackern'.

In Verbindung mit der Umgestaltung des Wirtschafts- und Soziallebens sowie infolge friedlicher oder kriegerischer Kontakte mit anderen Völkern kamen auch in dieser Periode viele Lehnwörter in die ungarische Sprache. Zu den slawischen Lehnwörtern aus dieser Zeit gehören vecsernye 'Abendandacht', barack 'Aprikose', cirok 'Mohrenhirse', gázol 'waten', goromba 'grob', hofnica 'eine Geschützart', kolompár 'Klempner', rab 'Gefangener'. Die lateinischen Lehnwörter gehören vor allem zum religiösen Leben, zur geistigen und materiellen Kultur: z. B. árguvál 'streiten', biblia 'Bibel', augusztus 'August', cédula 'Zettel', forma 'Form', ciprus 'Zypresse', cifra 'geziert, sonderbar', cirkalom 'Zirkel', cirkál 'umherstreifen, kreuzen', fáklya 'Fackel', farizeus 'Pharisäer', flaska 'Flasche', grácia 'Grazie', iskola 'Schule'.

Die deutschen Lehnwörter beziehen sich vor allem auf das städtische und Hofleben sowie auf die Berufe: z. B. cégér 'Aushängeschild', céh 'Zunft', cérna 'Bindfaden', cél 'Ziel', böllér 'Schlächter', erkély 'Erker', gúnár 'Ganter', kapucni 'Kapuze', islóg 'Metallplättchen zur Verzierung, Flitter'. Italienische Lehnwörter gehören zum ritterlichen und Soldatenleben bzw. zum Wortschatz der Stadtbevölkerung: z. B. bástya 'Bastion', kandalló 'Kamin', falkonáta 'leichte Schußwaffe, Geschützart', karazsia 'Tuchsorte', trombita 'Trompete'. Es gibt auch einige rumänische Wörter in dieser Zeit, wie bács 'Oberhirt, Schäfermeister', cimbora 'Kamerad, Kumpan', katrinca 'Schürze', sowie in ganz Europa übliche Wanderwörter, wie bank 'Bank', granát 'Granat (Edelstein)', garas 'Groschen', kapitány 'Kapitän', firis 'ein Kleidungsstück'.

Außer der Gruppe der Verben und Nomina vermehren sich auch die kleineren Wortarten, die beim grammatischen Aufbau des Satzes eine wichtige Rolle spielen. Diese sind keine Übernahmen, sondern entstanden alle im Ungarischen. In dieser Zeit bildet sich die adverbiale Bedeutung und Wortart der ursprünglich mit Adverbialsuffix versehenen Wörter balra 'links', nyomban 'sofort', végre 'endlich', õsszel 'im Herbst', egyedül 'allein', különben 'im übrigen', oldalt 'seitwärts, abseits', örömest 'freudig', nyilván 'offenbar, offensichtlich', alattomban 'insgeheim' heraus. Viele Adverbien entstehen damals auch durch Zusammensetzung, z. B. ahol 'wo', amikor 'als', imígy 'auf diese Art', ugyanottan 'ebendort', valahol 'irgendwo', soha 'niemals', sehol 'nirgendwo'. Bereits als Präfix werden verwendet z. B. alá 'darunter', elé 'davor', által 'durch', felül 'über', egybe 'ineins', össze 'zusammen', hátra 'hinterher', ide 'hierher', vissza 'zurück'.

Diese Zeit ist auch eine wichtige Station in der Entwicklung des Konjunktionensystems. Einzelne Konjunktionen entstehen aus Adverbien, wie z. B. viszont 'dagegen', tovább 'weiter', meg 'und', azért 'deshalb', ezért 'deshalb', így 'so', tehát 'also', aztán 'dann'. Aus konjugierten Verbformen werden zu Konjunktionen z. B. hiszen (< hiszem) 'ja, doch', talán (< találom) 'vielleicht'. Mehrere Adverbien bzw. Partizipien werden zu Modalwörtern: z. B. bizony 'gewiß', inkább 'eher, lieber', úgy 'so', monnal 'etwa, ungefähr', bátor 'wohlan', bezzeg 'fürwahr, wahrlich', íme 'siehe da', lám 'sieh, schau', nyilván 'offenbar, offensichtlich'. Damals beginnt man, den Superlativ der Adjektive mit dem verstärkenden Element leg- und dem Komparativsuffix -b/-bb zu bezeichnen. Die Herausgestaltung des bestimmten und unbestimmten Artikels wird in dieser Zeit endgültig.

Bei den Eigennamen setzt sich die am Beginn der Periode begonnene Veränderung fort. Die Mehrzahl der Personennamen, die früher zumeist noch aus einem einzigen Element bestand, enthält in der spätaltungarischen Zeit schon zwei Elemente: einen Personennamen und ein attributives Namenselement, das irgendeine die Person charakterisierende Eigenschaft benennt. Der Aufbau der Personennamen bezeichnenden Konstruktionen in den Urkunden und den Textdenkmälern weicht voneinander ab. Die Mehrzahl der Konstruktionen in den Urkunden weist einen lateinischen Aufbau auf: Das attributive Element steht nach dem Taufnamen und schließt sich ihm mittels des lateinischen dictus 'genannt' oder des Beziehungswortes de 'von, aus (stammend)' an. Beispiele aus dem Magyar Oklevélszótár (Ungarisches Urkundenwörterbuch): Nicolai dicti Garazda, Valentini dicti Feketew, Ewden de Naghmyhal; und ohne das lateinische Wörtchen: Johanna Galambos, Paulo Halaz, Johannes Kazdag.

In den Textdenkmälern (Kodizes, Briefen) steht das attributive Namenselement der ungarischen attributiven Wortstellung gemäß vor dem Namen, z. B. Érdy-Kodex: Burgundyay Sydmond kyral. Dieses Namenselement wurde später zum sich vererbenden Familiennamen. Die Familiennamenwerdung setzte in der Grundbesitzerklasse ein: Bekefy Janus, Lakosantalháza (im Ortsnamen). In den mittelalterlichen Briefen finden sich die Personennamen zumeist bereits so: Batthyany Ferenc, Ver Andrasnak, Dragffy Janos. In den unteren Volksklassen entstand der Familiennamen später, im 16.-17. Jahrhundert. Die Ortsnamen entstehen vor allem durch Zusammensetzung, wobei die Namengebungsbräuche im allgemeinen mit den früheren übereinstimmen. Die Ortschaften werden zumeist nach dem Schutzheiligen der Kirche benannt: Szentmárton, Szentimre, Szentgyörgy, Szentmihályúr. Eine andere häufige Weise der Ortsnamengebung ist die Benennung nach der Nationalität der Bewohner: Magyarvég, Németegyház, Szászvég, Oroszfalu.

Das grammatische System

Die Veränderungen des grammatischen Systems setzten sich in der bereits früher begonnenen Richtung fort. Die wichtigsten Lautveränderungen (wie z. B. Assimilation, Dehnung, Vereinfachung der Diphthonge) waren bis zu dieser Zeit schon vollzogen bzw. standen kurz vor der Vollendung. Infolge der Lautveränderungen veränderten sich auch die Wortstämme. Bis zum Ende der Periode entstanden die bis heute existierenden Stammtypen: die ein- und mehrförmigen Stämme (z. B. ház : házat, kéz : kezet, varjú : varjak, ajtó : ajtaja, ökör : ökrök; lõ : lövök; nyugodni : nyugszik, tesz : tevõ, alszik : alvó : aludni, hó : havas).

Das System der Bildungssuffixe erweitert sich. Neben den auch früher benutzten treten die verschiedensten zusammengesetzten Bildungssuffixe auf, wie -doz/-dez/-döz, -sít/-sül, -dokol/-dekel/-dököl, -aszt/-eszt, -aml/-eml, -ós/-õs, -cska/-cske, -dad/-ded, -ika, -lat/-let, -ság/-ség, -zat/-zet. Aus selbständigen Wörtern werden zu Bildungssuffixen -fi 'Junge, jemandes Sohn' und -né 'jemandes Frau' (aus dem Wort nõ). Aus dem Besitzzeichen -é wird ein Bildungssuffix für Ortsnamen.

Bei den Verben entstehen und stabilisieren sich im Laufe der Periode die Benutzungsregeln der allgemeinen und der bestimmten Konjugation. Damals wurden mehr Verbtempi verwendet als heute üblich. Zum Ausdruck der in der Vergangenheit geschehenen Ereignisse gab es vier Verbformen. Beim Erzählen verwendete man die Form mene, láta, zur Bezeichnung der unvollendeten Handlung (Imperfekt) die Form megy vala, lát vala. Dem Ausdruck der vollendeten Vergangenheit (Perfekt) diente die Form ment, látott und dem des Längstvergangenen die Form ment vala, látott vala. Gegen Ende der Periode war die meistbenutzte Vergangenheitsverbform bereits das Perfekt (ment, látott). Die Zukunft wurde mittels der präsentischen Verbform, der -nd-suffigierten Verbform sowie einer zusammengesetzten Form: mit dem Hilfsverb fog und dem Infinitiv des Verbs ausgedrückt.

Die Verwendung der Verbmodi in den zusammengesetzten Sätzen weist starken lateinischen Einfluß auf. Das verbale Prädikat der Nebensätze steht infolge der lateinischen Regeln häufig im Konjunktiv.

Das Deklinationssystem erweitert sich: es wächst die Zahl der verwendeten Adverbialsuffixe. In dieser Zeit werden zu Suffixen: -szor/-szer/-ször, -nként/-nkéd, -ként, -stul/stül, -lan/-len, -lag/-leg. Die Verwendung des Lokalbestimmungssuffixes -n, -on/-en/-ön und des Modalbestimmungssuffixes -n, -an/-en trennen sich voneinander. Von den Varianten der aus Postpositionen entstandenen Adverbialsuffixe (z. B. belé -- -be, belõl -- -bõl) wird in dieser Zeit die kürzere Variante (-ba/-be, -ból/-bõl) allgemein.

Das Satzsystem der Zeit ist durch Variabilität gekennzeichnet. Sämtliche heute gebräuchlichen Satztypen waren schon vorhanden. Bei der Gliederung der Texte finden sich allerdings erhebliche Unterschiede. Sätze voneinander trennende Interpunktionen wurden nur in einem Teil der Denkmäler verwendet. Die am häufigsten vorkommenden waren Punkt und Komma. Im Verlaufe dieser Periode erscheint auch das Fragezeichen. Das Ausrufezeichen benutzte man noch nicht. Auch die Anwendung der vorhandenen Interpunktionen war zumeist inkonsequent.

In den Sätzen gibt es - vor allem am Beginn der Periode - auffällig viele Partizipialprädikate. So z. B. im Palatinskodex (mit heutiger Aussprache): "én feltámadandó vagyok"; Birk-Kodex: "okot adandó lenne"; Buch der Gleichnisse: "hamuvá leendõ vagyok".

Bis zum Ende der Periode wird allerdings das Partizipialprädikat durch das verbale oder nominale Prädikat abgelöst. Die Kongruenz von Subjekt und Prädikat im Numerus folgt oftmals dem lateinischen Muster: nach einem Numerale-Subjekt oder einem mit Mengenattribut steht das Prädikat im Plural. In den Sätzen nimmt bei den Erweiterungen des Verbs und des Verbum infinitum die Zahl der Rektionen zu. Die Qualitätsattribute der Substantive dienen vor allem der stilistischen Ausschmückung, der Stimmungsmalerei: szörnyû halál 'schrecklicher Tod', kemény beszéd 'harte Rede', szomorú mondás 'trauriger Ausspruch', rettenetes kín 'furchtbare Qual' - und diese häufen sich auch oft: édes beszédû szent Bernald doktor 'heiliger Dr. Bernald mit süßer Rede', siralmas és keserûséges óra 'traurige und bittere Stunde', csillogó szép fényes arany 'gleißend schön glänzendes Gold'. Der Gebrauch der substantivischen Attribute förderte es, daß einzelne Substantive zu Adjektiven wurden. In dieser Zeit wurde z. B. aus dús 'Senator' das Adjektiv 'üppig' und aus derék 'Körperrumpf' das Adjektiv 'rechtschaffen, brav'.

Das sich um ein Adverbiale erweiternde Partizipialattribut való war besonders am Anfang der Periode häufig: z. B. messze való föld 'weit entfernt liegender Acker', hamar való idõben 'in naher Zeit'. Später wurde es manchmal schon durch einfachere Konstruktionen ersetzt. Die Kongruenz der Wörter mit Mengenattribut weist in den Kodizes vielfach lateinischen Einfluß auf: Das attributierte Wort steht im Plural: három áldozatok 'drei Opfer', háromezer vitézek 'dreitausend Helden'. In der Briefliteratur ist diese latinisierende Kongruenz schon selten.

In den Possessivattributskonstruktionen benutzt man gern das Possessivattribut mit dem Suffix -nak/-nek: Istennek félelme 'Gottesfurcht', Úrnak szentje 'Heiliger des Herrn'. Auffällig häufig sind auch Konstruktionen mit dem Personalpronomen als Possessivattribut: én házam 'mein Haus', te anyád 'deine Mutter'. Der Grund dafür mag einerseits das Vorbild der lateinischen Possessivkonstruktionen sein, andererseits wollte man mit solchen Konstruktionen auch betonen, daß sich der Besitz auf die Person bezieht. Die Zahl der appositionalen Syntagmen vermehrt sich ebenfalls. In dieser Zeit sind auch die verschiedenen Rektionen des Substantivs bereits zu dokumentieren.

Auch das Adjektiv verlangt nun oft eine Erweiterung, die immer ein Adverbiale ist. Die Adverbialien des Adjektivs dienen einem farbigen, lebhaften Stil (z. B. igen jó 'sehr gut', fölötte ékes 'überaus geziert'). Es finden sich bereits sämtliche Arten der beigeordneten Wortkonstruktion. Bei den zusammengesetzten Sätzen verwendet man bereits alle auch heute existierenden Typen von unter- und beigeordneten Sätzen. Das System der zusammengesetzten Sätze war in seinen wesentlichen Zügen schon in der urungarischen Zeit entstanden; in der spätaltungarischen Zeit kommt es vor allem zur weiteren Verfeinerung des Systems. Überblickt man die Sprachentwicklung der Zeit, läßt sich feststellen, daß die ungarische Sprache bis zum Ende der behandelten Zeit im Wortschatz und Ausdrucksbestand farbig und reich, und ihr grammatisches System stabil und elastisch zugleich geworden war.


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