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KUNSTGESCHICHTE

Die Kunst Ungarns zwischen 1437 und 1476

Nach dem Tode Sigismunds wurde Wien, die Residenz der den kaiserlichen Thron erbenden Herzöge von Österreich, das wichtigste kulturelle und politische Zentrum in Mitteleuropa. Bei der Regensburger Logenkonferenz des Jahres 1459 erklärte Laurentz Spenyng, Meister der Bauloge der Wiener Stephanskirche, ganz Ungarn zu seinem eigenen Interessenkreis. Das war nicht die Formulierung eines bloßen Anspruchs. Denn wie die Kunstgeschichte zeigt, verbreitete sich der Wiener Stil im gesamten Reich, obgleich in der Kunst des Zeitalters auch die lokalen Traditionen der Sigismundzeit zu erkennen sind. In der bildenden Kunst vollzog sich in den 1440er Jahren ein bedeutender Stilwandel: An die Stelle des weichen Stils trat ein neuer, in den westeuropäischen, in erster Linie niederländischen, Kunstzentren geborener, realistischer Stil, der hauptsächlich über Süddeutschland bzw. Österreich nach Ungarn getragen wurde. Die charakteristische Stilrichtung des Zeitalters in dieser Region war der sog. harte Stil.

Burgen und Schlösser Mitte des 15. Jahrhunderts

In den wirren Kriegsjahren nach Alberts Tod wurden viele ältere Schlösser befestigt. Die Familie von Kompolth ließ in Kisnána nicht nur ihren Adelssitz, sondern auch die Pfarrkirche des Dorfes in die neue Burg einbeziehen. Dasselbe tat die Familie Újlaki in Várpalota, aber hier verlieh man der Burg eine repräsentative Form mit vier Ecktürmen. Zur gleichen Zeit gestaltete die Familie Maróti ihre Burg in Gyula durch den Bau neuer Palasttrakte und einer Kapelle wohnlicher. István Várdai, Erzbischof von Kalocsa, umgab seinen Sitz mit einer mächtigen Festung, um ihn vor der drohenden türkischen Gefahr zu schützen. János Hunyadi ließ seine Residenz in Vajdahunyad zunächst befestigen und dann um eine Kapelle sowie um ein Palastgebäude mit zwei übereinander liegenden, großen Sälen erweitern. Einzelne typische Baugliedformen zeugen davon, daß an diesem Bau auch französische Meister mitgewirkt haben dürften. In Esztergom erging von Erzbischof Dénes Szécsi der Auftrag zum Bau eines ähnlichen, mit einer Reihe prächtiger Erker geschmückten Rittersaales, den sein Nachfolger János Vitéz fortsetzen ließ.

Ländliche Kirchenbauten Mitte des 15. Jahrhunderts

Auf dem im Komitat Vas gelegenen Grundbesitz Monyorókerék (Eberau) der Familie Ellerbach entwickelte sich parallel zur Kunst der benachbarten österreichischen Gebiete eine typisch spätgotische Backsteinarchitektur. Ein schönes Beispiel dafür ist die Kirche von Szentpéterfa. Aus der östlichen Landeshälfte liegen Angaben über die Tätigkeit János Hunyadis als Bauherr vor. Auf seinem Grundbesitz in Debrecen errichtete man eine große Hallenkirche mit Chorumgang. In Siebenbürgen baute der Kronstädter Steinmetzmeister Konrad im Auftrag Hunyadis die Franziskanerkirche von Tövis (Dreikirchen). Ähnlich puritanische Züge trug das Gebäude der Weingartener Pfarrkirche, die der zur Hunyadi-Verwandtschaft gehörende János Geréb von Weingarten erbauen ließ. Diese Bauten hatten vorwiegend Bruchsteinmauerwerk, nur wenige wurden mit einer Werksteinkonstruktion errichtet.

Sakrale Baukunst der zentralen Landesregion Mitte des 15. Jahrhunderts

Den Südturm der Budaer Liebfrauen-Pfarrkirche stellte man, wie die Jahreszahl des in einem der Turmfenster plazierten Steines mit Matthiaswappen zeigt, im Jahr 1470 fertig. Die Mauern des hohen, dreigeschossigen, achteckigen Turmteils gliedern tiefe Spitzbogenfenster mit profilierter Laibung. In der zentralen Region des Landes entstanden zu dieser Zeit nur kleinere Bauten. Ein typisches Bauwerk ist die neben dem Veszprémer Dom stehende Kapelle St. Georg, die zur Grabkapelle für Bischof Albert Vetési umgebaut wurde. Er ließ an der Südseite der Apsis ein turmförmiges spätgotisches Sakramentshäuschen errichten, an dessen Konsole der Name des Bauherrn, sein Wappen und das Jahr der Fertigstellung - 1467 - zu sehen sind. Diese Inschrift ist das früheste ungarische Schriftdenkmal in Antiquabuchstaben. Auch das Portal der Kapelle ließ der Bischof durch ein neues, prächtiges, von Fialen gerahmtes Wimperg-Portal aus rotem Marmor ersetzen.

Die Preßburger Architektur Mitte des 15. Jahrhunderts

Für die Entwicklung der in den vorangegangenen Jahrzehnten erstarkten Großstädte bedeutete König Sigismunds Tod keinen Bruch. In Preßburg stellte man als wichtigste Arbeit das Langhaus der Pfarrkirche fertig, wo das kurvierte Gewölberippen verwendende Gewölbe der Seitenschiffe eine enge Verbindung zum Gewölbe des von Hans Puchspaum erbauten Langhauses der Wiener Stephanskirche zeigt. In Wien blieb auch die offenbar von Puchspaum selbst angefertigte Bauzeichnung des Preßburger Gewölbes erhalten, das aus Wien eingetroffene Steinmetzen errichteten. Nach 1456 korrespondierte der Meister der Wiener Loge, Laurentz Spenyng, mit der Stadt. Damals begannen die lang andauernden Arbeiten am neuen Chor der Kirche. Endgültig eingeweiht wurde der neue Gebäudeteil erst 1497.

Kaschau und Nordungarn Mitte des 15. Jahrhunderts

In Kaschau setzte eine Bauhütte der Wiener Schule die Bautätigkeit an der Pfarrkirche St. Elisabet fort. Ihr Gewölbe erhielt die Kirche vor 1440. Verwandte der den Wiener Vorbildern folgenden Sterngewölbe entstanden auch im Chor der Kaschauer Franziskanerkirche, wo man anschließend die Westempore, den erst halbfertige Südturm und neben der Kirche Seitenkapellen errichtete. Die Bauten der Elisabetenkirche lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit an den städtischen Baumeister István binden. Er zeichnete auch für das neue Chorgewölbe und Sakramentshäuschen in der Pfarrkirche von Bártfa (Bartfeld) verantwortlich. Teilweise gleichzeitig mit den Arbeiten am Westteil der Kaschauer Pfarrkirche schufen Meister der süddeutschen Schule den neuen Hauptchor.

Oberländische Architektur Mitte des 15. Jahrhunderts

Die Städte bzw. Marktflecken des nordungarischen Oberlandes ließen ihre Pfarrkirchen in Form einer repräsentativen, dreischiffigen Hallenkirche oder Pseudobasilika mit spätgotischem Netzgewölbe umbauen. In Csetnek bekam die Pfarrkirche im Zuge ihres Wiederaufbaus neue Gewölbe, und man begann mit dem Bau eines dreiapsidalen Chorhauptes. Auch in Gyöngyöspata entstand eine dreischiffige Pseudobasilika mit gedrungen proportioniertem Sterngewölbe. Für die Pfarrkirche von Késmárk (Käsmarkt) im Zipserland wurde ein breiter Chor mit Netzgewölbe erbaut, und ähnlich war auch das Gebäude der Zipser Propsteikirche. Mit dem weitaus höchsten Niveau ragt unter den Bauten der Umgebung die im Auftrag von Imre Szapolyai im Zipser Csütörtökhely an einer Seite der Pfarrkirche errichtete Kapelle heraus. Die Bauzeichnungen des zweigeschossigen Gebäudes stammen aus der Wiener Loge.

Die Baukunst der Städte Siebenbürgens Mitte des 15. Jahrhunderts

Auch in den Städten Siebenbürgens gingen die früher begonnenen großen Kirchenbauten weiter, die vieles vom lokalen Formschatz der späten Sigismundzeit bewahrten. An der Klausenburger Michaeliskirche wurde die Westfassade zusammen mit dem Portal beendet, und der Bau des Gewölbes konnte ebenfalls erst damals in Angriff genommen werden. Der südliche Turmunterbau erhielt seine endgültige Form, als die Kapelle von Pfarrer Gergely Schleunig entstand. In Kronstadt errichtete man vor dem Südostportal der Pfarrkirche eine prächtige Vorhalle, eine sog. Ferula. In Mühlbach dagegen wurden nur die Seitenschiffe des Langhauses aus dem 13. Jahrhundert renoviert.

Die Plastik Mitte des 15. Jahrhunderts

Neben den herkömmlichen, bescheideneren Grabsteinen mit Wappen ließen Großherren und Prälaten zu jener Zeit im allgemeinen ganzgestaltige Grabsteine anfertigen (z.B. Karlsburger Grabmal von János Hunyadi d.J., Grabmal des György Bazini zu Szentgyörgy [†1467], Grabmal des Esztergomer Erzbischofs Dénes Szécsi [†1465]). Von herausragender Qualität ist das Grabmal des Preßburger Propstes und Kanzlers der Universität Preßburg, Georg Schönberg, welches Verwandschaft zum bildhauerischen Stil eines Nicolaus Gerhaerts und Hans Multscher zeigt. Ein bedeutender Meister des von ihnen vertretenen harten Stils war der aus Ungarn gebürtige, aber in deutschen Landen tätige Jakab Kassai. Die Merkmale des den weichen Stil ablösenden harten Stils sind auch an der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandenen ersten Madonna von Tüskevár zu beobachten.

Altarkunst Mitte des 15. Jahrhunderts

Mitte des 15. Jahrhunderts verbreiteten sich überall im Land die aus einem beweglichen Flügelpaar und einem feststehenden Mittelteil zusammengefügten Flügelaltäre. Ihre einfachere Variante bestand aus bemalten Tafeln, die eine Reihe ebenfalls bemalter, dreickiger Giebel begleitete. Zu diesem Typ gehört der von dem - auch im sog. kleinen Polen arbeitenden - Zipser Meister aus Mateóc (Matzdorf) gemalte Altar. Gleichermaßen auf polnische Beziehungen deutet die Kunst des Meisters, der den Altar von Liptószentmária schuf. Den Typ der Flügelaltäre mit geschnitztem Gespränge vertritt der Hauptaltar im siebenbürgischen Malmkrog. An einem anderen in Siebenbürgen erhalten gebliebenen Denkmal, dem Hauptaltar von Tartlau, hat der Meister auch Elemente der niederländischen Malerei verwendet. Als Denkmal der reichsten, skulpturengeschmückten Altarform gilt der Altar der hl. Barbara in Bartfeld. Nach den Regeln des Viereraltar genannten Typs befinden sich im Altarschrein vier kleinere Heiligengestalten, welche die große Mittelskulptur - hier eine Madonna - umgeben. Die Skulpturen ebenso wie die bemalten Tafeln des Altares kennzeichnet der harte Stil.

Buchmalerei Mitte des 15. Jahrhunderts

Der Wiener Einfluß kam in diesem Zeitalter auch in der Buchmalerei zur Geltung. Ein Exemplar der vom Wiener Meister Michael ausgeschmückten Donatus Grammatica entstand eigens für Ladislaus V. Ein anderer Wiener Meister, der sog. Lehrbüchermeister, von dem das Lehrbuch Maximilians von Habsburg stammt, hat die Matrikel der ungarischen Nation an der Wiener Universität und später im Auftrag König Matthias' das mit dessen Porträt geschmückte sog. Franziskaner-Missale angefertigt. Der größte Bibliophile des Zeitalters war János Vitéz, er bestellte mehrere Kodizes aus den Werkstätten in Florenz. Bei den Wappenbriefen überwiegen die einheimischen Arbeiten. Die 1460 ausgestellte Urkunde der Familie Bod zu Bodfalva wurde in Buda gemalt. Eines der schönsten Stücke der ungarländischen Wappenmalerei ist die Siegelschenkungsurkunde der Stadt Käsmarkt von 1463. Die aus dem Jahr 1459 datierenden Wappenbriefe der auch den Titel Reichsgrafen tragenden Familien Szentgyörgyi und Bazini dagegen entstanden in Wien.

Kleinkunst Mitte des 15. Jahrhunderts

Das vortrefflichste Denkmal der zeitgenössischen Metallkunst ist jener mit Drahtemail verzierte Kelch, welchen der siebenbürgische Edle Benedek Suky der Karlsburger Kathedrale zum Geschenk machte. Aus derselben siebenbürgischen Werkstatt, die den Kelch herstellte, stammt auch ein Viaticumbehälter mit Perlmutteinlage und Drahtemailverzierung. Im behandelten Zeitraum begannen sich im ganzen Land die einem großen gotischen Altarbau ähnelnden Monstranzen zu verbreiten. Eines der Meisterwerke dieser Kunstgattung ist die Monstranz der Preßburger St. Martinskirche. Zur Ausstattung der Kirchen gehörten die bronzenen Taufbrunnen. Mit ihnen lebten, wie man an den Taufbecken der Pfarrkiche von Käsmarkt im Zipserland oder im siebenbürgischen Kronstadt sehen kann, zumeist die früheren Formen weiter. Zeugnisse des großen Könnens der Siegelstecher und -graveure dieses Zeitalters sind das Majestätssiegel und die goldene Bulle, die 1464 anläßlich der Krönung von König Matthias in Gebrauch genommen wurden.

Die Kunst Ungarns zwischen 1476 und 1526

König Matthias wurde erst nach seiner Heirat mit Beatrix zu einem großen Förderer der Kunst. Anfangs trugen die auf sein Betreiben errichteten Bauten noch die Merkmale des früheren, über Verbindungen zu Wien verfügenden spätgotischen Stils. In der ersten Hälfte der 1480er Jahre aber, als sich italienische Künstler in Ungarn niederließen, erschienen an den bedeutendsten Visegráder Bauvorhaben auch schon Elemente der Renaissance. In der zweiten Hälfte der 1480er Jahre vollzog sich ein Stilwandel. Damals gelangte in erster Linie in den östlichen und mittleren Regionen des Landes jene neue spätgotische Stilrichtung sächsicher Herkunft in den Vordergrund, die mit schlesischer und polnischer Vermittlung nach Ungarn getragen wurde. Gleichzeitig machte sich an den Budaer Bauten des Hofes, in der Plastik und Buchmalerei mehr und mehr der Einfluß der italienischen Renaissance bemerkbar. Zur Jagiellonenzeit verlief die Entwicklung dieser Stiltendenzen parallel, beschränkte sich aber nicht mehr ausschließlich auf die enge Umgebung des Hofes. Die ersten Gebäude in reinem Renaissancestil entstanden um 1500. Doch das Nebeneinandner von Spätgotik und Renaissance blieb das ganze Zeitalter hindurch charakteristisch.

Visegrád und seine Architekturbeziehungen in der späten Matthiaszeit

Nach 1476 nahm König Matthias die Bautätigkeit in Visegrád auf. Ihre Leitung übertrug er den Budaer Hofrichtern. Im Laufe der folgenden zehn Jahre entwickelte sich der Königspalast zu einer prunkvollen ländlichen Residenz. Die Bauten der Sigismundzeit wurden renoviert, alle Fenster- und Türöffnungen, Decken, Erker, Loggien und Zierbrunnen durch moderne spätgotische, mitunter bereits mit Elementen der Renaissance vermischte Konstruktionen ersetzt. Italienische Steinmetzen schufen im Renaisancestil den Herkules- und Musenbrunnen, die Einrichtung der Kapelle und die Loggia im Prunkhof. Gleichzeitig arbeitete die spätgotische Bauhütte des Palastes in der Hauptburg. Die Tätigkeit derselben Werkstatt, oder zumindest doch deren Stil, läßt sich auch an anderen königlichen Bauvorhaben, hauptsächlich auf den von den Budaer Hofrichtern verwalteten Gütern, nachweisen: An den Umbauten der Burg Tata, des Zsámbéker Schlosses, der Burg Vajdahunyad bzw. an dem - ebenfalls unter Kommendatorschaft der Budaer Hofrichter erbauten - Klostergebäudes der Abtei Pannonhalma. Auch beim Bau des Bischofspalastes in Gyõr (Raab) im Auftrag von Bischof Orbán von Nagylucse folgte man dem Visegráder Stil.

Buda in der späten Matthiaszeit

Im Zuge des Wiederaufbaus der Budaer Burg ließ König Matthias in der zweiten Hälfte der 1480er Jahre einen Teil der Bauten aus der Sigismundzeit renovieren. Die Palastkapelle erhielt eine neue Einrichtung, in den Räumen des benachbarten Ostflügels brachte man die Corvina-Bibliothek unter. In den Burghöfen wurden Bronzestatuen und dekorative Zierbrunnen aufgestellt. Das zweite Geschoß im Westflügel des Innenhofes bot Platz für einen großen Saal, und über der Arkadenreihe im Erdgeschoß errichtete man eine zweistöckige Loggia. Am Eingang zum östlichen Trakt des Sigismund-Hofes entstand eine Freitreppe aus rotem Marmor sowie eine prächtiges Doppelportal. Hierbei fiel der italischen Renaissance bereits eine wichtige Rolle zu. Auch die im südlichen Teil des Palastes befindliche große Zisterne ließ Matthias erneuern, und schuf darüber nach italienischen Vorbildern einen hängenden Garten. Am Hang des Burgberges legte man einen Ziergarten an. Diese Arbeiten konnten zu Lebzeiten Matthias' nicht beendet werden, so daß sie unter Wladislaw II. fortgesetzt wurden.

Die Anfänge der Verbreitung der Renaissance in den 1480er-1490er Jahren

Der sich vor anderen ungarischen Prälaten durch seine humanistische Bildung auszeichnende Bischof von Vác (Waitzen), Miklós Báthory, betrieb 1483 den Umbau seiner Nógráder und im Jahr 1485 seiner Waitzener Burg. Diese Arbeiten dürften noch im Stil der Spätgotik erfolgt sein. 1489 wurde ihm die Abtei Mogyoród anvertraut, an deren Stelle er später ein mit einer Renaissance-Loggia geschmücktes Schloß errichten ließ. Vermutlich zur gleichen Zeit veranlaßte er auch in seinem Waitzener Palast den Bau einer Renaissance-Loggia. Den Wardeiner Bischofspalast ließ Bischof János Filipec von Großwardein (1476-1491) umbauen. Auch an diesem Bau erschienen die auf Buda zurückgehenden Renaissancekonstruktionen aus rotem Marmor zusammen mit spätgotischen Elementen.

Spätgotische Umbauten von Kathedralen am Ende der Matthias- und in der Jagiellonenzeit

In Zagreb (Agram) beauftragte Bischof Osvát Thuz Wiener Meister, ein neues Gewölbe für den Chor der Kathedrale zu schaffen. Einer der Originalentwürfe des Gewölbes ist noch heute unter den Bauzeichnungen der Wiener Loge zu finden.

In der ersten Hälfte der 1480er Jahre begann man damit, das Hauptschiff der Propsteikirche von Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) neu zu überwölben, bzw. anschließend einen großen Hallenchor mit Umgang zu bauen, der 1490 jedoch noch nicht fertiggestellt war. Ähnliche Arbeiten nahmen in Erlau ihren Anfang, wo Orbán Nagylúcsei den Bau des neuen Hallenchores veranlaßte. Doch auch dieser Gebäudeteil stand 1539 noch unvollendet, und drei Jahre später wurde er zerstört.

Nord- und Ostungarn in der späten Matthiaszeit

In der östlichen Landeshälfte ließen Ende des 15. Jahrhunderts mehrere zu Reichtum gelangte Marktflecken nach dem Muster der Pfarrkirchen in Pest, Mühlbach, Kronstadt oder Debrecen große Hallenkirchen mit Chorumgang errichten. Über den Bau der Bartholomäuskirche von Gyöngyös bzw. der Szegediner Demetriuskirche blieben keine Angaben erhalten. Die Bauzeit der Miskolcer Stephanskirche (heute reformierte Kirche von Avas) hingegen datieren eine Urkunde und eine Inschrift um das Jahr 1489.

Im Zipserland setzte man die Bauarbeiten an den Kirchen von Käsmarkt und Szepeshely fort. In Szepeshely ließ István Szapolyai neben dem umgebauten Langhaus eine prächtige Seitenkapelle bauen. Und in Okolicsnó, im Komitat Liptó, entstand mit Unterstützung von Matthias bzw. János Corvinus eine neue Franziskanerkirche vom Typ der dreischiffigen Hallenkirche.

Die Baukunst Transdanubiens in den 1480er-1490er Jahren

Ein typisches Beispiel für die Residenzen der neuen, erstarkenden Großgrundbesitzerschicht ist der von László Egervári in Auftrag gegebene Gebäudekomplex in Egervár (Burg, Franziskanerkloster und die Kirche im nahen Francsika). Bei diesen Bauten verwendete man in den Komitaten Vas und Zala im 15. Jahrhundert Elemente mit Profilziegeln. Pál Kinizsi richtete sich seine Residenz in Nagyvázsony ein (Burg, Paulinerkloster, Pfarrkirche). Der Formschatz, den der Gebäudekomplex von Nagyvázsony repäsentierte, fand im ganzen Balatonoberland Verbreitung. Ein großenteils unversehrt erhaltenes Denkmal dieses Architekturkreises ist die Pfarrkirche in Zalaszántó. Die von Kaiser Maximilian eroberte Burg Kõszeg (Güns) baute man damals ebenfalls um. Im großen Saal beispielsweise wurden die alten durch eine Reihe neuer Renaissance-Fenster ersetzt.

Königliche Bautätigkeit in Buda und Visegrád im Zeitalter der Jagiellonen

Zur Zeit Wladislaws II. setzte man im Budaer Palast die von Matthias begonnenen Bauvorhaben fort. Die hier tätigen italienischen Steinmetze entdeckten anstelle des unter Matthias bevorzugten roten Marmors den gelblichen Budaer Mergel. Noch immer spielte die Spätgotik in der Bautätigkeit eine große Rolle. Vielleicht am bedeutendsten war die Überwölbung der Burgkapelle, wo man Gewölbe mit kurvierten Rippen verwendete, die der Erbauer des Prager Königspalastes, Benedikt Ried, weiterentwickelt und vervollkommnet hatte. Der Einfluß Rieds und seines Prager Mitarbeiters Hans Spiess kam auch am Visegráder Franziskanzerkloster zur Geltung, das man in der Nachbarschaft des Königspalastes wiederaufbaute. Unter den Steinfragmenten des Palastes in Buda blieben Stücke erhalten, welche hauptsächlich die in den 1490er Jahren in der östlichen Landeshälfte verbreitete Spätgotik sächsischer Herkunft repräsentieren.

Die Tätigkeit der Nyéker Werkstatt um 1500

Das in Nyék bei Buda stehende Jagdschloß aus der Zeit Sigismunds ließ Wladislaw II. zu einem pompösen Renaissanceschloß umbauen. In der Nähe der Dorfkirche errichtete man zwei große Gebäude: Die Hauptfassade des Wohnhgebäudes zierte eine zweistöckige Loggia. Das andere, teilweise aus Holz gebaute Haus umgab im Erdgeschoß eine Veranda. Die bei den Nyéker Bauten tätige Werkstatt fertigte im Auftrag von Mózes Buzlai Gergellaki zahlreiche architektonische Elemente der Burg Simonytornya aus Budaer Mergel, darunter die den Burghof umschließende Renaissance-Loggia. In Siklós ließ Imre Perényi seine Residenz ausbauen, woran die Meister aus Nyék ebenfalls mitwirkten. Im Falle beider Burgbauten spielte auch die Spätgotik eine wichtige Rolle. Die sächsischen Vorbildern folgende prächtige Burgkapelle von Siklós steht noch heute.

Die Pécser Architektur der Jagiellonenzeit

Ein bedeutendes Kunstzentrum der südlichen Landesregion bildete sich in Pécs (Fünfkirchen) heraus. Bischof Zsigmond Ernuszt veranlaßte den Neubau der Burg und der Stadtmauern und sorgte dafür, daß der Dom ein Gewölbe erhielt. Der Baumeister des Doms, Steinmetzmeister Demeter, mag auch das Sternnetzgewölbe in der Dominikanerkirche geschaffen haben. Ernuszts Nachfolger, Bischof György Szatmári, war ein großer Kunstmäzen. In seinem Auftrag wurde die Ausschmückung des Doms fortgesetzt, zu der auch das auf uns gekommene Pastophorium aus rotem Marmor gehörte. Neben dem Dom ließ Szatmári das Gebäude des Domkapitels erneuern, den Bischofspalast im Stil der Renaissance umgestalten und außerhalb der Stadtmauern, in Tettye, eine Renaissance-Villa errichten. Bei seinen Bauten dürften vorwiegend dalmatinische Meister beschäftigt gewesen sein.

Renaissancebauten kirchlicher Zentren Anfang des 16. Jahrhunderts

Die Burg zu Bács wurde im Auftrag des Erzbischofs von Kalocsa, Péter Váradi, umgebaut. Er ließ das Bauwerk mit runden Ecktürmen, Barbakane genannt, befestigen und durch eine spätgotische Kapelle sowie Palasttrakte im Renaissancestil erweitern. In Großwardein betrieb Bischof Zsigmond Thurzó die Renaissance-Umbauten des Bischofspalastes. Neben dem Karlsburger Dom entstand im Auftrag des Domkapitulars János Lászai eine Kapelle mit spätgotischem Netzgewölbe und einer mit lombardischen Renaissance-Elementen geschmückten Fassade. In Esztergom (Gran) ließ sich Erzbischof Tamás Bakócz seitlich von der Basilika aus rotem Marmor eine Grabkapelle mit kreuzförmigem Grundriß errichten, die eine von einem Metallgerüst getragene Kuppel krönte. Dieser Bau ist das abgeklärteste Werk der reifen ungarländischen Renaissance. Den weißen Marmoraltar schuf Andrea Ferrucci. Das neue Wohngebäude im Innenbereich des Esztergomer Palastes, dem sich ein mit einer Renaissance-Loggia geschmückter hängender Garten anschloß, geht auf Bakócz' Nachfolger, Erzbischof György Szatmári, zurück.

Die Architektur Budas und seiner Umgebung in der Jagiellonenzeit

An den Bauten der Stadt Buda lassen sich verschiedene spätgotische Stilrichtungen beobachten. Die beiden Westabschnitte der Maria Magdalenen-Pfarrkirche sowie ihr von zwei Kapellen flankierter westlicher Turm zeigen Wiener Beziehungen. Einen ähnlichen Turm errichtete man an der Pfarrkirche von Nagymaros. Auch der Stil sächsischer Herkunft tauchte in der Budaer Burg auf, und zwar am Umbau der Nikolaikirche der Budaer Dominikaner. Zu dieser Zeit entstand neben dem Gewölbe des Chores auch der heute zum Teil noch stehende Turm. In der Umgebung Budas, in Szentlõrinc, wurden im Hauptkloster der Pauliner die Grabkapelle des hl. Paulus des Eremiten sowie dessen von Bruder Dénes geschaffenes Reliquiengrab, und anschließend der neue Kirchenchor sowie der Kapitelsaal fertiggestellt.

Siebenbürgen in der Jagiellonenzeit

Das eigentliche Verbreitungsgebiet der Spätgotik sächsischer Herkunft war der östliche Landesteil. Nach 1490 ließ Bruder János das Langhaus des einstigen Franziskanerklosters in der Klausenburger Farkas utca bauen. Paarstücke reich skulptierter Werksteine und eingezogener Strebepfeiler sind am ehemaligen Dominikanerkloster von Klausenburg zu beobachten, und an der Déscher Pfarrkirche wiederholen sich diese eingezogenen Strebepfeiler. Die Verwandten der skulptierten Steine findet man beispielsweise am Langhaus der Pfarrkirche von Ótorda (Altthorenburg) und am Hermannstädter Pfarrhaus. Der Hermannstädter Steinmetz András verbreitete diesen Stil im Siebenbürger Sachsenland. Sein bedeutendstes Bauwerk ist die Pfarrkirche in Meschen, der auch das Gebäude der Hallenkirche von Birthälm ähnelt. Diese und andere siebenbürgische Kirchen umgaben wegen der ständigen türkischen Überfälle Burgmauern mit mächtigen Türmen.

Die Baukunst Nordostungarns in der Jagiellonenzeit

Stilmerkmale der sächsischen Spätgotik weisen die Nebenkapellen der Pester Innerstädtischen Kirche auf. An diese Bauten, bzw. vermutlich an die Errichtung eines Renaissance-Altares, lassen sich wohl die beiden mit Inschrift versehenen Renaissance-Pastophorien der Kirche binden. Eine spätere Strömung der sächsischen Einflüsse vertritt das prachtvolle Gebäude der mit Netzgewölbe und Renaissance-Elementen geschmückten Pfarrkirche von Nyírbátor, das im Auftrag des jüngeren András Bátori entstand, und vielleicht hängt auch die 1526 geschaffene Madonna András Bátoris mit dem Kirchenbau zusammen. Verwandt mit dem Gewölbe der Kirche von Nyírbátor ist das - lange nach der Einweihung, aber noch vor 1543 errichtete - spätgotische Gewölbe des 1503 eingeweihten Langhauses der Szegediner Franziskanerkirche.

Die Baukunst des Oberlandes in der Jagiellonenzeit

Im Zentrum der ab Ende des 15. Jahrhunderts aufblühenden Bergstadt Schemnitz wurde die einschiffige Katharinenkirche eingeweiht. Auf der Anhöhe über der Stadt baute man eine monumentale, dreischiffige Pfarrkirche. In der Marienkirche am Rande der Stadt ließ Erasmus Roessl ein prächtiges Chorgewölbe mit kurvierten Rippen errichten. Als vollendetstes ungarisches Beispiel dieser spezifischen Gewölbeform gilt das Oratoriengewölbe der Pfarrkirche zu Neusohl, das eng mit den Wiener Bauten Anton Pilgrams verwandt ist. Im Komitat Sáros veranlaßte Johannes Brengyssen den Umbau der Preschauer Pfarrkirche in spätgotischem Stil. Die erhalten gebliebenen Rechnungsbücher dieser Arbeiten sind unikale Quellen der Architekturgeschichte des Zeitalters. Die nahegelegene Stadt Bartfeld schloß 1507 mit Meister Alexius einen Vertrag über den Bau des Rathauses. An diesem Gebäude mischen sich die spätgotischen Formen bereits mit Elementen der Renaissance.

Grabmalplastik in Ungarn Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts

Die prachtvollsten Grabsteine des Zeitalters sind die ganzgestaltigen Grabmäler von Rittern und Prälaten, an denen sich der Stilwandel zwischen Spätgotik und Renaissance im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts gut verfolgen läßt. Während der Grabstein des 1487 verstorbenen Imre Szapolyai in Szepeshely noch spätgotische Stilmerkmale trägt, zieren das 1499 für István Szapolyai errichtete Grabmal bereits Renaissancemotive. In den 1490er Jahren erschien auch ein neuer, charakteristischer Renaissance-Grabsteintyp, im oberen Teil mit einem Wappenschild und im unteren Teil mit einem tafelartigen Inschriftfeld. Eines der frühesten Denkmäler dieses Typs ist der Budaer Grabstein von Bernardo Monelli, Burghauptmann der Königin in Óbuda, aus dem Jahr 1496. Um 1500 verbreitete sich dann eine andere Variante, bei der den Wappenschild ein sog. italienischer Kranz einfaßte, wie beispielsweise auf dem Csatkaer Grabstein des Miklós Acatius zu Szentlélek von 1516.

Renaissanceplastik in Ungarn Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts

König Mattias schmückte seine Paläste mit Kunstgegenständen, die er, wie das Pastophorium aus Carraramarmor der Visegráder Palastkapelle, in Italien bestellte. Zahlreiche italienische Meister am Hof verwendeten auch den ungarländischen roten Marmor. Der führende Meister der Werkstatt, die an den Brunnen des Visegráder Palastes arbeitete, schuf die kleine, aber qualitativ ausgezeichnete Skulptur des mit der Hydra von Lerna kämpfenden Herkules. Dagegen sind das unter dem Namen Visegráder Madonna bekannte Lunettenrelief und die beiden dazugehörigen Puttenreliefs eher mittelmäßige Arbeiten eines italienischen Steinmetzen. Zwei schöne Altarfragmente aus Carraramarmor, die in der Burg bzw. im Paulinerkloster Diósgyõr zum Vorschein kamen, zeigen Verwandtschaft mit den Werken Giovanni Dalmatas. Zu einer beliebten Form wurde im Ungarn des 16. Jahrhunderts das dem Pastophorium der Visegráder Palastkapelle ähnelnde Sakramentshäuschen. Eines der bedeutendsten Denkmäler dieses Typs ist neben jenen der Pester Innerstädtischen Kirche das Fünfkirchner Sakramentshäuschen des György Szathmári.

Holzplastik in Ungarn Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts

Ein außergewöhnliches Denkmal des Zeitalters stellt der Gottessarg von Garamszentbenedek dar. Aus dieser Zeit sind auch die monumentalsten Flügelaltäre auf uns gekommen. In der Kaschauer Elisabetenkirche errichtete man einen neuen Hauptaltar, dessen prächtiger Skulpturenschmuck mit den modernsten zeitgenössischen Bestrebungen der süddeutschen Plastik in Zusammenhang gebracht werden kann. Meister Pál, der den monumentalen Hauptaltar in der Leutschauer Pfarrkirche St. Jakob schnitzte, mag in der Kraukauer Werkstatt des Veit Stoss in die Lehre gegangen sein. Stoss war auch auf andere Zeitgenossen von großem Einfluß, so z.B. auf den Meister, der den Altar der hl. Barbara zu Neusohl schuf. Die untergegangenen Hauptaltäre der Preßburger und der Schemnitzer Kirche, von denen nur ein oder zwei Skulpturen erhalten blieben, standen eher zu den Strömungen der bayerischen Holzplastik in verwandtschaftlicher Beziehung.

Malerei in Ungarn Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts

Die Flügel der Altäre mit großen, skulpturenverzierten Schreinen fügte man im allgemeinen aus bemalten Tafeln zusammen. In der Kirche von Jánosrét bei Kremnitz bzw. in Garamszentbenedek blieben aus den 1470er-1480er Jahren mehrere Altäre erhalten, die Werke ein und derselben Werkstatt sind. Diese charakterisiert eine lebendige, realistische Darstellungsweise. Dieser der niederländischen Malerei entspringende Realismus beherrscht auch den Hauptaltar der Kirche im siebenbürgischen Mediasch, den ein Meister der Wiener Schule bemalte. Nach 1500 kam in der Malkunst Ungarns der Einfluß der Donauschule zur Geltung. Schöne Beispiele dafür sind die Altäre von Zólyomszászfalu. Die bedeutendste Malerpersönlichkeit des Zeitalters war Meister MS, der seine Werke mit dem Zeichen MS signierte. Er schuf die Gemälde an den Flügeln des Schemnitzer Hauptaltares. Von der Renaissancemalerei des Zeitalters sind nur wenige Denkmäler auf uns gekommen. Das Wichtigste darunter ist die Tugend-Freskenreihe in dem von Königin Beatrix nach 1490 benützten Studiolo des Esztergomer Palastes. Die Gewölbe oder Holzdecken von Kirchen schmückte man in dieser Zeit häufig mit spätgotischer oder Renaissance-Ornamentik.

Buchkunst

König Matthias bereicherte seine Bibliotheca Corviniana mit zahlreichen im Stil der Renaissance verzierten Büchern, die er in Italien erwarb, gründete aber daneben auch in Buda eine Miniaturmaler- und Buchkopierwerkstatt. Diese Werkstatt setzte ihre Tätigkeit nach Matthias' Tod unter Wladislaw II. fort. Private Auftraggeber folgten dem Beispiel der Monarchen. Der Stuhlweißenburger Propst Domonkos Kálmáncsehi (1474-1495) ließ sein Breviarium und andere Kodizes von dem Mailänder Franciscus de Castello ausschmücken. Den Stil der Budaer Werkstatt vertreten auch das Esztergomer Graduale des Agramer Bischofs Simon Erdõdy (1519-1543) oder das Esztergomer Missale - eine mit Miniaturen verzierte venezianische Inkunabel - des Wardeiner Bischofs Ferenc Perényi (1514-1526). Bei anderen Werken kamen entweder die Einflüsse der deutschen Malerei - wie beispielsweise an den Miniaturen des Evangelistariums von Pannonhalma, die nach dem Vorbild der Stiche von Dürer und Schongauer entstanden - oder die lokalen Traditionen der spätgotischen Kunst - wie in den an der Grenze zwischen Spätgotik und Renaissance stehenden Verzierungen des Kaschauer Graduale - stärker zur Geltung.

Wappenbriefe

Das schmückende Beiwerk der Wappenbriefe entsprach auch in der späten Matthiaszeit noch dem spätgotischen Stil des früheren Zeitalters. Neben den bis in die 1520er Jahre entstehenden Adelswappenminiaturen, deren Hintergrund prächtige spätgotische Helmdecken ausfüllten (Nagylucsei 1480, Armbrust 1518), verbreiteten sich um 1500 die Wappenbriefe mit Verzierungen im Stil der Renaissance (Pethõ zu Gerse, 1507). An der Ausschmückung dieser Wappenbriefe wirkten auch die Miniaturmaler der Budaer Werkstatt mit. So schuf z.B. der Maler, der die Kodizes für Simon Erdõdy verzierte, unter anderem das Wappen der Dorottya von Kanizsa (1519) oder der Familie Forgách zu Gimes (1525). Bemerkenswert an diesen Arbeiten ist nicht nur die reiche Renaissanceornamentik des Rahmenschmucks, sondern auch die realistische Darstellung der Wappen (z.B. Radák 1514).

Textilien, Metallhandwerk

Im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts entstand die reich mit Perlen und spätgotischen Beschlägen besetzte ungarische Bischofsmütze, die anläßlich von Krönungen getragen wurde. Einen chrakateristischen spätgotischen Gefäßtyp vertritt der ans Ende des 15. Jahrhunderts zu datierende Esztergomer Hornpokal. Metallkunstwerke der Renaissance erschienen in diesem Zeitraum in Ungarn ebenso: Den Sockel der damals schon in der königlichen Schatzkammer verwahrten sog. Matthias-Kalvarie ließ der König von lombardischen Goldschmieden anfertigen. Zur Ausstattung der Grabkapelle des Tamás Bakócz in Esztergom gehörte ein Meßgewand mit italienischer Renaissancestickerei. Auch die Traditon des ungarischen Drahtemail lebte im 16. Jahrhundert weiter, wie der Kelch aus dem Besitz von Tamás Bakócz beweist. Eines der schönsten Denkmäler des spätgotischen Metallhandwerks in Ungarn ist die ehemals vermutlich den Klarissen von Óbuda gehörende Monstranz.

Majolika, Glas

Matthias und Beatrix ließen sich aus Italien nicht nur mehrere Service des farbig bemalten Majolikageschirrs mit weißer Zinnglasur liefern, sondern beriefen darüber hinaus Meister nach Buda, die hier eine Majolikawerkstatt einrichteten. Diese Werkstatt stellte unter anderem die Fußbodenfliesen für die Residenzen in Buda und Visegrád und sogar für den Waitzener Bischofspalast her. Bald darauf gründete man auch in Fünfkirchen eine Majolikawerkstatt. Eine Vielzahl der Tafelgefäße aus harter Scherbe gelangte auf dem Handelsweg in erster Linie aus Italien, aber auch aus Mähren (Loschtitz) und Deutschland (Dreihausen, Siegburg) nach Ungarn. Neben dem traditionellen Import der wasserklaren und hauchdünnen venezianischen Gläser kam es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einem Aufschwung der heimischen Glasindustrie. Diese ahmte zwar die aus Venedig bekannten Formen nach, doch an die Qualität der Erzeugnisse der Werkstätten von Murano reichten die ungarischen Glaswaren mit ihrer dickeren Wandung und grünlichen Farbe bei weitem nicht heran.

Öfen, Möbel, Tapisserien in der Matthias- und Jagiellonenzeit

Den in der späten Matthiaszeit errichteten Palästen gereichten spätgotische Öfen neuen Typs zur Zierde. Der sog. Ofen mit Rittergestalten entstand ursprünglich vielleicht im Auftrag Friedrichs III., aber den Ofen mit der Wappenserie des Königs Matthias hat man gewiß schon für Matthias hergestellt. Damals erschienen auch die Öfen, für deren einzelne Kacheln jeweils andersfarbige Glasur verwendet wurde. Diese prächtigen Öfen oder deren Kopien waren in königlichen Residenzen ebenso zu finden wie in den Burgen und Landsitzen des Adels. Als Beispiele des zeitgenössischen Mobiliars sind hauptsächlich Einrichtungsgegenstände von Kirchen erhalten geblieben. Das Stallum der Bartfelder Pfarrkirche ist spätgotischen Stils. Das intarsiengeschmückte Renaissance-Chorgestühl der Franziskanerkirche von Nyírbátor stammt aus der Florenzer Marone-Werkstatt. Die zum Enterieur des 15. Jahrhunderts gehörenden Tapisserien haben die Zeiten weniger gut überdauert. Lediglich anhand der - wohl in den 1470er Jahren von Antonio Pollaiuolo entworfenen - Bezüge vom Thron König Matthias' kann man sich ein Bild von ihnen machen.

MUSIKGESCHICHTE

Vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis Mohács

Aus musikhistorischer Sicht brach in Ungarn mit dem 14.-15. Jahrhundert ein neues Zeitalter an. Die westeuropäische Orientation der Angeviner hatte Bewegung in das Geistes- und innerhalb dessen in das Musikleben gebracht. Obwohl sich das ungarische Stadtnetz etwas später herausbildete und nicht mit einer solch hohen Intellektuellenkonzentration verbunden war wie im Westen, wurde das Bürgertum auch bei uns zu einer bedeutenden Triebkraft, was sich unter anderem positiv auf das Musikleben auswirkte. Aus dem Spätmittelalter stehen mehr und mehr musikalische Angaben zur Verfügung (das sind in erster Linie Gregorianische Gesänge sowie einige polyphone Musikdenkmäler), und über die Notenhandschriften hinaus kann man viel von der alltäglichen musikalischen Praxis lesen; z.B. über den Gesang bezahlter Schülergruppen im Rahmen gestifteter Messen und bei den Zeremonien der Karwoche, oder den musikalischen Dienst am hl. Grab, oder die Mitwirkung bei Begräbnissen.

Kirchliches Musikleben

Neben dem feierlichen liturgischen (gregorianischen) Gesang wird zu dieser Zeit, hauptsächlich auf Einfluß der Franziskaner- und Dominikanermönche, das muttersprachliche Singen innerhalb von Bruderschaften immer beliebter. Aber auch der Paulinerorden führt - schon mit Beginn des 14. Jahrhunderts - ein dem der Kollegiatsstifte gleichwertiges, blühendes musikalisch-liturgisches Leben. Typisch ist z.B., daß sich im 15. Jahrhundert die Zahl der an den Messen teilnehmenden Mönche in Budaszentlõrinc auf mehrere Hundert erhöhte! Dieser Orden (der einzige Orden ungarischer Gründung in der Geschichte des Mönchtums) hat die Esztergomer Gregorianum-Tradition mit ihren liturgischen Eigenheiten und Melodienvarianten stets gepflegt und getreu überliefert. Im ausgehenden Mittelalter überwog in der einheimischen Musikpraxis noch der einstimmige Gesang. Das begann sich erst vom 14. Jahrhundert an langsam zu ändern, wenngleich auch damals in erster Linie ältere musikalische Techniken Bestandteil der alltäglichen Praxis waren. Ab dem 15. Jahrhundert kann man in Ungarn von einer gut dokumentierten Polyphonie sprechen.

Der gregorianische Gesang spielte also in der Musikpraxis das ganze Mittelalter hindurch eine bestimmende Rolle - in dieser Hinsicht war die liturgische Praxis der Schulen, bischöflichen bzw. klösterlichen Zentren, der Parochien und der königlichen Kapelle einheitlich. Wissenschaftlern zufolge ertönten in mittelalterlichen Kirchen täglich mindestens drei bis vier Stunden lang gregorianische Gesänge. Wie lebendig der alte musikalische Stil war, zeigt, daß die Zahl der Gesangsstücke in bestimmten Gattungen (z.B. Halleluja, Kyrie, Sequenz, Lesestücke) weiterhin wuchs.

Unter den bedeutendsten ungarischen Notenhandschriften verdienen als erste die in der Esztergomer Bibliothek aufbewahrten, in die Mitte des 15. Jahrhunderts zu datierenden, prächtigen Antiphonarien Erwähnung. Sie sind die sicheren Hüter der ungarischen Liturgie- bzw. Musiktradition. Große Bedeutung besitzt daneben das Graduale des Ferenc Futaki (1463), das von Buda nach Istambul gelangt sein mag. Um eine unserer wichtigen gregorianischen Quellen handelt es sich bei dem aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammenden prunkvollen Antiphonar, das Bischof János Pruisz-Filipecz für die Wardeiner Kirche anfertigen ließ. Eine Besonderheit dieses Werkes ist, daß es nicht nur Notenschrift nach böhmischer Art enthält, sondern die heimischen Melodienvarianten und Bräuche auch inhaltlich mit den Überlieferungen der Nachbarregion verschmilzt. Das gleiche trifft auf die Ritualbücher des Zipser Kapitels sowie das Kaschauer, Klausenburger, Kronstädter und das berühmte Graduale Wladislaws zu.

An der Wende vom 15. auf das 16. Jahrhundert wird die generelle Esztergomer Tradition in einigen Budaer Kodizes weitergegeben, worunter das zweibändige Bakócz-Graduale am bedeutendsten ist. Erhalter der ungarischen Tradition sind darüber hinaus die Notenhandschriften des Paulinerordens, wie z.B. das in Agram aufbewahrte Antiphonar oder das Graduale der Pfarrei zu Neutra.

Eine Sonderlinie der als zentral geltenden Esztergomer Tradition vertreten die Kodizes der Diözesen Kalocsa-Agram in der südlichen Landesgegend, beispielsweise die im Auftrag des Agramer Bischofs Osvát Thuz Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Antiphonarien.

Im Gegensatz zu den eben erwähnten bilden die von der Wende 14./15. Jahrhundert stammenden Notenhandschriften des Franziskaner- und Dominikanerordens eine Insel im Meer der ungarischen Musiktradition. Ihre Notenschrift, liturgischen Überlieferungen und Melodienvarianten folgen stets den Mustern ihres eigenen Ordens, weshalb sie sich nicht in das System musikalischer Gewohnheiten ihrer Umgebung einfügen. Auch das berühmte Matthias-Graduale darf als ein von den Hauptströmungen der allgemeinen Musikkultur isolierter Prunkkodex angesehen werden, da es die Melodienmuster bzw. liturgischen Traditionen des Franziskanerordens (und damit indirekt des päpstlichen Hofes) übernommen hat.

Vieles über das kirchliche Musikleben im Mittelalter verraten neben den aufgezeichneten Melodien auch die kurzschriftartigen (kursiven) Anmerkungen in den Büchern, die das allgemein hohe Niveau der musikalischen Schrift- und Lesekundigkeit beweisen. Erhalten blieben z.B. vom Ende des 15. Jahrhunderts die musikalischen Notizen des späteren Esztergomer Erzbischofs László Szalkai, die er während seiner Schulzeit in Sárospatak anlegte. In diesen sorgfältig geführten Heften findet man eine imponierend gut begründete und praktische Zusammenfassung der gregorianischen Gesänge, einschließlich einer Behandlung des Themas unter ästhetischem Aspekt.

Der muttersprachliche Volksgesang

Die Melodie des Te Deum in ungarischer Sprache, zu finden im Peer-Kodex vom Anfang des 16. Jahrhunderts, dürfte im Mittelalter allgemein bekannt gewesen sein (eine der Varianten wird in Siebenbürgen bis heute gesungen). Aufgrund seiner breiten Verwendung darf man es zurecht für den ersten ungarischsprachig notierten Volksgesang halten. Ein anderer Volksgesang - Krisztus feltámada mind õ nagy kínjából [sinngemäß: Christus ist auferstanden aus all' seinen großen Leiden] - wurde im sog. Fragment der Sigismundzeit (15. Jahrhundert) in vier Sprachen aufgezeichnet und vermutlich auch so gesungen: Zu Ostern, in allen vier Sprachen, die man in einer Stadt des Oberlandes sprach. Der Palatinskodex überliefert aus dem Jahr 1508 drei Volksgesänge: Idvezlégy idvességes hostya, Idvezlégy Istennek Szent Anyja, Bínösöknek kegyös segédség [sinngem.: Sei gegrüßt heilbringende Hostie, Sei gegrüßt Heilige Mutter Gottes, Der Sünder gnadenreiche Hilfe]. Bei den übrigen Aufzeichnungen (ca. 20-30) handelt es sich lediglich um Textangaben, die jedoch mit Hilfe späterer Quellen oder volkstümlicher Überlieferungen enträtselt werden können. Am bekanntesten darunter sind der Weihnachtsgesang Dies est laetitiae sowie der aus dem Jahr 1508 stammende Gesang Angyaloknak nagyságos asszonya [sinngem.: Der Engel gnadenreiche Frau] von dem Franziskaner András Vásárhelyi.

Vom Volksmund überliefert wurden ferner solche in dieses Zeitalter zu datierende Gesänge wie die Csordapásztorok [Viehirten], A pünkösdnek jeles napján [Am hohen Tag des Pfingsfestes] oder Ó fényességes szép hajnal [Oh schöner, glanzvoller Morgen]. Diese Gesänge lassen sich musikalisch und textmäßig drei Arten zuweisen. 1: Paraliturgische, nicht streng an das Ritual gebundene Stücke mit dogmatischer Aussage, 2: Übersetzungen europaweit bekannter lateinischer Stücke, sog. Kanons, 3: Der Andacht dienende Gesänge.

Epische Gesänge

Wie bekannt, besang man die Taten der Ahnen an König Matthias' Tafel in ungarischer Sprache. Das berühmte Lied über Ladislaus den Heiligen wurde erst später, Anfang des 16. Jahrhunderts, notiert. Es verherrlicht zwar den Ritterkönig, jedoch bereits im Lichte der Ideale der Matthiaszeit. Auf die Melodie dieses Liedes sang man auch die Néhai való jó Mátyás király... [Der gute König Matthias selig...] beginnende Weise. Der rezitative Klagegesangsstil unserer Volksmusik brachte dann unter den Historiengesängen des 16. Jahrhunderts die mehrstrophige Liedgestalt hervor - dieser allgemein übliche epische Stil ist hauptsächlich hinter den zwölfsilbigen Parlando-Melodien zu vermuten.

Die mittelalterlichen Schichten der Volksmusik

In diesem Zeitalter zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert erblühte eine mannigfaltige musikalische Brauchkultur, deren Künder die einzelnen Melodien sind. Was für Lieder das gewesen sein mögen, erfährt man unter anderem von Johann Sylvester, der im 16. Jahrhundert die Blumengesänge erwähnt. Gewiß könnten sie über unsere reiche Liebeslyrik berichten - wenn sie überliefert worden wären. Bekannt ist jedoch nur der Text eines Refrains (Ödenburger Liebeslied): Virág, tudjad, tõled el kell mennem és teíretted kell gyászba ölteznem ["Blume, wisse, daß ich von dir gehen muß. Und für dich muß ich mich in Trauer kleiden."]. Erhalten blieben solche Refrainmelodien auch in den mit Volksbräuchen verbundenen Gesängen: in Hochzeitsgesängen, Paargesängen, Gesängen zur Johnnisnacht. Spuren eines einstmals inhaltsreichen, rituellen mittelalterlichen Gesellschaftsspiels dürften über das Brauchtum zu St. Johannes hinaus unsere entwickelteren Kinderspiele (Brückenbilden, Festumzug, Partnertausch) bewahrt haben. In dieser Zeit entwickelte sich das Betlehemsingen zu einer echten Dramaform. Ebenfalls mittelalterlichen Ursprungs mag der Brauch der zeremoniellen Begrüßung (Rekordation) sein (Begrüßung zum Namenstag, Herumziehen an St. Gregor). Nicht zu unterschätzen ist ferner der Einfluß, den die Schule ausübte. Hinter der Melodie des Bräutigamführers im Neutraer Hochzeitsgesang beispielsweise kann man Spuren eines rezitierten Gedichtes bzw. des Memorisierens entdecken.

Die Musik der Burschentänze - sie steht mit der in diesem Zeitalter so beliebten Vagantendichtung in Verbindung - hat vermutlich Züge unserer mittelalterlichen Tanzmusik bewahrt (ebenso wie das Betlehemsingen und die Abschnitte des Pfingsttanzes). Über den Brauch des Betrauerns gibt es sogar schriftliche Angaben (Klage um Karl I.). Der Klagegesang jener Zeit dürfte im wesentlichen so geklungen haben wie der heute bekannte (Prosa mit improvisiertem Text, Formelsatz für Wort und Musik, festgelegte Kadenzpunkte). Zur gleichen Zeit mag sich die über eine Oktave reichende sog. große Form gegenüber den früheren Melodien geringerer Klanggröße durchgesetzt haben, und wahrscheinlich vollzog sich damals auch die Trennung zwischen den zahlenmäßig überwiegenden Strophentypen und dem Rezitativ mit improvisiertem Prosatext.

Einen der charakteristischsten Stile mittelalterlicher Provenienz vertritt der sog. Révész-Melodienkreis. Der Grundgedanke dieser Melodien entspringt noch demselben Stamm wie die gregorianischen Gesänge: Sie sind ähnlich aufgebaut wie die siebentonigen Antiphonien. Im ausgehenden Mittelalter bilden dann die Melodienformen im Volta-Rhythmus und die daraus weiterentwickelten Variationen einen Kreis.

Hochherrschaftliches Musikleben

Im allgemeinen kann man von einer Hierarchisierung des mittelalterlichen Denkens sprechen. Infolgedessen spiegelte sich die Gliederung der menschlichen Gesellschaft - oratores (Betende), bellatores (Kämpfende), laboratores (Arbeitende) - auch in der Musik wider, und demgemäß kam es zu einer Trennung zwischen den Sphären der sakralen und der profanenen Musik.

Tinctoris (Musiklehrer der Königin Beatrix) schreibt um 1475, daß die Sänger und Pfeifer mit der Aufheiterung irdischer Feste ein wirkliches Bild von den himmlischen Freuden geben müßten. Feierlicher Lärm und Geschmetter dienten dazu, der irdischen Macht und dem Ansehen klangvoll Ausdruck zu verleihen, oder sie hatten strategische Bedeutung. In der Belgrader Schlacht beispielsweise versetzte das Schmettern der Trompeten den Gegner in Schrecken - wie ein Chronist berichtet. Die Trompeter und der Chor Sigismunds waren weithin bekannt. Anläßlich des Königstreffens im Jahr 1412 sorgten 86 Pfeifer und Trompeter für musikalische Begleitung (Sigismunds Chor wurde später auch von König Albert übernommen und hochgehalten). Ein Zeitgenosse schätzte die Zahl der zum Konstanzer Konzil (1414-1418) anwesenden Musiker auf 1700! Auch Matthias begleiteten Musiker, als er sich 1485 mit dem böhmischen König traf. Neben dem Königshof wissen wir aber auch noch von anderen Zentren, wo man Kunst und Musik förderte: Niveauvoll musiziert wurde an den Höfen von Bischof János Vitéz in Várad (Wardein) und Esztergom (Gran) sowie am Hof von Bischof Miklós Báthory in Vác (Waitzen). Als musikliebende Prälaten galten auch der Esztergomer Erzbischof Tamás Bakócz und der Pécser (Fünfkirchener) Bischof Janus Pannonius.

Das bedeutendste hochherrschaftliche Zentrum war zweifellos der königliche Hof, wo man im 15. Jahrhundert Gesang und Instrumentalmusik auf europäischem Niveau pflegte. Zu Matthias' Zeit bestand der Hofchor bereits aus 40 Mitgliedern, und ausländische Gäste rühmten ihn einstimmig als eines der besten Ensembles in Europa, das selbst mit dem päpstlichen Chor wetteifern konnte. Eigens für dieses Gesangsensemble hatte man eine Schule eingerichtet, einen Organisten und Blasmusiker angestellt. Neben der Pflege des Gregorianums gehörten zu seinem Repertoire im anspruchsvollsten Stil des Zeitalters komponierte polyphone Musikwerke (wobei im Ausland engagierte Sänger und Jünglinge mit Sopranstimme mitwirkten). Matthias korrespondierte mit ausländischen Musikern, um sie an seinen Hof zu holen. In den 1480er Jahren wirkte der flämische Sänger-Komponist Johannes Stockem in Ungarn, und etwa zur gleichen Zeiten waren hier auch (Jean Cornuel) Verjus und Erasmus Lapicida tätig. Königin Beatrix hatte einen eigenen Chor, und sie spielte auch selbst die Harfe. Zahlreiche Beschreibungen schilderten begeistert den musikalische Pomp zur Hochzeit des königlichen Paares in Fehérvár (Weissenburg). Der Lautenspieler Pietro Bono weilte ebenfalls eine zeitlang als Gast an Matthias' Hof, und daneben unternahm der König ernsthafte Anstrengungen, den berühmten Organisten Paul Hofhaimer für seinen Hof zu verpflichten. Nach Matthias traten die Jagiellonen als Förderer des Musiklebens auf. Zu ihrer Zeit waren Meister Grympeck, der namhafte Organist, und für einige Jahre auch der schlesische Komponist Thomas Stolzer in Buda tätig.

Nach Beschreibungen des 15. Jahrhunderts wurden nicht nur kirchliche Zeremonien und Ereignisse des öffentlichen Lebens, sondern auch die Mahlzeiten musikalisch begleitet - im allgemeinen von Streichern und Lautenspielern, und Fanfaren kündigten die einzelnen Gänge an. Einer Angabe aus dem Jahr 1518 zufolge hallten die Gassen der Budaer Burg mittags von Trompetengeschmetter und Trommelwirbel wider. Meist spielten Musiker sowohl kirchliche als auch profane Musik. Sie waren Berufsmusiker, wie z.B. die Mitglieder der Hofkapellen bzw. des Hofchores (zu ihnen gehörte auch der Organist). Eine besondere Rolle kam den Trompetern zu, da ihre Instrumente zum einen klingende Symbole der irdischen Macht darstellten (sie marschierten bei Festumzügen ganz vorn) und zum anderen signalgebende Funktion besaßen (Lenkung der Truppenbewegungen im Krieg, Signalisieren von Bränden, Turmmusik in den Städten). Das beliebteste Instrument bei Gesellschaften war die Laute und daneben die kleine tragbar Orgel (portativ). In den Hauskapellen und für das gemeinsame Musizieren bevorzugte man Pfeifen und Saiteninstrumente.

Die mittelalterliche Polyphonie

Obwohl polyphone Musik im 14.-15. Jahrhundert keineswegs als zum Alltag gehörend bezeichnet werden kann, belegen schriftliche Angaben dennoch eine gewisse Bekanntheit und Pflege dieser Musik. Von den Paulinern z.B. wurde sie schon im 14. Jahrhundert verboten (sie hat also existiert), während der Sándor-Kodex vom Anfang des 16. Jahrhunderts das mehrstimmige Singen in den Rang himmlischer Freuden erhebt. Auch außerhalb der Kirchen mag polyphone Musik erklungen sein. Man weiß beispielsweise von Sängern, die den polnischen Herzog Sigismund begrüßten. Allerdings ist die Zahl unserer Notenquellen gering: das Fragment der Sigismundzeit aus der ersten Hälfte und das Kaschauer Fragment aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Insgesamt beinhalten sie etwa 30 polyphone Musikstücke. Beim Analysieren dieser Musik fällt auf, daß die heimische Praxis nicht dem neuesten westeuropäischen Stil des Zeitalters folgte, sondern daß sie, ähnlich wie in den übrigen Randgebieten Europas, die antiquierteren - mitunter mehrhundertjährigen - Techniken bewahrt hat. Dazu konnte das parallele oder kontrapunktische Organum ebenso gehören wie das als moderner geltende, geschmeidigere polyphone Kanonmaterial. Der Text der Stücke knüpft überwiegend an kirchliche Feste bzw. Zeremonien oder kommentiert diese. Ein mehrstimmiges Stück mit weltlichem Text blieb nicht erhalten. Im Gegensatz dazu war für das Spiel der Musiker des königlichen Hofes, laut Zeitzeugen, der niveauvollste polyphonische Stil des Zeitalters kennzeichnend. Da er jedoch importiert war, blieb dies - wie auch das prachtvoll verzierte Matthias-Graduale - eine isolierte Erscheinung und somit ohne Einfluß auf die ungarische Kultur als Ganzes.

Städtisches Musikleben

Der in der ungarischen Musikentwicklung schon seit der Ritterzeit bestehende Tempoverzug machte sich auch bei der Entwicklung des urbanen Lebens bemerkbar. Infolge dieser mehrhundertjährigen Verspätung kann man in Ungarn selbst im 15. Jahrhundert noch mit höchtens 25-30 Städten rechnen. Doch im Hinblick auf ihr musikalisches Antlitz boten sie ein ähnliches Bild wie die Städte Westeuropas. Auch hier war die Trompete klangvoller Ausdruck zunächst des hochherrschaftlichen und später dann des bürgerlichen Selbsbewußtseins (Sigismund gewährte einzelnen deutschen Städten die Trompetenbenutzung als Sonderprivileg). Darüber hinaus war die Musik Bestandteil des offiziellen/amtlichen Lebens (Amtseinführungen, Bekanntmachungen, Hochzeiten, Umzüge). Vom Wunsch der wohlhabenden Bürgerschaft, ihre Frömmigkeit und zugleich ihre Persönlichkeit verewigt zu wissen, zeugen zahlreiche Altar- und Meßstiftungen, was selbstverständlich die Mitwirkung von Sängern bzw. Musikern erforderte. (Aus Sopron [Ödenburg] beispielsweise wird in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts von einer aus 20-25 Altaristen bestehenden Körperschaft Corpus Christi berichtet.) Auch die Sonntagsprozessionen nahmen (bereits ab dem 13. Jahrhundert) eine immer farbenfrohere, spektakuläre Form an (in Preßburg wurden sie 1494 von Kanonendonner und Trompetengeschmetter begleitet). Bei Festen, Umzügen, Prozessionen und familären Ereignissen der Stadtbewohner gehörte Musik einfach dazu. Die vermögenderen Bürger und ihre Kinder konnten meist selbst ein Instrument spielen. Im 15. Jahrhundert wurde nach und nach das Klavikord zum beliebtesten Instrument bei Hausmusiken. Je mehr die Städte wirtschaftlich erstarkten, desto mehr fand in dieser Zeit auch die Orgel allgemeine Verbreitung. Führend darin waren vor allem die jüngeren Orden (Franziskaner, Pauliner, Dominikaner). Anfang des 16. Jahrhunderts werden erstmals musizierende Zigeuner erwähnt.

Betrachtet man das ungarische Musikleben im Augenblick vor der schicksalhaften Mohácser Wende, zeigt sich folgendes Bild: Der Minorit Pominóczky zeichnet das berühmte, Bátya, Bátya mely az út Becskerekére... [Bruder, Bruder, der auf die Straße nach Becskerek...] beginnende Verspaar auf, ein musikalischer Einfall auf die Melodie eines psalmodierenden Stoßgebets. Am Hof von Königin Maria wird anspruchsvoll, in verfeinertem Stil musiziert, und die Musiker werden, wie man weiß, gut bezahlt (1525). Den königlichen Hof kennzeichnet in bezug auf Musiker ein reger Fremdenverkehr: Heinrich Fink, Johannes Langus, Thomas Stolzer sind nur einige der Namen bedeutender europäischer Musiker, die hier geweilt und für kürzere oder längere Zeit auch hier gewirkt haben. Der zwanzigjährige Bálint Bakfark kommt in dieser Zeit von Kronstadt nach Buda, um bei Szapolyais Hofmusikern sein Lautenspiel zu vervollkommnen. Demgegenüber pflegt man an den meisten anderen Orten die althergebrachten polyphonen Techniken - selbst in den Dörfern wird im Organum gesungen! Aufgrund der zahlreichen in Kurzschrift notierten Melodien in den liturgischen Büchern darf man mit Recht behaupten, daß das Schreiben und Lesen mittelalterlicher Musik allgemein auf hohem Niveau beherrscht wurde. Ein Gleichgewicht zwischen den beiden Arten des Musizierens - der im Stil antiquierteren, aber allgemeinen Musikpraxis und der importierten Spitzenkunst des königlichen Hofes - konnte sich bedauerlicherweise nicht einstellen. Dazu hat die Geschichte keine Chance geboten.

TANZGESCHICHTE

Frühe Renaissancetänze in Europa

Mit ein wenig Übertreibung könnte man sagen, daß die Renaissance das tänzerischste Zeitalter in der europäischen Geschichte war. Die Adligen, Bürger und Bauern tanzten mit Feuer, auch Könige, Fürsten und Magnaten schonten ihre Beine nicht, und selbst Päpste und Bischöfe frönten gern dieser Leidenschaft. Der Tanz wurde zu einem der Hauptsymbole für die unwiderstehliche Aktivität und den Körperkult der Renaissance. Leider blieb unter den Denkmälern der antiken Kulturen allzu wenig über diesen leichtflüchtigen Zweig der Kunst erhalten, als daß er der Nährboden für die antikisierende, wiederbelebende Leidenschaft des Menschen der Renaissance bzw. Befruchter der "ars nova" hätte sein können. Diese Rolle erfüllten die Bauerntänze. Und so hat auch der Tanz, gemeinsam mit der Literatur, der Musik und anderen Zweigen der Kunst, zur Entwicklung des Kultes um die national geprägten Kulturen beigetragen.

Die an den feudalen Rahmen rüttelnde städtische Bürgerschaft, welche sich die Herausbildung einer Reichtum und Macht angemessen vertretenden, autonomen Kultur zum Ziel setzte, wollte auch auf dem Gebiet des Tanzes etwas eigenständiges schaffen. Demgemäß strebten die reichen Bürger nach einer Umgestaltung der langsam anachronistische Züge annehmenden Tanz-, Musik- und Spielgattungen der Ritterkultur bzw. einer Anpassung der Bauerntänze, damit diese ihrer zweckmäßigen Lebensauffassung entsprachen. Auf diesem Weg vollzog sich in Europa die endgültige Trennung der adligen, bürgerlichen und bäuerlichen Tanzkultur. Ihren Ausgang nahmen diese Veränderungen in Nord- und Mittelitalien bzw. im zeitgenössischen Frankreich in Burgund.

Tanzmeister

Zur Herausbildung und Verbreitung der neuen Tanzkultur benötigte man schon geschulte Fachleute - Tanzmeister. Der erste Tanzmeister, über dessen Arbeit auch Schriftdenkmäler berichten, war der Italiener Domenico de Ferrara. Er zog nicht mehr als Wanderunterhalter umher, sondern war ein Meister mit humanistischer Bildung, der neben Tanz auch Fechten und Reiten unterrichtete und der sich darüber hinaus auf das Organisieren festlicher Zerstreuungen verstand. Die meiste Zeit verbrachte er am Hof der Familie Este in Ferrara. Seine berühmtesten Schüler, Guglielmo Ebreo da Pesaro und Antonio Cornazano, waren die namhaftesten italienischen Tanzmeister der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Als Schüler hatte sich ihm auch der Herrscher von Florenz, Lorenzo di Medici il Magnifico (1449-1492), angeschlossen, der - selbst ein Dichter - seinen Hof zu einem Treffpunkt berühmter Wissenschaftler und Künstler machte. Der mystischen Sichtweise der neoplatonischen Anschauung des Zeitalters entsprechend lehrte Meister Domenico seine Schüler die Achtung vor dem "Maß" und weihte sie in die Geheimnisse der Tanzkunst ein.

Nach zeitgenössischer Auffassung spiegelt sich in der Harmonie von Natur, Universum und gut regiertem Staat eine Art mystischer Tanz wider, dessen organischen Bestandteil auch der als göttliches Wesen verehrte Mensch bildet. Die Geheimnisse (misteri) des harmonischen Tanzes sind: Einhaltung von Rhythmus und Tempo (misura), Zusammenpassen der Körperbewegungen (maniera), Einhaltung der richtigen Reihenfolge der Bewegungen (memoria), entsprechende Ausnutzung des Raumes (partire del terreno), die seelischen Anlagen, das Feingefühl, die Grazie (aere), sowie die körperlichen Anlagen, die Lebenskraft und die Gesundheit (movimento corporeo). Die von Domenico und seinen Schülern im Laufe des 15. Jahrhundert herausgegebenen Schriften kann man als Grunddokumente der einheitlichen europäischen Tanzkunst betrachten.

Hoftänze

Aus den Büchern der Tanzmeister der Frührenaissance und den zeitgenössischen Dokumenten der Tanzgeschichte haben wir nicht nur eine Ahnung, sondern wissen in vielen Fällen sogar ziemlich genau, was und wie die Menschen an den italienischen (Mailand, Florenz, Urbino, Ferrara) und burgundischen Höfen sowie an den mit diesen engere oder lockerere Kontakte pflegenden europäischen Höfen tanzten. Demnach existierten im 15. Jahrhundert zwei Untertypen der italienischen und französischen Tänze: Bassadanza, Basse danse (schreitender Paar- oder Dreiertanz) und Ballo, Balletto (aus mehreren Teilen bestehende Tanzkomposition). Das Wort basse bedeutet "tief", was darauf hindeutet, daß es ein langsamer, würdevoller Tanz war. Diese Bewegungsart hing mit der Kleidermode (lange Gewänder aus schweren Stoffen, Schuhe mit langen Schnabelspitzen, schwere Kopfbedeckungen) sowie dem dieser entsprechenden gezierten Betragen zusammen.

Der Ballo bzw. Balletto war für drei, vier, sechs oder eventuell mehr Tänzer komponiert, die Komposition bestand aus vier Sätzen (misura) mit vonaneinder abweichendem Rhythmus, Tempo und Charakter. In Italien hießen diese Sätze meist Bassadanza, Quadernaria, Saltarello und Píva. Bassadanza und Saltarello tanzte man unpaarig, Quadernaria und Píva im Paarrhythmus, und innerhalb dessen war Saltarello zweimal so schnell zu tanzen wie Bassadanza, während der Píva das doppelte Tempo des Quadernalia hatte. Die musikalische Begleitung dieser Sätze war häufig eine identische Melodie, welche von den Musikern im Laufe des Vortrages ihrem typischen Rhythmus und Tempo entsprechend variiert wurde, wobei es hier noch keine strenge Trennung von vortragendem Tänzer und Publikum gab. Ungeachtet der ähnlichen Tanznahmen bestanden zwischen dem italienischen und französischen Stil bedeutende Unterschiede, die die Tänzer kennen mußten.

Was aus den Tanzbüchern der Frührenaissance fehlt

Von den als berühmte Renaissancetänze bekannt gewordenen Tänzen (z.B. Pavane, Guilliard, Passamezzo, Courante, Volta) fand sich damals in den zeitgenössischen französischen und italienischen Tanzsammlungen noch keine Spur. Sie tauchen erst ein oder zwei Jahrzehnte später, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, auf und erobern dann das Tanzleben. Weiters fehlen in diesen Sammlungen die als allgemein bekannt geltenden und von jedermann für selbstverständlich gehaltenen einfachen Rundtänze (Branle). Diese Tänze gehen schon auf eine ältere Tradition zurück, werden aber bei den Tanzvergnügen an Adelshöfen oder im Kreis der Bürgerschaft noch ein bis zwei Jahrhunderte gern getanzt. Auch von den Trionfo genannten Maskeraden, die man zu Festen der Kirchenfürsten und weltlichen Herren, anläßlich von Gesandten- und Fürstenbesuchen, bei Hochzeiten, in den "dreizehn Tagen" zwischen Weihnachten und Epiphani, zu Kirchweihen und zum Karneval veranstaltet, ist keine genaue Beschreibung überliefert.

Sehr beliebt waren bei solchen Anlässen die vom Triumph der Liebe, der Wahrheit und des Todes handelnden Schaustücke: der Trionfo der drei Blinden, aus der heidnischen und christlichen Mythologie bzw. der römischen Geschichte entlehnte allegorische Szenen, nach englischer, spanischer, flämischer, ja sogar ungarischer Art getanze Maskeraden (moresca). Den Festausschüssen (festaiulo), die diese Maskenumzüge organisierten, gehörten Dichter, Musiker und Maler ebenso wie Tänzer, Schauspieler und Sänger an. Es ist bekannt, daß auch Boticelli, Leonardo oder Dürer, die großen Maler der Epoche, gelegentlich gern bereit waren, die Masken, Kostüme und Requisiten dafür zu entwerfen. Diese weltlichen, tänzerisch-sängerisch-dramatischen Vergnügungen boten mehr Möglichkeiten, die Lebensfreude auszudrücken, als die paradiesisches Glück verheißenden mittelalterlichen Mysterienspiele.

Terpsychore sucht Unterkunft in Ungarn

Das Tanzleben Ungarns war im Zeitalter der Frührenaissance ähnlich bewegt wie das westeuropäische. Doch die bislang erschlossenen Quellen künden noch immer nur von der Tatsache des Tanzens, fallweise vom Namen der Tänze. Den italienischen gleichende Tanzbücher mit detaillierten Aufzeichnungen über die in Ungarn gängigen Tänze und deren Musik wurden uns leider nicht überliefert. Ungewiß ist auch, ob die italienischen und französischen Handschriften mit Tanzsammlungen im zeitgenössischen Ungarn bekannt gewesen sind. Von einer Brüssler Handschrift genannten Sammlung aus der Zeit um 1460 kann nur angenommen werden, daß sie sich unter anderem im Besitz von Königin Maria (Gemahlin Ludwigs II.) befand, bevor sie Eigentum Margaretes von Österreich wurde. Mangels verläßlicher Quellen müssen wir uns also mit den wortkargen Hinweisen in zeitgenössischen Chroniken, historischen Werken, Gesandtenberichten bzw. Tagebüchern und mit den nur selten auftauchenden Tanzdarstellungen begnügen.

Diese Quellen erwähnen als gängige Tänze in Ungarn den "italienischen Tanz" (wällischen Tanz, höfischen welschen Tanz), den "Zeuner" (Zauntanz) gennanten Kettentanz, den feurigen "deutschen Tanz" (Germanica Pyrrichia), den Maskentanz (Mummerei), den in Holzschuhen getanzten Steckentanz (Tanz mit Stecken), den einfachen Rundtanz, den drehenden Paartanz (Kehrab), Kriegstänze (Militarem Pyrrhychiam, Martiales Choreas), den Schwerttanz und den Heiduckentanz. Darstellungen des Paartanzes kann man auf schönen Ofenkacheln aus der Budaer Werkstatt König Matthias' sowie auf einem ins 15. Jahrhundert datierten bronzenen Truhenbeschlag sehen. Daneben gibt es mehrere Beispiele, daß die zu dieser Zeit Dudelsack spielenden Hofunterhalter mit heftigen Bewegungen dargestellt sind, was - nach der Spielweise der Dudelsackpfeifer zu urteilen - ebenfalls auf tänzerische Bewegungen schließen läßt. Verschiedene europäische Quellen erwähnen die eigenartige Tanzweise der Ungarn, die in der Spätrenaissance zur europäischen Mode wird.

Tänze an König Matthias' Hof

Die meisten Denkmäler über zeitgenössische Hoftänze blieben von dem weithin berühmten Renaissancehof König Matthias' erhalten. Zu verdanken ist dies Antonio Bonfini, Matthias' Hofchronisten, der ein Liebhaber des Tanzes und typischer Vertreter des Zeitalters der Renaissance war. In seiner Chronik verweilte er mit sichtlichem Vergnügen bei der Beschreibung der die Feste am Hof begleitenden Tanz- und Musikeinlagen. Von ihm wissen wir, daß das Budaer Volk zu tanzen anhub, als man Matthias zum König wählte. Auch er selbst tanzte gern. 1470 bespielsweise, anläßlich seines Besuchs bei Kaiser Friedrich, glänzte er im Ritterturnier ebenso wie bei den ungarischen Tänzen. Matthias wollte auch während seiner Kriegszüge nicht auf Zerstreuung verzichten. So lud er zur Zeit der Belagerung Breslaus im Jahr 1474 die Vornehmen der Stadt und Gäste aus den Reihen der böhmisch-polnischen Belagerer zu einem Tanzvergnügen ein. Die Hochzeit von Beatrix und Matthias wurde mit großem Pomp begangen. Wie der humanistische Literat Hans Seybolt als Abgesandter des bayerischen Herzogs Georg berichtet, schwangen Beatrix und ihr Bruder, der Herzog von Neapel, zu den Klängen eines Zäuners das Tanzbein.

Auf einem von Matthias mit allem Pomp der Renaissance gegebenen Fest in Olmütz tanzte Beatrix, laut Bericht des pfälzischen Gesandten, mit Wladislaw, dem Sohn des polnischen Königs Kasimir III., eine feurige Germanica Pyrrichia. Bonfini zufolge bestürmten die Ungarn den König Tag für Tag, daß er die zu besseren Zwecken ausgehobenen Steuern für unnütze Dinge ausgebe, vom einfachen Lebensstil der alten Könige abweiche, durch Ablegen der strengen ungarischen Sitten die alten Traditionen abschaffe und stattdessen lateinische, ja spanische Vergnügungen und verweichlichte Gebräuche einführe. Dafür machten sie in erster Linie Beatrix verantwortlich: "...Königin Beatrix war es, die König Matthias auf die italienischen Sachen gebracht [...] ließ sie Spottfiguren, Tänzer und allerlei Pfeifer, Lautenspieler, Fiedler holen: denn diese bereiteten Königin Beatrix eine große Lust und Wonne" (sinngemäß). Die italischen Beziehungen Beatrix' (hauptsächlich zum Hof in Ferrara) sind wohlbekannt, weswegen man den Beschwerden Glauben schenken und annehmen darf, daß durch sie auch die in der Sammlung von Domenico de Ferrara enthaltenen Tänze nach Ungarn gelangt sein dürften.

Die Tanzleidenschaft Ludwigs II. und die Moresca

König Wladislaw II. und König Ludwig II. bemühten sich nach Matthias' Tod vergeblich, dessen luxoriöse Renaissancehofhaltung weiterzuführen. Ludwig II. und Königin Maria beispielsweise tanzten leidenschaftlich gern. Doch diese Tanzlust belastete die ansich schon geleerte Staatskasse dermaßen, daß man in ganz Europa darauf aufmerksam wurde. Beide waren seit ihrer Kindheit an glanzvolle Feste und Lustbarkeiten bei Hofe gewöhnt und wollten diese auch später nicht missen. Markgraf Georg von Brandenburg, der Vetter und Erzieher König Ludwigs II., schrieb in einem aus dem Jahr 1519 erhalten gebliebenen Brief an den brandenburgischen Kanzler, daß er am Hof des übrigens schrecklich armen Königs Ludwig prächtig Fasching gefeiert, sich verkleidet und getanzt habe, und auch der König habe in Gesellschaft der Herren vergnügt das Tanzbein geschwungen. "Ich erschien zusammen mit achtzehn anderen in Verkleidung (Mummerej), in einem kurzen Obergewand und roten, spitzen Schuhen, wie sie einst die Altvorderen getragen, dann folgte ein alter Mann in Holzschuhen und tanzte zwei eigentümliche Tänze mit Stecken."

Der Waffen- und Masken-Faschingstanz, welchen Herzog Sigismund (der jüngere Bruder des Jagiellonenkönigs Wladislaw) in seinem Budaer Haushaltsbuch aufgezeichnet hat, mag hier ebenfalls erwähnt sein. Demnach hatten ihm Budaer Schüler am 21. Februar 1501, zur Nachfaschingszeit, in seiner Wohnung einen Schwerttanz vorgetragen. Am gleichen Tag waren maskierte Narren zu Pferd bei ihm erschienen, die ebenfalls den Schwerttanz zum besten gaben und dafür belohnt wurden. Diese Schwerttänze, die im selben Zeitraum für Kaiser Maximilian angefertigten Stiche von ungarischen Tänzern mit Masken und Waffen oder die ungarische Figur, die man unter den Moriskentänzern im Münchner Rathaus sehen kann, deuten darauf, daß die damals in ganz Europa populäre "Moresca" auch in Ungarn zur Mode gehörte. Wahrscheinlich wäre die Liebe zum Pomp und die Tanzleidenschaft unserer Könige Anfang des 16. Jahrhunderts weniger auffällig gewesen, und vielleicht hätte auch Ludwig II. nicht den Beinamen "bester Tanzkönig" verdient, wenn hinter dem Pomp entsprechender Reichtum gestanden und sich all das nicht im Schatten der drohenden türkischen Gefahr abgespielt hätte.

Tanz in der Dichtung

Unter den Werken der sich in diesem Zeitalter langsam entfaltenden ungarischsprachigen Literatur und Dichtung kann man voller Freude bereits Zeilen entdecken, die den Tanz thematisieren. Das erste, aus dem Jahr 1505 stammende sog. Kremnitzer Tanzwort ist für die Sprach- und Literaturwissenschaft sowie für die Tanzwissenschaft gleichermaßen evident. Das zweite, eine von Ferenc Apáti 1526(?) verfaßte Cantilena in satirischer Tonart, handelt von Mädchen, deren Sanftmut sich beim Tanzen als vorgetäuscht erweist. Im 7. Teil des unter dem Namen Sándor-Kodex bekannt gewordenen Buches der Exempel schließlich, das 1521 von den Dominikanernonnen des Klosters auf der Margareteninsel aufgeschrieben wurde, ist in wunderbaren Worten der Tanz der Heiligen im Himmel beschrieben.

Kriegstänze, Soldatentänze, das erste Denkmal des Heiduckentanzes

Die Mode der Kriegstänze dauerte auch im Laufe des 15.-16. Jahrhunderts fort und erhielt durch den unmittelbaren Kampf gegen die Türken sogar neuen Anstoß. Drei Beispiele seien hier erwähnt, die als spezifisch und in der mittleren und westlichen Hälfte Europas zudem als außergewöhnliche Fälle gelten: Der erste Fall ereignete sich 1456 bei der Belagerung Belgrads. Aus Notizen des Johannes von Kapistrano begleitenden italienischen Franziskanerbruders Giovanni da Tagliacozzo wissen wir, daß die Verteidiger der Burg auf Befehl Kapistranos vor den Augen der Türken ein Spektakel veranstalteten: "Manche sangen, begleitet vom Blasen der Hörner, andere johlten, wieder andere huben zu tanzen an oder schrieen und hüpften mit gen Himmel gestreckten Armen [...] um auch damit die Überheblichkeit der Türken zu brechen, ihren Mut zu dämpfen und sie zu verängstigen..." Der andere Fall trug sich 1479 anläßlich der Siegesfeier nach der gewonnenen Schlacht von Kenyérmezõ zu, und wird von Antonio Bonfini, dem Augenzeugen darüber berichteten, ausführlich beschrieben: "Beim Festmahl erklangen die Heldenlieder (militari cantu), in rasch improvisierten Melodien besang man den Ruhm der Führer und Hauptleute."

"Und als der Wein die Gemüter erhitzt hatte, schritt man zum Heldentanz (Militarem pyrrhychiam). Der Soldatentanz (Martiales choreas) wurde mit Waffen getanzt, so daß der Lärm weithin erschallte. Die ausgelassene Stimmung erreichte ihren Höhepunkt und alle Soldaten brachten ihre Gefährten durch komische Bewegungen ihrer Körper und Gliedmaßen zum Lachen. Auch Kinizsi rief man zum Tanz. Er stellte sich in die Mitte des Kreises, packte den Leichnam eines Türken, aber nur mit seinen Zähnen, ohne ihn mit einer Hand zu berühren, und begann dann, rhythmisch im Kreis herum zu hüpfen. Beim Anblick des Herkulestanzes (Choream se et Herculeo) war ihr Staunen noch größer als ihr Lachen. Die Lustbarkeiten gingen weiter, in dieser Nacht tat niemand eine Auge zu." Das dritte Beispiel betrifft die Hinrichtung von György Dózsa. Mehrere zeitgenössische Quellen haben diesen mit besonderer Grausamkeit vorgenommenen Akt geschildert. Antal Verancsics schrieb in seinen Reminiszensen: "Man entkleidete György Szekely bis zum Gürtel, dann fesselte man ihn an einen Stuhl, an einen Baum. Seine Kämpen ließ man dazu den Werbetanz (alias Heiduckentanz) aufführen, wobei sie György Székely umkreisten und nach seinem Körper schnappten" (sinngemäß).

Bauerntänze - gemeinsame "ungarische" Züge

Mit der Manifestierung des feudalen Gewohnheitsrechts - in Ungarn formulierte Werbõczy es in seinem Tripartitum (1514) - vollzog sich in ganz Europa die politische Absonderung des Bauerntums, was gleichzeitig zur langsamen aber endgültigen Differenzierung von adliger und bäuerlicher Kultur führte. Im Kreis der Bevölkerung, die im Laufe des Mittelalters desöfteren strukturellen Veränderung unterlag, wurde die Bauernschaft mehr und mehr zum Träger der traditionellen Tanzkultur, während der Adel (und die Bürger Westeuropas) unvermindert den neuen europäischen Tanzmoden huldigte. Die gemeinsame Züge beider Kulturen aufweisende Schicht schmolz ständig. Galeotto Marzio, der iltalienische Bibliothekar König Matthias', staunte seinerzeit sehr darüber, daß der Gesang der Spielleute, die an der Tafel des Königs die Taten ihrer Helden in ungarischer Sprache zu Lautenklängen vortrugen, vom Hochadel ebenso verstanden wurde wie von den einfachen Leuten. In seiner Heimat Italien war das wegen der Differenzierung von Sprache und Kultur nicht mehr möglich. Auch Bonfini erwähnt, daß bei Hofe kein Abendmahl ohne Absingen von Soldatenliedern (Cantus militaris) verging; in improvisierten Liedern wurden die Heldentaten verherrlicht.

Zieht man davon eine Parellele zu den in der Beschreibung der Schlacht von Kenyérmezõ erwähnten kämpferischen Gesängen und Tänzen, läßt sich auch in der zeitgenössischen Kultur ein antiker, weiterlebender Zug erkennen, und zwar der improvisierte Vortrag einer Gattung der Volksdichtung mit Musik und pantomimischen Bewegungen. Hinzu kamen die gesanglich und instrumental begleiteten Rundtänze sowie die solo, paarweise, gruppenweise, mit und ohne Geräte getanzten Formen der undifferenzierten Tanzweise mit Springen-Klopfen-Trappeln. Dies dürften im Zeitalter der Frührenaissance die Merkmale der ungarischen Tänze gewesen sein, nach denen man beim Zuschauen den Tanz eines Adligen, Soldaten oder einfachen Pilgers in ganz Europa als ungarisch qualifizierte. Das bedeutet keineswegs, daß es solche Tänze nicht auch anderswo gab. Nur begannen diese in den zentralen Regionen Europas bereits langsam zu verschwinden und ihren Platz den freien, individuellen Paartänzen zu überlassen, die eine Ausdrucksform der Liebeslyrik waren.


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