Dekret, authentische Tätigkeit ausübender Ort, Kanzlei, Palatinsartikel, Gewohnheitsrecht
Dekret (Latein: Beschluß, Entscheid)
Im mittelalterlichen ungarischen Latein der Name für Gesetz und Verordnung nach heutigen Begriffen. Zunächst von König und Kronrat gemeinsam erarbeitet, mit Herausbildung des Ständewesens übereinstimmende Willensbekundung von König und Landtag. Es konnte jede beliebige Angelegenheit betreffen, durfte aber den mittelalterlichen Rechtsprinzipien gemäß weder im Gegensatz zu den göttlichen Gesetzen, d.h. den Grundlehren des christlichen Glaubens, noch zum Gewohnheitsrecht stehen. Mit der Zeit konnte ein Dekret auch Gewohnheitsrecht werden. Zur Verabschiedung welchen Dekrets die Zustimmung des Landtages erforderlich war - meist gehörte dazu die staatliche Direktsteuer, wenngleich in Ungarn auch zu Matthias' Zeit noch Dekrete über Steuererhebungen ohne Zustimmung des Landtages erlassen wurden -, und in welchem Maße der Monarch den vom Landtag akzeptierten Text ändern durfte, diese Praxis bildete sich erst im Ergebnis eines langwierigen Prozesses heraus. Anfangs hatten Dekrete einen zusammenhängenden Text, ihre Gliederung erfolgte oftmals erst im Rahmen der späteren Anwendung. Meist wurden sie von den Herrschern erlassen. Ihre Verkündung oblag in Ungarn den Behörden der Burgkomitate und Städte. Textsammlungen von Dekreten begann man erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts anzulegen.
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Authentische Tätigkeit ausübender Ort
Organe des authentischen Schrifttums waren in Ungarn unter anderem Kapitel und Konvente. Sie stellten teils auf Ersuchen natürlicher oder juristischer Personen, teils im behördlichen Auftrag beglaubigte Urkunden aus. Ihre diesbezügliche Tätigkeit entwickelte sich im 13. Jahrhundert und bestand bis 1874. Eine große Rolle dabei spielte, daß die Kapitel schon früher die Ergebnisse von Gottesurteilen schriftlich festhielten, so daß man sie auch zu anderen Handlungen aufforderte, die der Glaubhaftigkeit bedurften, da die bis dahin zu diesen Zwecken eingesetzten Büttel nicht schreiben konnten. Der authentische Tätigkeit ausübende Ort bzw. sein Beauftragter und die von diesem Ort ausgestellte Urkunde erlangten Beweiskraft. Solche Orte gab es neben den Erz- und Kollegiatsstiften in mehreren Benediktiner-, Prämonstratense- und Johanniterkonventen. Unerläßlich war für diese Tätigkeit vom Ende des 13. Jahrhunderts an das Vorhandensein eines authentischen Siegels. Wurde es vom König eingezogen, mußte die Tätigkeit eingestellt werden. Im Rahmen einer großen Reform überprüfte man zwischen 1351 und 1353 diese Siegel und verbot zahlreichen kleineren Konventen die Ausübung authentischer Tätigkeit. In den Kapiteln lenkten die für das Vorlesen zuständigen Domherren diese Tätigkeit. Im 14. Jahrhundert arbeiteten dort nicht mehr ausschließlich kirchliche, sondern auch schon weltliche Angestellte. Die jeweiligen Orte durften auf Befehl von außen nur auf einem bestimmten Gebiet tätig werden. Im Mittelalter existierten drei authentische Tätigkeit ausübende Orte mit landesweiter Kompetenz: das Ofner Kapitel, das Weißenburger Kapitel und der dortige Johanniterkonvent.
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Kanzlei
Der Kreis jener zu einem Organ zusammengeschlossenen Personen, die sich auf Schriftarbeiten in juristischen und Verwaltungsangelegenheiten spezialisiert hatten. Über die schriftliche Formulierung von Anordnungen hinaus wurden hier auch Beglaubigungen vorgenommen. Vom Ende des Mittelalters an wuchs in allen Ländern ihre Rolle in der staatlichen Verwaltung.
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Palatinsartikel
Im Jahr 1485 ausgearbeitet und 1486 publiziert. Aus 12 Artikeln bestehender, als Anhang eines größeren Dekrets überlieferter Gesetzestext, in welchem die Rechte des Palatins erstmals in vollem Umfang aufgezählt werden. Grundlage der Aufzählung ist das Gewohnheitsrecht, mancher Artikel schreibt die bereits seit mehreren Jahrhunderten bestehende Praxis fest. Wenn ein König ohne männliche Nachkommen stirbt, beruft der Palatin zwecks Königswahl den Landtag ein und gibt auch die erste Stimme ab. Ist der König noch nicht volljährig, übt er die Vormundschaft aus und ist zugleich Hauptkapitän des Landes. Er vermittelt und urteilt in Angelegenheiten zwischen den Landesbewohnern bzw. zwischen König und Land. Er verhandelt anstelle des Königs mit ausländischen Gesandten, urteilt in widersprüchlichen Angelegenheiten königlicher Schenkungen, zitiert und urteilt im Falle von Güterstreitigkeiten und Machtübergriffen. Er ist nach dem König der höchste Richter, Statthalter des im Ausland weilenden Königs sowie Richter der Kumanen und über Dalmatien.
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Gewohnheitsrecht
Summe der im Laufe des gesellschaftlichen Zusammenlebens spontan enstandenen Bräuche, deren Nichteinhaltung die Gesellschaft bestraft. Anfangs ungeschriebene Gesetze, an deren Wesen auch ihre schriftliche Fixierung nichts ändert. Das Wesentliche des Gewohnheitsrechtes besteht darin, daß es alt und gut ist, mit anderen Worten also von jedem für selbstverständlich gehalten wird, da es schon seit langem existiert und seine Anwendung sich bewährt hat. Im Laufe der Zeit kann das Gewohnheitsrecht inhaltlich auch das Dekret und das Privileg umfassen bzw. zum Gesetzt erhoben werden.
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