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KIRCHENGESCHICHTE

RELIGION, KIRCHE
VOLKSTÜMLICHE GLAUBENSWELT



RELIGION, KIRCHE

Die politisierende Kirche - die Kirche und die Politik

Erstarkendes Patronatsherrenrecht

In den Jahrzehnten nach König Sigismunds Tod erreichte Ungarn beim Heiligen Stuhl, daß die Päpste die Praxis der Vergabe von bischöflichen und erzbischöflichen Stühlen durch den König (bzw. den Regenten und Staatsrat) anerkannten, der das Recht zur Vorstellung und Ernennung hatte. Rom mußte sich mit der Bestätigung der geeigneten Kandidaten zufriedengeben. Sofern der Heilige Stuhl aber die Bestätigung verweigerte, konnte der Kandidat des Königs seine Diözese auch als gewählter Bischof (electus) leiten und in den Genuß ihrer Einkünfte kommen sowie an den Sitzungen des Kronrates teilnehmen. Der Papst war nur dann zur Ernennung berechtigt, wenn die Prälaten in Rom verstarben. Matthias allerdings setzte sein Recht auch in solchen Fällen durch: Als Erzbischof Johannes von Aragonien in Rom verstorben war, machte der König 1486 einen Verwandten seiner Gemahlin, den siebenjährigen Hippolit d'Este, zum Oberhaupt der ungarischen Kirche.

Mitunter praktizierte der König sein Ernennungsrecht nicht persönlich, sondern delegierte es an einen seiner Anhänger. Mihály Ország Guti z.B. bekam die Erlaubnis, den Bischofsstuhl von Neutra zu vergeben, obwohl der Herrscher dies kurz darauf zurückzog. Infolge seiner Eroberungen übte Matthias sein Recht als oberster Patronatsherr auch außerhalb Ungarns aus. So gelangte unter anderem Orbán von Nagylúcse an die Spitze des Bistums Wien. Auch unter den Jagiellonen änderte sich die konsequente Kirchenpolitik nicht. Als Papst Alexander VI. erneut auf das päpstliche Recht der Neubesetzung vakanter Kirchenämter am päpstlichen Hof zu pochen begann, faßte der Landtag des Jahres 1495 folgenden Beschluß: Jeder, der seine Pfründe von jemand anderem als dem König erhalten hätte, müsse ertränkt werden. István Werbõczys Tripartitum, das auf die Auffassung späterer Jahrhunderte großen Einfluß ausübte, wies das Recht des ungarischen Königs als oberster Patronatsherr in vier Punkten nach.

Mit Unterstützung Roms gegen den Türken

Die Nachgiebigkeit der Päpste in der Frage des Patronatsherrenrechts hing eng mit dem Kampf gegen die "ungläubigen" Türken zusammen. Man wußte in Rom, daß es ohne die Mitwirkung Ungarns unmöglich sei, ein weiteres Expandieren der Osmanen zu verhindern oder auf dem Festland Krieg gegen sie zu führen. Aber auch die Machthaber Ungarns waren sich im klaren, daß sie beim Zurückdrängen des ihren Grenzen immer näher rückenden Osmanischen Reiches unter den Mächten Europas in erster Linie seitens des Papsttums auf substantielle Unterstützung (Geld, Logistik, Beziehungen) rechnen durften. Mit der Organisation der Kreuzzüge (1444, 1456) betraute der Heilige Stuhl wichtige Persönlichkeiten der päpstlichen Diplomatie, wie die Kardinäle Giuliano Cesarini und Juan des Carvajal oder Legaten. Auch zu Matthias' Zeit schickten die Päpste Pius II., Paul II. und Sixtus IV. unablässig beträchtliche Summen für diesen Verwendungszweck. Zwischen 1459 und 1476 flossen 250.000 Goldforint ins Land. Doch Mangels einer aktiven Türkenpolitik seitens des Königs blieben die Zuschüsse ab den 1480er Jahren aus und begannen erst um 1500 wieder zu fließen.

Im Zeitalter der Jagiellonen pflegte man die ungarisch-vatikanischen Beziehungen auf beiden Seiten meist schon durch ständige diplomatische Vertreter in Buda bzw. Rom. Der türkenfeindliche Vatikan behandelte Ungarn als besonders wichtigen diplomatischen Partner und ließ sich deshalb in Buda auf hoher Ebene vertreten: Die begabtesten Diplomaten der römischen Kurie waren hier bemüht, den Türkenkrieg zu organisieren (wodurch sie mitunter auch die eine oder andere Möglichkeit für einen guten Friedensschluß verhinderten). 1513 erhielt der früher mit einigen Chancen zur Papstwahl angetretene Erzbischof Tamás Bakócz als Legat weitreichende Vollmachten, einen Kreuzzug zu verkünden, der dann allerdings in einen Bauernkrieg umschlug. Da die päpstlichen Gesandten - der bekannteste unter ihnen war Antonio Burgio - an den Sitzungen des Kronrates teilnehmen durften, hatten sie auch Einfluß auf innenpolitische Angelegenheiten. Mit Zustimmung des päpstlichen Legaten wurden vor der Schlacht von Mohács große Mengen an Devotionalien aus Edelmetallen zusammengetragen und im Interesse des Landes genutzt.

Prälaten in der Politik

Die hohen geistlichen Würdenträger (Prälaten) waren als kirchliche Reichsbarone von Amts wegen Mitglieder des Kronrates und des Landtages. Im behandelten Zeitraum zählten dazu die beiden Erzbischöfe, 14 Bischöfe (einschließlich der Diözesanbischöfe von Sirmien und Bosnien bzw. von Modrus und Tinnin in Kroatien) sowie der Propst von Székesfehérvár, der Vorsteher der ungarischen Ordensprovinz der Johanniter und der Prior von Vrana. Während es Matthias in seiner Herrschaftszeit gelang, den Einfluß der Prälaten einzuschränken, konnten diese im Zeitalter der Jagiellonen - da sie das Kanzleramt bekleideten - die Landespolitik maßgeblich beeinflussen, und ihr politisches Gewicht wurde durch die Größe ihrer Einkünfte noch unterstrichen. Der größere Teil dieser Einkünfte (zwei Drittel) stammte aus dem Kirchenzehnt, den sie durch ein eigenes Netz von Zehnteinnehmern eintreiben ließen oder überwiegend in Form der Zehntpacht veräußerten. So kam es, daß die Prälaten über mehr Geldeinnahmen verfügten als weltliche Grundherren, weshalb sie ihren militärischen Verpflichtungen nicht nach dem Schlüssel des Kriegsvolkes der Grundbesitzungen, sondern in vorher festgelegter Mannschaftsstärke nachkommen mußten.

Im Sinne des Gesetzesartikels 1498:20 hatte die Geistlichkeit 7000 Reiter aufzustellen, davon 4100 die Bischöfe. Sie opferten mehr von ihrem Vermögen für die Verteidigung des Landes als die übrigen Gesellschaftsschichten. In den Jahrzehnten vor Mohács ruhte der Schutz des Landes neben den königlichen Garnisonen der Grenzburgen auf den Banderien der Kirche. Einige Prälaten, wie z.B. Péter Beriszló oder Pál Tomori, zeichneten sich mit ihrem Talent als Heerführer vor den weltlichen Vertretern dieses Berufsstandes aus. Die Konzentration von mehreren einträglichen Kirchenämtern in einer Hand diente teilweise dem Ziel der Zentralisierung der Landesverteidigung. Häufig jedoch stellte die hohe Geistlichkeit die im Europa des 15. Jahrhunderts allgemeine Erscheinung der Vermögensanhäufung in den Dienst ihrer eigenen materiellen Interessen, wozu auch das Mäzenatentum gehörte. Bedeutend geschmälert wurden die Einkünfte der Prälaten durch den an den päpstlichen Hof zu zahlenden Zehnt, die verschiedenen Gebühren, den für die päpstliche Ernennungsbulle zu leistenden Dienst (servitium) sowie die Annaten.

Als Körperschaft beteiligten sich unter den Geistlichen nur die Prälaten an der Landespolitik. Die ungarländische Kirche als Ganzes hingegen wandelte sich im Laufe der ungarischen Ständeentwicklung nicht zu einer separaten politischen Körperschaft. Das hängt vermutlich damit zusammen, daß in Ungarn der Anteil der Kirchengüter, gemessen an Europa, niedrig war. Er betrug ca. 15%. Neben den riesigen Vermögen einiger Prälaten (Erzbistum Esztergom, Bistümer Eger [Erlau], Wardein, Pécs [Fünfkirchen], Abtei Pannonhalma; diese entsprachen übrigens, verglichen mit den Gütern weltlicher Grundbesitzer, den Besitzungen von mittelständischen Baronen), verfügten die meisten kirchlichen Einrichtungen lediglich über mittleren oder kleinen Grundbesitz. Die Zahl der in Kirchenhand befindlichen Burgen war ebenfalls gering (ca 12%), und auch diese entwickelten sich nicht zu Herrschaftszentren. Diese Kirchenbesitzungen - Güter ihres ideellen Eigentümers, des Schutzpatrons - lagen im allgemeinen weit verstreut, was im Gegensatz zu den weltlichen Grundbesitzen ihren Schutz erschwerte und die Verwaltung verteuerte.

Der Politik dienende Domherren

Im Mittelalter existierte keine zentral bezahlte Beamtenschicht, der die Erledigung von Regierungs-, Rechtsprechungs-, diplomatischen usw. Angelegenheiten oblag. In der Frühzeit (11.-12. Jahrhundert) bezogen die Könige gebildete Kirchenmänner, d.h. Kleriker (vor allem die Domkapitulare), in die Regierungsarbeit ein. Vom 13.-14. Jahrhundert an bezahlten oder belohnten sie ihre Hofbeamten (königliche Sekretäre, Richter, Kanzlei- und Kuriennotare, Schatzamtspersonal) dann durch Schenkung von Kirchenpfründen. Da es nur relativ wenige Bischofsstühle gab, war das Amt eines Domherren zu diesem Zweck besonders geeignet. Die Bestellungen zu Domherren nahm ab dem 14. Jahrhundert der König vor, und zwar kraft seines Patronatsherrenrechtes. Auch die Kosten für den Besuch ausländischer Universitäten deckte man (mangels Stipendiensystem) meist aus Domherreneinkünften.

Kirche im Dienste der Gesellschaft

Die Ober- und Mittelschicht

Domherren, die im Dienst der weltlichen Obrigkeit standen oder im Ausland studierten bzw. unterrichteten, weilten nur selten am Sitz des Domkapitels, wo sie für ihre ständigen liturgischen Aufgaben Vertreter einsetzten. Als das 15. Jahrhundert anbrach, hatten sich die Kapitel zu Einrichtungen entwickelt, welche die materielle Basis für die geistige Tätigkeit der gebildeten ungarischen Klerikerschicht schufen. Mehrere der beamteten Intellektuellen, die nur aus Zwang oder den gesellschaftlichen Anforderungen Rechnung tragend einem geistlichen Orden beitraten, es bis zum Domherren oder sogar Bischof brachten, im Grunde aber weltlicher Gesinnung waren, wurden von den größeren Orden nur zögernd, als Begünstigte bischöflicher Pfründe aufgenommen (György Szatmári, László Szalkai), wobei sie sich gleichzeitig bemühten, ihren Pflichten als Oberhirten nachzukommen. Der erste Primas der Matthiaszeit, Kardinal Dénes Szécsi, suchte die Kirchendisziplin mittels Konzilen in den Kirchendistrikten bzw. Kirchenvisitationen wiederherzustellen.

Priester und Gläubige in den Dörfern

Häufig nahm sich nämlich die niedere Geistlichkeit, die Pfarrer kleinerer Gemeinden und die Kaplane, ein Beispiel am Lebenswandel ihrer Obrigkeit, ja sogar vom Bruch des Zölibats ist in den Quellen die Rede. Sie standen durch die Ausübung der seelsorgerischen Tätigkeit in engstem Kontakt zu den Gläubigen: sie lasen die Messe, predigten, sie erteilten die meisten Sakramente, sie lenkten und beaufsichtigten die Einhaltung der etwa 100 Markt- und Feiertage im Jahr. Ihre Arbeit und Lebensweise wiederum wurden von ihren direkten Vorgesetzten, den aus ihren Reihen (den größeren Parochien) kommenden, am Sitz ihres Kirchendistrikts wohnenden Dechanten kontrolliert. Die Dechanten leiteten ihre Berichte dann den als Mitglieder des Domkapitels am Sitz des Kirchendistrikts wohnenden Archidiakonen weiter, die in den Pfarrgemeinden von Zeit zu Zeit Kirchenvisitationen durchführten.

Im 15. Jahrhundert gab es in Ungarn kaum eine größere Siedlung, in der nicht auch eine Kirche gestanden hätte. Die größtenteils aus Stein, zum kleineren Teil aus Holz erbauten Kirchen dienten den Dorfbewohnern im Gefahrenfall auch als Zuflucht. In Siebenbürgen wurden ausgesprochen zu diesem Zweck sog. Kirchenburgen errichtet. Neubesiedelte Dörfer lösten das Problem der fehlenden Kirche meist, indem sie eine Tochterkirche (filia) der nächstliegenden älteren Parochialkirche gründeten. Um die von den Gläubigen stammenden Einkünfte der Parochien kam es nicht nur in den Dörfern, sondern auch in den Städten häufig zu ernsten Streitereien zwischen Mutter- und Tochterkirchen. Der Pfarrer der Mutterkirche Unserer Lieben Frau in Buda beispielsweise hat sich der Umwandlung seiner Tochterkirchen in unabhängige Parochien langezeit widersetzt.

Die Einstellung von Dorfpriestern gehörte zwar weiterhin in erster Linie zu den Rechten und Pflichten der Patronatsherren. Doch bei der Wahl des Pfarrers hatten im 15. Jahrhundert sowohl in den Städten und Marktflecken, als auch in den Dörfern die Gemeinden ein wichtiges Wort mitzureden. Von der Kirchenobrigkeit wurde das Selbstverwaltungsrecht der Gläubigen unterstützt. Die aus ihren Reihen gewählten Kuratoren verwalteten das Kirchenvermögen und konnten fallweise sogar den Pfarrer beaufsichtigen. Die örtlichen Priester kamen überwiegend aus den Reihen der Leibeigenen. Ende des Mittelalters verfügten sie bereits über einen höheren Bildungsgrad, und bei den meisten fand man zu Hause schon fast jedes der grundlegenden liturgischen Bücher. Ein Priester war nicht nur der Seelsorger eines Dorfes, sondern auch der geistige Führer seiner Bewohner, ihr Ratgeber sowie der Wächter über die lokalen Bräuche. Nicht zufällig nahmen sie am Bauernkrieg des Jahres 1514 so zahlreich teil. Andererseits ist in zeitgenössischen Texten auch die Gestalt des buhlenden, machthaberischen und Wirtshäuser aufsuchenden Priesters keine Seltenheit.

Priester und Gläubige in den Städten

Die Religiosität hatte im ausgehenden Mittelalter nicht nachgelassen, sondern sich zu einer innigeren, individuelleren Frömmigkeit gewandelt. Mit der urbanen Lebensweise entstanden neue Formen des religiösen Lebens, wie z.B. die verschiedenen religiösen Bruderschaften (confraternitas) mit nahezu ausschließlich weltlichen Mitgliedern. Die meisten wurden unter dem Namen Leib Christi gegründet und waren im allgemeinen Bruderschaften vornehmer Patrizier. Auch die Zünfte fungierten gleichzeitig als religiöse Gemeinschaften, die in der Kirche aus ihrem Vermögen einen (Flügel-)Altar stifteten. Feste organisierten sie im Rahmen der Innungen und begingen sie gemeinsam mit ihren Familienmitgliedern. Schritt für Schritt übernahm die städtische Bürgerschaft auch die Lenkung der Armenfürsorge und Krankenpflege, welche bis dahin ausschließlich in der Hand der Kirche lagen. Die unter Aufsicht der Stadt stehenden, aber von der Kirche betriebenen Hospitäler waren in einem Krankenhäuser und Altenheime.

Die Geistlichen der privilegierten Kirchen des 15. Jahrhunderts betrachteten ihr Amt häufig nur als Einkommensquelle. Daß sie über die gesamten Zehnteinnahmen verfügen konnten, sicherte ihnen im Vergleich zu ihren Kollegen auf dem Lande ein bequemes Leben. Sie hielten sich kaum in ihren Parochien auf und ließen ihre Aufgaben von Stellvertretern, den Kaplanen, verrichten. Letztere standen auf einer Stufe mit den Dorfpfarrern, ähnlich wie die Schicht der Altar- und Kapellendirektoren städtischer Parochien oder Dome, deren Zahl im behandelten Zeitraum bedeutend zunahm. Denn die Gläubige stifteten damals für das Seelenheil Verstorbener, zwecks Verkürzung der im Fegefeuer zu verbringenden Zeit, mehr und mehr Messen. Die einem Altar oder einer Kapelle gemachten Güter- und Geldschenkungen ermöglichten es, den Unterhalt der im gesellschaftlichen Leben eine wichtige Rolle spielenden intellektuellen Klerikerschicht zu bestreiten. Häufig wurde dem jenseitigen und diesseitigen "Nutzen" der Gnade einer Messe von Priestern und Gläubigen gleichermaßen übertriebene Bedeutung beigemessen, wie man auch den Ablaß mißverstand.

Kirche und Alltag

Wegen der hohen Säuglingssterblichkeit mußten Neugeborene so bald wie es ging (möglichst innerhalb von acht Tagen) in die Kirche gebracht werden, damit sie, in der Regel durch dreimaliges Untertauchen, getauft und auf diese Weise Mitglied der Kirche werden konnten. Auch zur Firmung - welches Sakrament die Getauften um die Gabe des Heiligen Geistes bereicherte, um nach ihrem Glauben zu leben - kam es meist noch im Kindesalter, ebenso wie zur ersten Beichte. Bis dahin mußten sie die zur Pönitenz erforderlichen Gebete kennen, und zwar den Text des Vater Unser (Pater Noster), des Ave Maria sowie des Glaubensbekenntnisses (Symbolum, Credo). Im allgemeinen gingen die Gläubigen einmal im Jahr zur Beichte und nahmen an der Kommunion teil. Den Vorschriften des kanonischen Rechts entsprechend durften Knaben nach vollendetem 14. und Mädchen nach vollendetem 12. Lebensjahr das Sakrament der Ehe auf sich nehmen. Bei Lebensgefahr bzw. Krankheit rief man nach einem Priester, um zu verhindern, daß der Sterbende sein Leben ohne die letzte Salbung beendet. In dieser Situation war es Brauch, den letzten Willen kundzutun, wobei der Geistliche des Ortes das Testament aufschrieb und auch für dessen Vollstreckung sorgte.

Die Verstorbenen wurden vom Priester auf einem nahe der Kirche liegenden eingezäunten Friedhof beigesetzt. In der Kirche konnten sich nur Patronatsherren und diejenigen bestatten lassen, die mit Schenkungen zu deren Bau beigetragen hatten. Heiden, Exkommunizierten, Selbstmördern und all jenen, von denen man wußte, daß sie in tödlicher Sünde befangen verstorben waren, stand ein kirchliches Begräbnis nicht zu. Mannigfaltig und je nach Kirchendistrikt zuweilen voneinander abweichend waren die Zeremonien bzw. liturgischen Handlungen, die sich zu den Begräbnissen und anderen wichtigen Anlässen, zu Festtagen und zum Verständnis der Mysterien des Glaubens herausbildeten. Einige zählten gar als besondere Sehenswürdigkeit, wie z.B. die Prozession. An den Gottesdiensten in lateinischer Sprache nahmen die Gläubigen überwiegend als Zuhörer teil, obwohl es im 15. Jahrhundert auch schon muttersprachliche Fassungen der liturgischen Hymnen und Mariengesänge gab. Für die Prüfungen des Alltagslebens wähnten die Gläubigen bei den Heiligen Hilfe zu finden.

Kirche und Kultur

Die Ausbildung der sich auf ein ländliches Seelsorgeramt vorbereitenden Geistlichen erfolgte auch im ausgehenden Mittelalter nach der bewährten Methode, d.h. im Rahmen der Parochien. Der Kandidat hatte vor seiner Weihe einer bischöflichen Kommission Rechnung über seine liturgischen und zur Administration einer Pfarrei notwendigen Kenntnisse abzulegen. Die grundlegenden Texte mußte er auswendig können, ebenso waren Fertigkeiten im Vorlesen und Singen erwünscht. Darüber hinausgehendes Wissen konnte man sich in den Kapitelschulen aneignen. Einige dieser Schulen (Pécs, Wardein) entwickelten sich im 15. Jahrhundert zu heimischen Zentren des Humanismus. Auch die dritte, nur kurze Zeit bestehende mittelalterliche Universität Ungarns in Preßburg (Academia Istropolitana, 1467) wurde - dank der Anstrengungen König Matthias' und János Vitéz' - am Sitz eines Domkapitels, gestützt auf dessen geistige Basis, gegründet. Doch mangels königlicher und erzbischöflicher Unterstützung mußte man die Universität in den 1490er Jahren wieder schließen. Eine ausländische Universität hatte nahezu die Hälfte aller Domherren und Bischöfe absolviert.

Reformbestrebungen bei den monastischen Orden

Die ursprünglich auf Kontemplation und Liturgie konzentrierten monastischen Orden - Benediktiner, Zisterzienser, Prämonstratenser - sahen zum Ende des Mittelalters ihrem unaufhaltsamen Niedergang entgegen. Sie hatten weder der Schulung noch der modernen Universitätsausbildung ihrer Mitglieder genügend Aufmerksamkeit gewidmet. In einer glücklicheren Lage befanden sich jene Klöster, die neben ihren ursprünglichen Aufgaben noch andere Funktionen versahen: Báta z.B. war eine Wallfahrtsstätte, Zalavár, Kapornak und Garamszentbenedek gehörten zu den bedeutenderen Orten, wo man authentische Tätigkeit ausübte. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts nahm bei den Benediktinern unter Führung des Erzabtes von Pannonhalma, Máté Tomai, eine gegen die Auflösung gerichtete Reformbewegung ihren Anfang, deren Ziel ein Bündnis der eigentlich unabbhängigen Klöster war. Im Jahr 1512 kam die Union der unter königlichem Patronat stehenden Klöster - Pannonhalma, Pécsvárad, Szekszárd, Báta, Somogyvár, Zalavár, Garamszentbenedek und Bakonybél - zustande, ein dauerhafter Erfolg war ihr allerdings nicht beschieden.

Während sich König Matthias besonders für die Reformierung des Zisterzienserordens einsetzte, knüpften die Maßnahmen zur Neuorganisierung der Prämonstratenser unter Leitung des Propstes von Ság, Ferenc Fegyverneki, an die Erneuerungsbestrebungen des Mutterklosters in Frankreich an und wurden auch von Tamás Bakócz unterstützt. Neben ihren Aufgaben als authentische Tätigkeit ausübende Orte (in Lelesz z.B. war die größte Urkunden ausstellende Einrichtung des Spätmittelalters tätig) beschäftigten sich die Prämonstratenser auch mit der Seelsorge, gehörte sie doch zu ihren Pflichten als reguläre Domherren. Nicht selten taten sie dies gegen den Willen der weltlichen Geistlichkeit, der Bischöfe und Archidiakone, da Mönche im allgemeinen kein Recht zur Seelsorge hatten. Damit bezeugten sie nicht nur ihre stärkere Offenheit gegenüber der Gesellschaft, sondern auch die daraus resultierende größere Popularität. Im 15. Jahrhundert befaßten sich neun Benediktiner- und zehn Prämonstratenserklöster mit der Ausübung authentischer Tätigkeit, wohingegen sich die Zisterzienser nicht nur dieser Tätigkeit, sondern auch davor verschlossen, in ihren Kirchen Weltliche zu bestatten.

Blühende Einsiedler- und populäre Bettelorden

Die vier Kartäuserklöster dagegen mußten nicht reformiert werden, denn sie folgten unbeirrt ihren ursprünglichen Idealen, worin sie unter anderem auch ihre ausländischen, hauptsächlich österreichischen und deutschen, Beziehungen bestärkten. Sie zeichneten sich besonders auf dem Gebiet des Schreibens und Kopierens von Handschriften aus (in erster Linie Lövöld). Die Pauliner erfreuten sich nach wie vor großer Beliebtheit und konnten sogar neue Klöster bevölkern. Bis 1450 stieg die Zahl ihrer vom König, von Prälaten, Aristokraten aber auch wohlhabenderen Adligen gegründeten Klöster auf neunzig. Der Dominikanerorden setzte zur Wahrung seines Einflusses in den Städten nicht auf die Neugründung von Klöstern, sondern auf verstärkte Seelsorge. Darüber hinaus ließ er im Kreis seiner Mitglieder wissenschaftliche Arbeit zu einer gewohnten Tätigkeit werden. Die Hochschule der Dominikaner in Buda (studium generale) war im Mittelalter die beständigste höhere Bildungseinrichtung Ungarns; in einer Angabe von 1530 wird sie zum letztenmal erwähnt.

Zu den Aufgaben der Dominikaner gehörte es auch, die Ketzer ausfindig zu machen und sie der Kirche zu überantworten, d.h. die Inquisition. Doch nach der Zurückdrängung des Hussitentums Mitte des 15. Jahrhunderts gab es für sie nicht viel zu tun. 1483 ernannte der Papst einen als Lehrer an der Budaer Hochschule tätigen Dominikaner (Miklós Kassai) zum Inquisitor, da dieses Amt langezeit gar nicht besetzt war. Das Wirken einiger spätmittelalterlicher Inquisitoren hat so gut wie keine Spuren hinterlassen. In den Jahren vor Mohács mußten sie gegen die lutherische Reformation angehen, die sich vor allem in Buda und einigen größeren deutschprachigen Städten verbreitete. Das umso mehr, als Königin Maria und ihre fremde Umgebung der neuen Lehre offen Sympathien entgegenbrachten. Vom Landtag wurden sogar Gesetze gegen die Anhänger der neuen Konfession erlassen (Gesetzesartikel 1523:53 und 1525:4), die als Strafen den Verlust des Kopfes und der Güter und dann den Scheiterhaufentod festsetzten. Zur Vollstreckung kam es jedoch nur in ein-zwei Fällen.

Die größte Veränderung unter den Bettelorden vollzog sich im behandelten Zeitraum bei den Franziskanern. Nach 1350 gründete die franziskanische Ordensprovinz in Ungarn nur noch acht neue Klöster, das letzte 1425. Gegen diese in Konventen angesiedelte, über ein gemeinsames Vermögen verfügende, als Konventuale und später dann als Marianer bezeichnete Strömung erhob sich im 14. Jahrhundert innerhalb des Ordens eine Reformbewegung, welche die strengere Einhaltung der Regeln des hl. Franziskus forderte (deshalb nannte man sie Observanten). Dieser (später auch salvatorianisch genannte) Zweig des Franziskanerordens griff Ende des 14. Jahrhunderts von der bosnischen Ordensprovinz auf Ungarn über, und 1448 konnte er in Ungarn, nachdem er die Leitung mehrerer Konventualklöster übernommen hatte, eine eigene Provinz bilden. Theoretisch blieb die Einheit des Franziskanerordens zwar bis ins ausgehende Mittelalter bestehen, praktisch aber waren die Observanten schon als selbständiger Orden zu betrachten. Die endgültige Trennung wurde 1517 ausgesprochen.

Unterstützung fanden die Observanten insbesondere bei den Herrschern und Magnaten. Die Zahl ihre Klöster wuchs in rascher Folge: Während sie um 1440 noch 25 Ordenshäuser besaßen, verfügten sie 1475 in zehn Wachten (custodia) schon über 49 Klöster, um 1500 über 67, und vor Mohács waren es bereits 70 Ordenshäuser, in denen etwa 1500-1700 Mönche lebten. Ihre Popularität resultierte daraus, daß sie auch in kleineren Städten und Dörfern gern die Seelsorge übernahmen. Die im Interesse der Heiligsprechung des Johannes von Kapistrano ausgefertigten Protokolle beweisen, daß sie mit ihrer Tätigkeit maßgeblich zur Herausbildung der volkstümlichen Religiosität beitrugen. Besonders gegenüber den Missionsbestrebungen der an der Südgrenze vordringenen Osmanen bedurfte es ihres Einsatzes. Ihre über mehrere Jahrzehnte - vor allem durch Pelbárt Temesvári und Osvát Laskai - geübte strenge Gesellschaftskritik hat bei der geistigen Vorbereitung und beim Ausbruch des von Dózsa geführten Bauernkrieges eine große Rolle gespielt.

Die Nonnen

Dominikaner und Franziskaner lenkten hauptsächlich das religiöse Leben jener von Frauen gegründeten Ordensgemeinschaften, welche organisatorisch zu ihren Orden gehörten: der Nonnenklöster, der Häuser des dritten Standes und der Beginen. Groß war die Zahl ihrer Stifte in Ungarn zwar nicht, doch ihre Bewohnerinnen entstammten den vornehmsten Familien. Am berühmtesten unter den Nonnenklöstern des Dominikanerordens war das Kloster auf der Margareteninsel. Es wurde zum Ende des Mittelalters von ebenso vielen Nonnen bewohnt wie im 13. Jahrhundert zur Zeit der hl. Margarete. Auch die Klarissen des Franziskanerordens hatten in Ungarn nur fünf oder sechs Klöster. Am bekanntesten war das von Königin Elisabet (der Mutter Ludwigs I.) gegründete in Óbuda. Ihre Berufung machte sie nicht nur zu Erzieherinnen der weiblichen Mitglieder der Aristokratengesellschaft - viele der hier Erzogenen wandten sich später wieder dem weltlichen Leben zu -, sondern auch zu Begründerinnen der ungarischsprachigen Kodexliteratur.

Außenstehende der katholischen Kirche

Juden

Die in den ungarischen Städten lebenden Juden zählten als Diener der königlichen Kammer, weshalb sie direkten königlichen Schutz genossen. Seit der Anjouzeit stand an ihrer Spitze der "Richter der Juden", den man unter den höchsten weltlichen Würdenträgern ernannte. Er registrierte ihr Vermögen und sorgte auch für das Einholen sie belastender Angaben. Im Zuge der Schatzamtsreform unter König Matthias wurde dieses Amt von Schatzmeister János Ernuszt aufgelöst und stattdessen die sog. jüdische Landespräfektur gebildet. Sie erhielt bereits ein jüdisches Oberhaupt, dessen weitreichende Kompetenzen sich auch auf Maßnahmen zum Schutze der Judenschaft erstreckten. Am Ende des Mittelalters erwähnen die Quellen in 38 Orten jüdische Einwohner. Doch die Lage dieses auf etwa 15-20.000 Menschen geschätzten Bevölkerungsanteils verschlechterte sich damals beständig. Angriffen waren sie in erster Linie nicht seitens der Kirche ausgesetzt, sondern die geschwächte königliche Macht sah sich nicht mehr imstande, sie vor der seitens der Gesellschaft insbesondere wegen ihres Vermögens und ihrer Wirtschaftsangelegenheiten geäußerten Antipathie zu beschützen. 1525 z.B. überfiel man in Buda das Haus des jüdischen Vizeschatzmeisters Imre Szerencsés.

Griechisch-Orthodoxe

Infolge des türkischen Vormarsches mehrte sich in den südlichen und östlichen Landesteilen Ungarns auch die Zahl der Bevölkerungsgruppen griechisch-orthodoxen Glaubens - der Serben, Rumänen und Ruthenen. Auf ihr Schicksal nahm die nach langen Verhandlungen 1439 in Florenz zustande gekommene Union zwischen West- und Ostkirche nur wenig Einfluß. Zwar bekamen sie einen nach griechischem Ritual zelebrierenden, aber dennoch katholischen Bischof. Wie ernst sie aber die Glaubenssätze der Union nahmen, läßt sich mangels Angaben nur schwer entscheiden. Die bischöfliche Residenz befand sich nämlich entweder in dem griechisch-orthodoxen Kloster Körtvélyes, das die Vorfahren der Drágfis 1391 gegründet hatten, oder in dem ebenfalls griechisch-orthodoxen, ab 1491 mit bischöflichen Amtsrechten ausgestatteten Munkácser Kloster. Den Vorstehern dieser Klöster (Iugemenen) erteilte der Patriarch von Konstantinopel die Vollmacht zur Weihe der in Ungarn tätigen orthodoxen Priester. Auch der serbische Despot Georg Brankovitsch und seine Familie behielten ihren orthodoxen Glauben. Auf ihren Gütern und in ihrer Umgebung waren nach griechisch-orthodoxem Ritual - und dem Namen des Bistums Belgrad - geweihte Bischöfe tätig.

VOLKSTÜMLICHE GLAUBENSWELT

Ablaß, Wallfahrt

Die Wallfahrt spielte im religiösen Leben des Mittelalters eine bedeutende Rolle. Ein gläubiger Mensch, der die dafür ausersehene Kirche bzw. Wallfahrtsstätte aufsuchte und dort die vorgeschriebenen Handlungen vornahm - also die Beichte ablegte, an der Kommunion teilnahm und entsprechende Gebete sprach - erlangte Ablaß für eine bestimmte Anzahl von Tagen. Das heißt, um soviele Tage konnte er die Zeit verkürzen, die er dereinst im Fegefeuer zu schmoren hatte. Natürlich entwickelte sich auch unter den Wallfahrtsorten eine gewisse Hierarchie. Um die bedeutendsten Wallfahrtsstätten aufzusuchen, legten Tausende von Pilgern Jahr für Jahr Entfernungen von mehreren hundert, ja mehreren tausend Kilometern zurück. Doch in der Mehrzahl der Fälle erstreckte sich der Einflußbereich der über eine Ablaßgenehmigung verfügenden Kirchen nur auf einige Dörfer.

Unter den zahlreichen Wallfahrtsorten, die es im 15.-16. Jahrhundert in Ungarn gab, war das Wardeiner Grab des hl. Ladislaus der wichtigste. Die letzte Ruhestätte des 1192 heiliggesprochenen Ritterkönigs wurde von Menschen aus allen Landesteilen aufgesucht, und auch die ungarischen Könige empfanden es als ihre Pflicht, nach Wardein zu pilgern. Darüber hinaus galten im mittelalterlichen Ungarn noch vier andere Gräber als Wallfahrtsstätten mit landesweiter Bedeutung: das Grab Stephans des Heiligen in Székesfehérvár, das Grab Margaretes, der 1270 verstorbenen Tochter Bélas IV., auf der Haseninsel (obgleich man Margarete erst im Jahr 1943 heiligsprach), das Grab des hl. Paulus des Eremiten im Paulinerkloster von Budaszentlõrinc mit den 1381 aus Venedig eingetroffenen Reliquien des Heiligen, sowie das Grab des 1456 gestorbenen Johannes von Kapistrano in Újlak.

Von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an gestaltete sich das Netz der ungarländischen Wallfahrtsorte durch das Erscheinen der Reliquien mit hl. Blut ausgeglichener. Als erste kamen die Wallfahrtsstätten Esztergom und Kaschau hinzu. Zu den bedeutenderen gehörten das Benediktinerkloster Garamszentbenedek, ebenfalls mit einer Heiligenblutreliquie, und die Kirche im slawonischen Ludberg. Aber die bekannteste dieser Reliquien wurde im Benediktinerkloster von Báta aufbewahrt. Nach den heimischen Wallfahrtsorten pilgerten vorwiegend die Bauern und unteren Schichten der Bürgerschaft in großer Zahl. Den Klerus vertrat die niedere Geistlichkeit, den Adel die Adligen niederen Standes; Aristokraten oder Prälaten konnte man nur selten begegnen.

Ungarische Pilger suchten natürlich nicht nur die heimischen, sondern auch ausländische Wallfahrtsorte auf, und darunter in erster Linie die bedeutenderen. Die hauptsächlichsten Pilgerziele waren Rom, Aachen und Jerusalem. Doch auch ins ferne Santiago de Compostela, ins französische Rocamadour, nach Bari und Loreto in Italien sowie ins Purgatorium des hl. Patrick in Irland führte sie ihre Pilgerfahrt. Wer nach Aachen pilgerte, besuchte unterwegs die anderen bedeutenden Wallfahrtsstätten auf deutschem Boden: die berühmten Reliquien von Köln, Trier, Düren und Regensburg. Vom Ende des 14. Jahrhunderts an, nach einer Schenkung Ludwigs I., wurde im Kreis der ungarischen Pilger die Gnadenkirche im nahegelegenen Mariazell populär.

Von Ungarn trat man eine Reise ins Ausland in erster Linie aus Gründen der Devotion an. Wegen der großen Entfernungen konnten weder Arme noch Heilungsuchende eine ausländische Pilgerfahrt wagen - sie zog es eher zu den heimischen Wallfahrtsstätten. Die ins Ausland pilgernden Ungarn kamen überwiegend aus den wohlhabenderen Kreisen der städtischen Bürgerschaft bzw. des Adels. Bürgerliche Pilger bevorzugten als Wallfahrtsort Aachen. Viele wählten aber auch Rom, wohin Vertreter jeglichen gesellschaftlichen Standes gelangten. Aachen besuchte man in erster Linie zu den aller sieben Jahre stattfindenden großen Pilgerfahrten, Rom dagegen in den heiligen Jubiläumsjahren.

Ins Heilige Land pilgerten angesichts der großen Schwierigkeiten und hohen Kosten hauptsächlich Aristokraten. Innerhalb der Kirche gab es in diesem Fall keine so scharfe Abgrenzung zwischen niederer Geistlichkeit und Prälaten. Unabhängig von ihrem Vermögensstand waren sie an sämtlichen Wallfahrtsorten anzutreffen. Kirchenmännern verdanken wir auch die beiden vom Anfang des 16. Jahrhunderts überlieferten ausführlichen Reisebeschreibungen: Die erste stammt von dem Franziskanerbruder Gábor Pécsváradi, der zwischen 1514 und 1517 im Heiligen Land weilte. Den zweiten Bericht über die Reise des siebenbürgischen Domherren János Lászai kann man im Tagebuch seines Freundes und Reisegefährten, des Ulmer Dominikanermönchs Felix Faber, nachlesen.

Vor Antritt einer Reise sorgte der Pilger zunächst für die notwendigen Reisekosten, ersuchte im Falle einer Pilgerfahrt ins Heilige Land um päpstliche Erlaubnis, machte ein Testament und trug Sorge, seine zurückbleibende Familie bzw. Güter sicherzustellen (z.B. Aufschub seiner Prozesse). Die Kosten für eine Pilgerfahrt nach Rom oder Aachen betrugen durchschnittlich 30-40 Goldforint, für einer Reise ins Heilige Land mußte das Vier- oder Fünffache veranschlagt werden. Wesentlich mehr kostete die Pilgerfahrt eines Barons, da er sich von einem Teil seiner Dienerschaft und einem größeren bewaffneten Gefolge begleiten ließ. Als der bosnische König Miklós Újlaki 1475 nach Rom oder Herzog János Corvin 1502 nach Loreto pilgerten, beide an der Spitze einer mehr als hundert Mann starken Truppe, waren dies sogar in Italien bedeutende Ereignisse.

Volkstümliche Religiosität

Das Christentum und die nicht in den christlichen Glaubenssätzen zu findenden Vorstellungen - von außerirdischen Wesen, übermenschlichen Kräften - widersprachen einander nicht. Selbst die gebildetsten Kirchenmänner glaubten z.B. an den bösen Blick, das Gesundbeten oder an Zauber. Diese Vorstellungen wichen nur dann von den offiziellen Lehren der Kirche ab, wenn sie den Tatbestand des Sakrilegs erfüllten, mit ketzerischen Lehren verbunden waren oder anderen schadeten. In solch einem Fall stellte man die Zauberin/den Zauberer vor Gericht, untersuchte ihre/seine Angelegenheit nach dem üblichen Verfahren und bestrafte sie/ihn. Von hysterischen Massenverfolgungen im mittelalterlichen Ungarn ist uns nichts bekannt.

Volkstümliche Heilmethoden und Zauberei waren untrennbar miteinander verbunden. Sich auf Heilkräuter verstehenden Frauen - damals Wunderheilerinnen oder Seherinnen genannt - beteten heilkräftige Sprüche her, d.h. sie sprachen den Kranken gesund. Das Wort Seherin bedeutete die damit zusammenhängende Kontaktherstellung zum Jenseits. Sie konnten verborgene Schätze sehen oder Tiere, die sich verlaufen hatten, und mit den Seelen der Verstorbenen sprechen. Für einen Zauber verwendeten sie menschliche Behaarung bzw. Sekrete sowie Organe von Tieren. Als besonders wirksam und deshalb wertvoll galten geweihte kirchliche Gegenstände: das Altarsakrament oder ein Auge, welches einem gemalten Porträt Jesu oder des hl. Johannes ausgekratzt wurde. Der Zauber mit letztgenanntem war allerdings ein riskantes Verfahren, denn wenn es herauskam, stand darauf der Feuertod.


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