Hl. Krone, Kronenidee, Idee der hl. Krone, organische Lehre
Hl. Krone
Wichtigstes Stück der ungarischen Krönungsinsignien, aus zwei Teilen bestehend: Das untere Teil ist die sog. griechische Krone, die König Géza I. vom byzantinischen Kaiser Michael Dukas VII. erhielt, das obere Teil die sog. lateinische Krone. Die Zusammensetzung der beiden Teile zur heutigen Form erfolgte vermutlich unter König Béla III.
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Kronenidee
Im Mittelalter war den Menschen der abstrakte Begriff des Staates unbekannt, weshalb sie ihn durch ein allgemein verständliches Bild ersetzten. Mit der allmählichen Trennung der Person der Königs von dem die unpersönliche Macht verkörpernden Symbol wurde der abstrakte Begriff Staat geboren. In England und Frankreich verbreitete sich im 13. Jahrhundert die Auffassung, welche das wichtigste Symbol der Königsmacht, die Krone, als Inhaber der unveräußerlichen Güter der königlichen Macht ansah. Auf dieses Weise bildeten die zur Aufrechterhaltung der königlichen Macht und Würde dienenden Ländereien das Recht der Krone, und der König mußte bei seiner Thronbesteigung beeiden, diese zu bewahren und gegebenenfalls wiederzubeschaffen. In Ungarn sprach man seit dem 13. Jahrhundert von der Treue zur Krone bzw. ab Mitte 13. Jahrhundert zur hl. Krone, von den der Krone geleisteten Diensten sowie von der Ehre der Krone. Beim 1381 geschlossenen Frieden von Torino kam die das Königtum repräsentierende Krone in einem internationalen Vertrag als vertragschließende Seite vor. Im Jahr 1401, als sich König Sigismund in Gefangenschaft befand, betrachteten die Mitglieder des Kronrates die Krone als Verkörperung der Staatsmacht, die sie zur Erledigung der Angelegenheiten des Landes ermächtigte. Der frühere Kanzler des Königs nannte sich zu der Zeit "Kanzler der hl. Krone" und die Würdenträger des Reiches ließen das "Siegel der hl. Krone" anfertigen. Nach Sigismunds Befreiung aus der Gefangenschaft rückte die Person des Königs gegenüber der Krone mehr und mehr in den Hintergrund, was oftmals auch im täglichen Leben zum Ausdruck kam. Bei Zeugenvernehmungen beispielsweise ließ man die Befragten "auf die Treue zum König und zur hl. Krone" schwören. Ein von König Albert 1439 erlassenes Gesetz bezeichnete die Bewohner des Landes nicht mehr als Untertanen des Königs, sondern als "Untertanen der hl. Krone Ungarns".
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Idee der hl. Krone
Die Idee der hl. Krone und die organische Staatslehre wurden in Ungarn erstmals im Tripartitum von István Werbõczy in spezifischer Form miteinander verknüpft. Um die These "una et eadem libertas" zu beweisen, griff Werbõczy erneut auf die Hunnen-Theorie von Simon Kézai zurück, welche besagte, daß die Macht dem Herrscher von der Gemeinschaft bzw. Körperschaft der Adligen übertragen worden sei. Werbõczy zufolge hat der Adel die wichtigsten königlichen Rechte - die Adelung und die Güterschenkung - der Rechtsgewalt der hl. Krone unterstellt, und diese können nur durch die Krönung in den Besitz des Königs gelangen. Nach dieser Auffassung stehen die Adligen als Glieder der hl. Krone in einer wechselseitigen und unzerreißbaren Beziehung zueinander und zum König: sie übertragen die Macht auf den König und der König macht sie zu Adligen. Jeder Adlige ist also gleichermaßen Glied der hl. Krone und nur dem nach seinem Willen gekrönten Herrscher Untertan. Obwohl die machtübertragende Rolle der Stände schon 1440 hervorgehoben wurde, formulierte erst das Tripartitum die Lehre in so massiver Form: Jeder Adlige ist eine Glied der hl. Krone.
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Organische Lehre
Prinzipiell auf den Lehren des Neuen Testaments, insbesondere des Apostels Paulus gründende, aber auch auf antike Wurzeln zurückgehende Lehre, welche den Staat als menschlichen Organismus interpretiert. Der hl. Paulus faßt die Kirche als korporative Institution auf, d.h., die Kirche ist der geheimnisvolle Körper Christi ("corpus mysticum Christi"), dessen Glieder ("membra") die den einheitlichen Körper bildenden Gläubigen sind, und sein Haupt ist Christus selbst. Mittelalterliche Denker projizierten diese Auffassung auch auf den Staat. Nach ihrer Vorstellung stellt jeder Staat einen selbständigen Körper mit Gliedern (den Landesbewohnern, also den über politische Rechte verfügenden Grundherren) dar. Die Anwendung der organischen Lehre auf den Staat ging im 13. Jahrhundert von England aus und verbreitete sich im 15. Jahrhundert in ganz Europa. Als einen Körper betrachtete sich im Ungarn des 15. Jahrhunderts zunächst der Kronrat, und Mitte des Jahrhunderts dann die zum Landtag erschienenen Adligen, welche stellvertretend für den Körper die das Land betreffenden Entscheidungen fällen. In den Adelungsurkunden von János Hunyadi rundete sich das ganze dann zu dem allgemeinen Bild, wonach der Regent die Geadelten in die Reihen der Glieder des Landes erhob. Auch bei der Herausbildung des abstrakten Begriffes Staat spielte die organische Lehre eine bedeutende Rolle.
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