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LEBENSWEISE

FELDWIRTSCHAFT
BESCHÄFTIGUNG
SCHULWESEN
ALLTAGSLEBEN



FELDWIRTSCHAFT

In Ungarn fanden im Spätmittelalter drei Hauptsysteme der Bewirtschaftung Anwendung. Am weitesten entwickelt war die Dreifelderwirtschaft, die sich im 14. Jahrhundert in Transdanubien, einzelnen Gegenden des Oberlandes und an der Peripherie der Großen Ungarischen Tiefebene herausbildete. Hier übertraf der Ackerbau die Tierzucht an Bedeutung, und die Tierhaltung erfolgte in Ställen. Geregelte Feldwirtschaft, das System der gleichzeitigen Tierhaltung und des Ackerbaus, wurde in erster Linie in der Tiefebene betrieben. Die Tiere hielt man hier größtenteils im Freien. Unter ständiger Bewirtschaftung standen die gedüngten sog. Torunokfelder im Oberland und in den bewaldeten Gebieten Transdanubiens. Zweifelderwirtschaft wurde vermutlich nicht angewandt.

Bei der Dreifelderwirtschaft sähte man auf den in der Dorfgemarkung befindlichen Fluren im Jahreswechsel Winter- bzw. Sommergetreide aus, und der dritte Teil ruhte. Diesen nennt man Brachfeld. Im Rahmen der geregelten Feldwirtschaft wurden die für Ackerbau und Viehzucht genutzten Gebiete im regelmäßigen Rhythmus aller 2-5 Jahre gewechselt. Das als Weide dienende Feld bezeichnet man als Lehde oder Grasland. Die Torunokfelder grenzten unmittelbar an den Garten. Von der Dorfgemarkung nahmen sie nur einen bestimmten Teil ein, auf dem Rest betrieb man im allgemeinen Dreifelderwirtschaft.

Getreidepflanzen wurden, je nach Klima, überall angebaut. Die Gärten entsprachen praktisch Kräutergärten, Obstgärten waren selten. Der Wald, die Fischteiche und Weingärten gehörten nicht zum Grundstück, wobei Wald und Fischteiche in gemeinsamer Nutzung des ganzen Dorfes standen. Weinpflanzungen stufte man wegen des großen Arbeitsaufwandes als Rodungsfelder ein. Diese wurden abweichend von den Äckern besteuert, und für Leibeigene galten im Hinblick auf sie freiere Rechtsformen. Diese Weinpflanzungen lagen auf sog. Bergen. Die dort erbauten Gebäude zur Verarbeitung und Lagerung waren im größeren Teil des Landes unbekannt, höchstens das Pressen der Trauben geschah am Weinberg. Alle übrigen Arbeiten verrichtete man in den Stadt- oder Dorfhäusern, und hier wurde der Wein auch gelagert.

Die im südlichen Landesteil, in Siebenbürgen und in den Ostkarpaten, mit dem walachischen Recht lebenden Rumänen und Ruthenen betrieben in den Bergen ihre eigene Wandertierhaltung, und zwar vorwiegend mit Schafen und Ziegen. Dementsprechend entrichteten sie auch die Schafsteuer (und zwar den fünfzigsten Teil).

BESCHÄFTIGUNG

Eine Trennung der verschiedenen Beschäftigungszweige erfolgte in Ungarn schon zu Beginn der Arpadenzeit. Landwirtschaftliche und handwerkliche Tätigkeit, denen man auf dem Lande ebenso nachging wie in den Städten, hatten sich zwar im Grunde voneinander gelöst, und doch war die landwirtschaftliche Produktion für die Städte des 15.-16. Jahrhunderts noch immer kennzeichnend. Innerhalb dessen wurden hauptsächlich Wein und Getreide angebaut, man betrieb aber auch Tierhaltung. Die größeren Städte (Buda [Ofen], Fehérvár [Weißenburg], Esztergom [Gran], Veszprém) umgab ein ganzer Kranz von Siedlungen.

Die Keime der ersten Zünfte enfalteten sich in Ungarn Ende des 13. Jahrhunderts, die meisten Zünfte wurden jedoch erst im ausgehenden 14. Jahrhundert gegründet. Hinweise auf die Beschäftigungen der Menschen des Mittelalters haben uns die Namen von Straßen oder Stadtteilen, die Familiennamen und andere urkundliche Denkmäler überliefert. Zeitgenössische Urkunden erwähnen in Kaschau und der Ödenburger Vorstadt eine Schmiedegasse, in Buda eine Goldschmiede- und Tuchscherergasse, in Fehérvár eine Schwertfeger- und Semmelbäckergasse. Eine Straße hatten beispielsweise in Bartfeld die Töpfer, in Kaschau die Gerber und Stellmacher, in Buda die Radmacher, Weber und Walker, und in Preßburg die Schlosser und Messerschmiede.

In den städtischen Dokumenten sind die Namen verschiedener Handwerksmeister und ihre Beschäftigungen festgehalten. Im mittelalterlichen Fehérvár arbeiteten z.B. Müller, Metzger, Fleischer, Fischer, Vogelsteller, Hirten, Bademeister, Anstreicher, Krämer, Scherer, Drechsler, Weber und Schneider. Aus späteren Quellen erfährt man dann vom Waffenschmied, Schlosser, Sattler, Tuchmacher, Kupferstecher und Schuhmacher. In Sopron waren Messerschmiede, Schwertfeger, Schmiede, Kaufleute, Metzger, Goldschmiede, Münzschläger, Kannegießer, Bogenmacher, Schlosser, Kupferstecher, Drechsler und Rosenkranzhersteller tätig. Aus Buda wissen wir von Goldschmieden, Tuchmachern, Scherern, Münzschlägern, Bogenmachern, Messerschmieden, Schneidern, Sporenmachern und Kannegießern, weiters von Bäckern, Bierbrauern, Müllern, Fischern, Schustern, Zimmerleuten, Steinmetzen, Anstreichern und Böttchern.

Die Vertreter einzelner Gewerke übten ihre Tätigkeit im allgemeinen in bestimmten Teilen der mittelalterlichen Städte aus. Das beweisen die nach Berufen benannten Straßen. Manche Handwerker (z.B. Schmiede, Töpfer, Gerber, Stell- und Radmacher, Weber, Walker) durften sich wegen der Feuergefahr oder des großen Platz- bzw. Wasserbedarfes nur in den Vorstädten niederlassen. Mittelalterliche Handwerksbetriebe waren - wiewohl es schon Zünfte gab - relativ klein, und auch technisch entwickelten sie sich langsam.

Laut Zeugnis der Steuerregister dürften etwa 20-25% der Bewohner unserer mittelalterlichen Städte Gewerbetreibende gewesen sein. In den größeren westeuropäischen Städten lag dieser Anteil mitunter schon bei 50-70%. Am wichtigsten waren die Zweige des Bekleidungsgewerbes (Kürschner, Schneider, Schuhmacher), aber auch die Metall- und Rüstungsgewerbe spielten eine wesentliche Rolle. Eines der bekanntesten war das Luxusansprüchen dienende Goldschmiedehandwerk. Unter den Vertretern dieser Zünfte findet man die Kupferstecher, die Gold- und Silberschmiede, die Münzstecher, ja sogar die Bildermaler. Viele der Zunftmitglieder befaßten sich auch mit Geldumtausch, ja überhaupt mit Geldgeschäften. Anfang des 15. Jahrhunderts waren mehrere Geschworene und sogar der Richter der Stadt Tirnau, ebenso wie der Richter von Buda, Goldschmiedemeister.

Das erste Zentrum des Goldschmiedehandwerks wurde Buda, konnte man hier infolge der Anhäufung sakraler und profaner Schätze doch mit den meisten reichen Auftraggebern rechnen. Später erwarben sich auch die Goldschmiede von Kaschau, Klausenburg, Hermannstadt, Kronstadt und anderen Städten einen landesweiten Ruf. Die in Ungarn weiterentwickelte sog. Drahtemailtechnik verbreitete sich überall im Land. Mit ihrer Hilfe verzierte man die verschiedensten Gegenstände, insbesondere jedoch die Kelche mit reichem Motivschatz.

Aufgrund archäologischer und stadtgeschichtlicher Angaben konnte festgestellt werden, daß in Buda in der Gasse der Goldschmiede, in der Tuchmachergasse, in der Italienergasse, im Gebiet des Samstagsmarktes, in der Gasse gegenüber der Nordseite der Liebfrauenkirche, neben dem Franziskanerkloster St. Johannes und in der Nähe der St. Georgskirche Goldschmiede gewohnt haben. In den Städten Sopron und Székesfehérvár kam an mehreren Punkten Fundmaterial zum Vorschein, das auf die Tätigkeit der Goldschmiede deutet.

Herrliche Beispiele für das mittelalterliche Bronzehandwerk sind die im 15.-16. Jahrhundert hergestellten Taufbecken und Kirchenglocken. In der Stadt Igló (Neudorf, Spisska Nova Ves, Burgkomitat Szepes, heute Slowakei) war damals eine der berühmtesten Glockengießerwerkstätten tätig. Ihr Begründer Konrad Gaal hatte 1357 im Auftrag von König Ludwig I. die große Visegráder Glocke gegossen. Über das Schaffen der Werkstatt in Neudorf liegen bis zum Jahr 1516 Angaben vor. Fast sämtliche zeitgenössischen Glocken und Taufbecken des Zipserlandes wurden hier hergestellt. Zu unseren schönsten mittelalterlichen Denkmälern gehören die Taufbecken von Gyöngyös, Bartfeld, Kleinschelken und Kronstadt.

Eines des typischsten Gewerbe des Mittelalters war die Zinngießerei. Wie sich im Rahmen der jüngsten Forschungen herausgestellt hat, gab es im 15. Jahrhundert in Sopron acht Zinngießereien. Diese Werkstätten stellten verschiedene Zinngefäße (Kannen, Krüge, Schüsseln, Schalen, Teller, Flaschen, Waschgelegenheiten), Kerzenhalter und sogar Gewehrkugeln her.

In nahezu allen wichtigeren Städten Ungarns konnte man auch Messerschmieden begegnen, den wenigen schriftlichen Angaben zufolge in Kaschau, Leutschau, Hermannstadt, Preßburg, Sopron und natürlich in Buda. Ungeachtet dieser Tatsache waren - wie archäologische Beobachtungen zeigen - die von österreichischen und Nürnberger Meistern gefertigten Eisenmesser guter Qualität sehr weit verbreitet. Diese mittelalterlichen Messer hatten meist eine lange, dünne Klinge und ähnelten etwa den heutigen Speckmessern. Ihr Heft wurde aus Bein oder Holz gefertigt. Ihren Herstellungsort und den Markenschutz machte man durch das Meisterzeichen kenntlich.

Immer mehr Menschen konnten es sich in diesem Zeitalter leisten, schöne Glasbecher oder -flaschen zu erwerben, und sich mit Fensterglas - das übrigens sehr teuer war - gegen die kalte und stürmische Witterung zu schützen. Die Fenster der Gebäude, hauptsächlich der Kirchen, bestanden aus in Bleischienen gefaßten, genabelten Feldern und aus formgeschnittenen, handtellergroßen Glasstücken.

In Schemnitz und im nahe bei Kremnitz gelegenen Szkleno wurden sicherlich bereits im 14. Jahrhundert Glashütten betrieben, wo man Flaschen, Näpfe und Schüsseln herstellte. Man darf jedoch annehmen, daß es im 15. Jahrhundert dann schon an mehreren Orten Glashütten gab, und zwar in erster Linie in den waldreichen Bergbaugebieten im Oberland, in Siebenbürgen sowie anderswo. In der Nähe von Diósjenõ, im Komitat Nógrád, gelang es sogar, die Reste einer solchen Hütte freizulegen.

Eine aus dem Jahr 1419 datierende Quelle erwähnt den Budaer Bürger Antal Olasz, welcher sich mit Glaserzeugung beschäftigte. Doch offenbar betrieben dieses Gewerbe auch noch andere. Ihrer Kunstfertigkeit verdanken wir die herrlichen Glasgefäße (Kannen, Krüge, Flaschen, Becher, Pokale), die im Laufe des 15.-16. Jahrhunderts entstanden.

Eines der charakteristischen zeitgenössischen Gefäße, die ursprünglich aus dem Orient stammende Flaschenform - mit rundlichem Bauch, langgezogenem Hals und breiter, trichterförmiger Mündung - wurde in Deutschland bereits im 15. Jahrhundert und bei uns gewiß Anfang des 16. Jahrhunderts erstmals hergestellt. Man verwendete sie während der Messe bzw. zur Aufbewahrung des bei den liturgischen Handlungen notwendigen Öls. In Siebenbürgen trank man daraus auch "Amarillenwein". Bekannt sind Varianten mit einem und doppeltem bzw. gedrehtem Hals.

Daneben importierte das mittelalterliche Ungarn bedeutende Mengen der feinen venezianischen Glaswaren. Gerade die schöngeformten und feingearbeiteten Pokale bzw. Fußbecher waren zum Großteil venezianische Arbeiten. Allgemeiner Beliebtheit erfreuten sich die Becher, auf deren Formenvielfalt auch ihre italienische Bezeichnung hinweist ("incostatis", "de mucolis incostatis = variabel).

Häufigstes Fundmaterial der zeitgenössischen archäologischen Freilegungen aber sind die von den Töpfern gefertigten Keramikerzeugnisse bzw. deren Fragmente. Schon um das 14.-15. Jahrhundert herum begegnet man den Familiennamen Cherep und Cherepes (= Ziegel, Ziegler). Urkunden aus den Jahren 1438 bzw. 1504 haben die Namen Mihály Fazekgyartho (Michael Topfmacher) und Gallus Fazekhgyartho überliefert. Mittelalterlichen Ursprungs sind darüber hinaus die Familiennamen Fazekas und Gerencsér (Töpfer), Korsós (Krüger), Téglás und Téglaégetõ (Ziegler, Ziegelbrenner) sowie deren verschiedene Variationen. Einer der in Buda lebenden Ziegelschläger trug den vielsagenden Namen Ziegelfuser.

Beredte Zeugnisse des Töpferhandwerks - und ebenfalls mittelalterlichen Ursprungs - sind auch Ortsnamen wie Agyagosbérc, Agyagpáva, Agyagtelök und Agyagszó (agyag=Ton). Die Töpfer des 15.-16. Jahrhunderts formten ihre Gefäße bereits auf schnell rotierenden, mit dem Fuß betriebenen Töpferscheiben. Zu den weitestverbreiteten Keramikarten gehörten die für Kachelöfen benötigten Ofenkacheln. Beliebt waren die zwiebelförmige, die becherförmige und die an der Öffnung quadratisch geformte Ofenkachel. Im behandelten Zeitraum hatte der ausgebrannte Ton zumeist eine rote, weiße oder graue Farbe.

In besonders mannigfaltiger Form kamen gelb und grün glasierte Ofenkacheln vor, die man mit Darstellungen von Bauten (Burg), Gebäudeteilen (nachgeahmte Maßwerkfenster), sakralen Gegenständen, Wappen, Wappentieren, mit Pflanzenornamentik, Menschen des Zeitalters (Frauenkopf, Ritter) sowie mit Märchen- und Fabelwesen schmückte.

Berühmt war im 15. Jahrhundert die in Nyék tätige Hofwerkstatt, an deren Kachelofen das Wappen König Sigismunds, sein Palast und prachtvolle Maßwerkkacheln zu sehen sind. Ein um 1469-1473 entstandener, die "Drei Könige" darstellender Ofen ist das Werk eines Hafnermeisters, den man vielleicht zu den besten Fachleuten im zeitgenössischen Europa zählen darf. Auf welch hohem künstlerischen Niveau die Meister dieses Zeitalters gearbeitet haben, beweist neben der Rekonstruktion eines Kachelofens vom ersten Drittel des 15. Jahrhunderts auch der weithin berühmte Ofen mit Rittergestalten (1554-1557).

Die für die Goldschmiede hergestellten Gußtiegel und die von den Schnapsbrennern benötigten Destilliergefäße sind typische zeitgenössische Erzeugnisse. In der Küche fanden am häufigsten die verschiedenen weißen, grauen und roten Deckel, die außen mit Rippen verzierten Töpfe aus ähnlichem Material sowie die mit drei Füßen und einem Stiel versehenen Fußgefäße Verwendung. Verbreitet war auch der graue, mit Graphit gemagerte österreichische Importtopf mit Randstempel. Zu den feiner gearbeiteten Gefäßen gehören dünnwandige, weiße Fußbecher mit eingeritztem Linien- oder Rippendekor und weiße, gelbe oder rote Krüge und Kannen. Die kleinen rötlichen, grauen und gelben Töpfchen hatten oft auch einen Henkel. Unter den in der Budaer Burg geborgenen Prunkgefäßen fand man Becher bzw. Trinkschalen mit Stempelmuster und Bemalung sowie eine relativ große Menge Steingut aus Deutschland und Böhmen.

Ein wichtiges Element des mittelalterlichen Alltagslebens war die Nutzung der Wasserkraft. Das Wasser wurde mit Hilfe unterschiedlich konstruierter Hebevorrichtungen in die höher gelegenen Burgen (Esztergom) oder Gebäude (Fehérvár) befördert. Mittels Wasserkraft angetriebene Maschinen standen den Bergleuten zur Verfügung, mit ihnen setzte man Industrieanlagen in Bewegung. Dennoch waren im Mittelalter die Mühlen die vielleicht häufigsten Nutzer der Wasserkraft. Man fand sie überall am Ufer von Bächen oder Flüssen, und nicht selten schwammen auf den Gewässern auch Schiffsmühlen. Im 15.-16. Jahrhundert gab es beinahe in jeder größeren Stadt mehrere Mühlen (Asszonypataka, Bakabánya, Bistritz, Buda, Esztergom, Fehérvár, Neudorf, Kaschau usw.). Das Getreide wurde mittels Wasserkraft, mit großen Mühlsteinen gemahlen. Doch zum Handmahlen verwendete man auch kleinere Mahlsteine.

Das Bäckerhandwerk war zu dieser Zeit in fast jeder Stadt vertreten. Wegen ihrer feuergefährlichen Tätigkeit wies man den Bäckern nach Möglichkeit einen Platz im Gebiet der Vorstädte zu. Außer ihnen spielten die Dorfbäcker eine wichtige Rolle, aber wir wissen auch von wandernden Bäckermeistern, die sich einen runden, transportierbaren Backofen anschafften. Brot wurde im allgemeinen noch ohne Sauerteig gebacken. Im Ofner Stadtrecht werden im 15. Jahrhundert zwar Semmeln und feines (Weiß-) Brot erwähnt, ärmere Leute mußten sich jedoch mit Schwarzbrot begnügen. Die Backwaren wurden ebenfalls auf den Märkten angeboten: In Buda und Preßburg hatten die Bäcker ihre Ware mit römischen Ziffern zu kennzeichnen. Den Familiennamen "Pereces" (soviel wie Brezelbäcker) findet man in Urkunden aus der Zeit nach 1424, und auch der deutschstämmige Familienname "Pék" (Bäcker) verbreitete sich im 15.-16. Jahrhundert. Aus einer Urkunde von 1484 ist die Semmelbäckergasse in Fehérvár bekannt. Eine Angabe von 1487 erwähnt in Buda sowohl den Semmelbäckermeister János Babocsai als auch dessen Kollgen Gáspár Zsemlesütõ, der 1503 städtischer Geschworener wurde.

In nahezu jeder unserer mittelalterlichen Städte arbeiteten mehrere Metzger. Ihre Tätigkeit beschränkte sich nicht ausschließlich auf die eines Fleischers im heutigen Sinne, denn in ihrer Hand lag auch der Absatz des für damalige Begriffe beträchtlichen Rinderbestandes im Ausland, d.h. der Rinderhandel. Die Metzgerinnungen gehörten jeweils zu den reichsten einer Stadt. Dank ihrer Körperkraft achteten die Metzger auf Ordnung in den Städten, und da sie ständig unterwegs waren, leisteten sie häufig auch Postbotendienste. So ist es nur verständlich, daß die Debrecener Metzger in den Jahren 1478 und 1512 Postprivilegien erhielten. Im mittelalterlichen Fehérvár lag der Fleischmarkt im Gebiet des Vicus Teutonicalis (Deutsche Gasse). Aber auch auf dem Marktplatz gab es Schlachtbänke, und ein Teil wurde sogar in der Nachbarschaft von Bürgerhäusern eingerichtet.

SCHULWESEN

Die Grundschulbildung wurde von den Kapitel-, Stadt- oder Parochialschulen vermittelt. Über solche Schulen berichten zahlreiche Angaben aus den verschiedensten Teilen des Landes, aus Städten, Marktflecken und Dörfern. Man darf also sicher sein, daß es in Ungarn in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein relativ gleichmäßig verteiltes Schulnetz gab. Allerdings dürften die qualitativen Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen beträchtlich gewesen sein. In den Schulen der Dörfer bzw. Marktflecken unterrichtete meist entweder der Pfarrer oder ein Lehrer (mit dem Titel "magister ludi" oder "rector scolae"), der selbst nur eine solche Schule absolviert hatte, in der er später tätig war.

Eine wesentlich höhere Bildung boten die Kapitelschulen, wo die Bibliothek des Kapitels für den entsprechenden geistigen Hintergrund sorgte. Diese Schulen besuchten in erster Linie Schüler, welche sich auf die Priesterlaufbahn vorbereiteten. Aber auch die Zahl jener Schüler, die nicht Kleriker werden wollten, wuchs ständig. In einigen Städten unterhielten Kapitel und Stadt eine gemeinsame Schule. In der Unterstufe eigneten sich die jüngeren Schüler das Lesen, das Schreiben, den lateinischen Elementarwortschatz sowie die Grundlagen der lateinischen Grammatik an. Sie wurden von Hilfslehrern unterwiesen, die man unter den älteren Schülern mit den besten Lernergebnissen auswählte.

Um Latein zu erlernen, büffelten sie in dem damals am häufigsten benützten Lehrbuch, der lateinischen Grammatik des Donatus. Dieser Band enthielt in Form von Fragen und Antworten die wichtigsten lateinischen Grammatikregeln. Anhand der im Buch befindlichen Beispiele mußten sie die Beugung der einzelnen Wörter üben. Daneben hatten die Schüler jeden Tag Gesangsunterricht und lernten die zum Ausrechnen der jeweiligen Festtage erforderlichen Kalenderverse. Nach Versetzung in die Mittelstufe eigneten sie sich das wissenschaftliche System bzw. die Logik der lateinischen Grammatik und vor allem gründliche lateinische Sprachkenntnisse an.

Wer nach mehrjährigem Lernen die Oberstufe der Schule erreichte, konnte sich bereits individuell weiterbilden. Auch die Schülergruppen organisierten sich nach individuellen Gesichtspunkten, und daneben wurden die größeren Schüler für den Unterricht der Kleinen herangezogen. Unterrichtsmethode und Lehrstoff waren in den größeren Stadtschulen ähnlich wie in den Kapitelschulen, ein Unterschied zeigte sich höchstens in den Proportionen: In Stadtschulen erlangte man mehr weltlich geprägte Kenntnisse. Ein anschauliches Bild davon, was ein begabter Schüler der Oberstufe alles lernen konnte, vermittelt der sog. Szalkai-Kodex, eine Sammlung der erhalten gebliebenen Schulhefte des späteren Erzbischofs von Esztergom, László Szalkai. Szalkai entstammte einer in Mátészalka ansässigen Handwerkerfamilie und gerade sein Wissen war es, das ihm später den erzbischöflichen Stuhl einbrachte.

Als der 14-16jährige Szalkai diese Hefte schrieb, besuchte er die städtische Schule in Sárospatak und konnte bereits gut Latein. Auch seine Schriftzüge künden von einer geübten Hand. In sechs Hefte übertrug und notierte er den Lehrstoff der Oberstufe: Im ersten Kalenderrechnung, Sternkunde und hygienische Kenntnisse, im zweiten Musiktheorie, das dritte enthält juristische Erläuterungen zu Familien- bzw. Verwandtschaftsbeziehungen, das vierte und fünfte seine Literaturstudien. Im sechsten Heft schließlich kann man den wichtigsten und zugleich umfangreichsten Lehrstoff über das Formulieren von Briefen lesen. Als Marginalien neben dem Haupttext hielt er auch die mündlichen Erläuterungen des Schulrektors fest.

Der Abschluß einer Kapitel- oder Stadtschule genügte bereits für eine Anstellung als Schulmeister oder Schreiber. Zur Aneignung des im Alltagsleben gebräuchlichen Gewohnheitsrechts mußte man nicht die Universität besuchen. Dieses Wissen konnte in der Praxis, in erster Linie in der königlichen Kanzlei bzw. bei der Kurie, erworben werden. Ein Schreiber, der das Latein gut beherrschte, eignete sich im Laufe seiner täglichen Arbeit und mit Hilfe erfahrenerer Notare alle Kenntnisse an, die ihm dann entweder an Ort und Stelle oder an einem authentische Tätigkeit ausübenden Ort bzw. im Dienste eines Barons oder einer Stadt zu einem Brotwerwerb verhalfen. Zur praktischen Juristenausbildung dienten auch die sog. Formularien, d.h. Sammlungen von Schriftsatzmustern, die man aus typischen Urkunden zusammenstellte.

Wer dennoch nach höherer Bildung strebte, kam - einige Jahrzehnte ausgenommen - nicht umhin, ins Ausland zu reisen. Die meisten Ungarn gingen ins nahe Wien oder an die Universität nach Krakau. Doch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zog es immer mehr ungarische Studenten auch an italienische Universitäten - in erster Linie nach Padua und Bologna. Laut Matrikel und anderen Dokumenten der Krakauer Universität gab es hier zwischen 1400 und 1536 etwa 3000 immatrikulierte Studenten aus Ungarn. Um für ihre Unterkunft zu sorgen, gründete ein polnischer Edelmann namens Nikolai Bielonski 1452 eigens eine Herberge. Die Studenten der Wiener Universität wies man vier Nationen zu. Eine davon war die ungarische Nation, in der sich auch alle anderen Studenten aus Osteuropa einschrieben.

Die Mehrzahl der Studenten besuchte die Universitäten - wegen der hohen Kosten - nur einige Jahre, ohne das Studium zu beenden. Im allgemeinen absolvierte man lediglich die Fakultät für Geisteswissenschaften, um sich durch Aneignen von Kenntnissen in den sog. "sieben freien Künsten" Grundwissen für weitere Studien zu erwerben. Nach vier Semestern (zwei Jahren) konnte man den Grad eines "Baccalaureus", nach weiteren zwei Jahren den eines "Artium magister" erlangen, und erst danach stand der Weg für das Studium der Rechte, Theologie oder Medizin offen. Ungarische Studenten belegten hauptsächlichen die juristischen Fächer - das hier erworbene Wissen kam ihnen vor allem in der Diplomatie und an den Kirchengerichten zugute.

Anfang des Jahres 1465 ersuchte König Matthias Papst Paul II., in einer dafür geeigneten ungarischen Stadt die Gründung einer Universität zu genehmigen. Seine Gesandten begründeten das Gesuch damit, daß infolge der großen Entfernungen nicht jeder begabte junge Ungarn an eine ausländische Universität gelangen könne. Am 18. Juli 1467 unterrichtete János Vitéz, Erzbischof von Esztergom, die Preßburger Behörden brieflich, daß man nach dem Willen König Matthias' und mit Billigung des Papstes in ihrer Stadt eine Universität gründen werde. Die unter dem Namen Academia Istropolitana bekannte Preßburger Universität war der dritte Versuch einer Universitätsgründung in Ungarn: Unter der Herrschaft Ludwigs I. hatte in Pécs und zur Zeit König Sigismunds in Óbuda eine Universität ihre Pforten geöffnet, doch beide mußten nach einigen Jahren wieder geschlossen werden.

Auch der Preßburger Universität erging es nicht besser als ihren Vorgängerinnen: Im Jahr 1467 nahm man zwar den Lehrbetrieb auf, und zu ihren ersten Professoren gehörten so namhafte humanistische Wissenschaftler des Zeitalters wie der berühmte deutsche Astronom und Mathematiker Johannes Regiomontanus. Dennoch bestand sie nur wenige Jahre. Was ihr Schicksal besiegelte, war vermutlich der Umstand, daß der Begründer und zugleich erste Universitätskanzler, Erzbischof János Vitéz, 1471 eine Verschwörung gegen den König anzettelte. Der Sturz des Erzbischofs riß schließlich auch die noch instabile Universität mit in den Abgrund. Matthias unterstützte in der Folgezeit eher die Studium generale genannte Budaer Hochschule der Dominikaner. Sie in eine Universität umzuwandeln, ist ihm indessen nicht gelungen.

ALLTAGSLEBEN

Feiertag und Alltag

Den Alltag der Menschen regelten geschriebene und ungeschriebene Gesetze. Im herkömmlichen System des mittelalterlichen ungarischen Rechts gebührte der Vortritt dem ungeschriebenen sog. Gewohnheitsrecht, und erst an zweiter Stelle stand das Gesetz. Zu Beginn der 1500er Jahre legte der beim Landesrichter tätige István Werbõczy das ungarische Gewohnheitsrecht schriftlich nieder. Sein Tripartitum erschien 1517 erstmals im Druck. Neben den landesweit geltenden Rechtsquellen gab es noch Stadt- bzw. Komitatsstatuten. Sie durften nur die Rechtsverhältnisse der jeweiligen Gemeinschaft regeln, innerhalb dieser jedoch nahezu jede nur denkbare Lebenssituation.

Im bedeutendsten ungarländischen Stadtstatut, dem sog. Ofner Stadtrecht, gab es zum Marktrecht ebenso detaillierte Regelungen wie zur Art und Weise der Stadtverwaltung. Auch Bestimmungen über das Begehen der Feiertage enthielt das Stadtrecht: An Sonn- und Feiertagen ruhte die Gerichtsbarkeit, die Läden hatten geschlossen, die Weinschenken durften erst nach dem Hochamt öffnen. Wer an Festtagen Feldarbeit verrichtete, mußte eine Mark Strafe zahlen. Die Ofner Bürger richteten sich in ihrem Stadtrecht nach den Vorschriften der Kirche. An festgesetzten Feiertagen galt es für die Gläubigen, zwei Pflichten nachzukommen, nämlich die Messe zu besuchen und die Hände von jeglicher Dienstarbeit zu lassen.

Über den Kreis der Feste entschieden im allgemeinen die Konzile der Kirchendistrikte. Das Esztergomer Konzil von 1493 und das Veszprémer Konzil von 1515 beraumten insgesamt mehr als 50 Festtage an (dazu kamen noch die Sonntage). Tatsächlich wurden jedoch stets weniger Feste begangen, als von den Konzilen vorgeschrieben waren. Das Weihnachtsfest, Ostern sowie das Fest des Schutzheiligen der Kirche gehörten überall zu den herausragenden Feiertagen. Als bedeutendes Ereignis des Kirchenjahres zählte auch die Prozession am Tage des Herrn, an der meist auch der König mit seinem Hof teilnahm.

Das Verhältnis der Menschen zur vergehenden Zeit war von Unsicherheit und Ungenauigkeit geprägt. Die Jahre versuchte man anhand irgendeines wichtigeren Ereignisses - z.B. Krieg, Thronbesteigung oder Tod des Königs - zu identifizieren, die Tage bezog man auf die einander folgenden Feste. Der im Mittelalter gebräuchliche ungarische Name der Monate ergab sich aus dem Namen des jeweils bedeutendsten Feiertages, der in diesen Monat fiel (Monat des hl. Jakob, Monat des hl. Michael usw.). Auch die Abgabetage für landwirtschaftliche Erzeugnisse oder die Gerichtstermine waren an Kirchenfeste gebunden.

Die Veränderung des Zeitbildes begann mit einer zum exakten Messen der Tageszeit dienenden Erfindung, dem Erscheinen der Uhr. Bevor man Uhren benützte, zeigte nur der Sonnestand an, wie die Zeit vergeht. Zum "Messen" aber dienten die den Tag und die Nacht gleichmäßig in jeweils 12 Stunden einteilenden sog. kanonischen Stunden bzw. Gebetsstunden (deshalb die unterschiedliche Zeitdauer im Sommer und Winter). In Ungarn erschien die Uhr mit Radwerk Ende des 14. Jahrhunderts. Turmuhren schlugen die Zeit Ende des 15.-Anfang des 16. Jahrhunderts in Neusohl, Preßburg, Sopron (Ödenburg), Kaschau, Bartfeld und Hermannstadt, weiters am Dom zu Wardein und Eger (Erlau) sowie am Esztergomer Erzbischofspalast. Und vermutlich - wenn auch in den Quellen nicht erwähnt - stand die Uhr neben der Budaer Maria Magdalenenkirche damals ebenfalls schon.

Tracht

Von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an stehen uns bereits wesentlich mehr Schriftquellen mit Angaben zur Trachtengeschichte oder zeitgenössische Darstellungen als über den früheren Zeitraum zur Verfügung. Sogar einige Originalkleidungsstücke blieben erhalten. Allerdings ist die Identifizierung der in den Quellen erwähnten Sachen bzw. die Verwendbarkeit der Darstellungen in vielen Fällen zweifelhaft. Die Duplizität in den ungarländischen Bekleidungsgewohnheiten - das Nebeneinander von westlicher und östlicher Kleidung - änderte sich zwar, blieb aber auch in diesem Zeitalter noch typisch. Die früher eindeutig orientalische - in erster Linie kumanische - Tracht wurde von einer anderen abgelöst, die insbesondere zeitgenössische ausländische Quellen als ungarische bezeichneten.

Die detailliertesten Beschreibungen entstanden anläßlich der verschiedenen königlichen Feierlichkeiten - Hochzeiten, Friedensschlüsse, Königstreffen. Augenzeugen oder Gesandte fertigten Niederschriften und Berichte über Matthias' Hochzeit im Jahr 1476, über die Königstreffen von Olmütz und Iglau, über den Einzug in Wien und Wienerneustadt oder über die Hochzeit Wladislaws II. mit Anna Candale an. In diesen Niederschriften schilderten sie die prächtige, aus teuren Stoffen genähte, reichverzierte Kleidung, den wertvollen Schmuck, die Waffen des Königs und seiner zahlreichen Begleiter sowie das prunkvolle Geschirr der Pferde in allen Einzelheiten.

Im Dezember 1476 erwartete Matthias seine Braut an der Gemarkungsgrenze von Fehérvár in einem kurzen, perlenbesetzten Rock und einem perlenbestickten Mantel, zu ihrem feierlichen Einzug in Buda trug er einen edelsteinbesetzten Umhang, und beim Hochzeitsmahl bedeckte seine Schultern ein gelber, mit Zobelpelz gefütterter Atlasmantel. Beatrix erschien zur Krönung in Székesfehérvár in einem Kleid nach italienischer Mode aus rotem Goldbrokat. Für ihren Einzug in Buda wählte sie ein blaues Kleid und einen vergoldeten Mantel, und zum Hochzeitsmahl trug sie ein rotes, golddurchwirktes Kleid mit Zobelbesatz. Dem festlichen Anlaß gemäß hatten sich auch die ungarischen Herren gekleidet. Das Gewand Miklós Újlakis beispielsweise war mit Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen übersäht.

Wie es von Matthias heißt, legte er auch großen Wert auf die Kleidung seines Hofstaates. In Fehérvár traf er, dem Breslauer Gesandten zufolge, an der Spitze von dreitausend Reitern ein. Seine Edelknaben trugen gelbe, graue, grüne und braune Samtgewänder. Mit sichtlicher Bewunderung schildert der Gesandte aus Ferrara, Cesare Valentini, in seinem Bericht über das Königstreffen von Iglau (1486) die Kleidung und Waffen der ungarischen Herren sowie ihres Gefolges. Ebenso wichtig war Matthias die Bekleidung seiner Soldaten. Deshalb sorgte er nicht nur für ihre Bewaffung und Rüstungen, sondern auch für die entsprechende Anzahl Pelzmützen und Handschuhe.

Männertracht

Besonders wertvoll sind jene Beschreibungen, welche die Unterscheidungsmerkmale der ungarischen von der europäischen Kleidung hervorheben. Wie die Quellen zeigen, hatte sich in Ungarn im 15. Jahrhundert eine Tracht eingebürgert, die in den Augen ausländischer Zeitgenossen spezifische Merkmale trug. Bereits von Pipo von Ozora, dem berühmten Heerführer König Sigismunds, wurde aufgezeichnet, daß er sich trotz seiner italienischen Abstammung nach ungarischem Geschmack kleidete: Er trug einen langen Bart, schulterlanges Haar, und sein Gewand reichte "dem Brauch jenes Volkes gemäß" bis zur Erde. Auch der Budaer Gesandte des Herzogs von Mailand empfahl diesem, seine Abgesandten mögen lange Gewänder tragen, da man die nach italienisch-burgundischer Mode geschnittenen kurzen Röcke an Matthias' Hofe nicht gern sähe.

Die ungarische Männertracht des 15. Jahrhunderts bestand aus einem Hemd und einer Hose, dem darüber getragenen Dolman (Rock), über den man noch einen Umhang oder Mantel legte. Bei festlichen Anlässen diente als Oberkleid das aus teuren Stoffen gefertigte lange Gewand, das auch Pipo von Ozora bevorzugte. Noch prägnanter wurde diese Kleidung durch die ungarische Haartracht und die Mütze. Die Hose war im allgemeinen einfach - höchstens ihre Farbe mag auffällig gewesen sein - und größtenteils vom Dolman verdeckt. Nach Beschreibungen des Esztergomer Erzbischofs Hippolit d'Este und des Bischofs von Eger war das ungarische Hemd lang, am Halsausschnitt gefaltet, und der Halsausschnitt, der Hemdlatz sowie die Enden der Ärmel wurden - laut Zeugnis der Schriftquellen bzw. Abbildungen - bestickt.

Den über dem Hemd getragenen Dolman schneiderte man für Vornehme häufig aus Seide oder Samt und besetzte ihn mit Pelz. Doch in weniger anspruchsvoller Ausführung wurde er von allen Schichten der Gesellschaft getragen. Im allgemeinen reichte er bis zum Knie. Wie allerdings aus den Aufzeichnungen Cesare Valentinis hervorgeht, zogen die ungarischen Herren zum Reiten ein kurzes Oberkleid, d.h. einen Dolman, an. Über den Mantel berichten nur wenige, über den Umhang dafür umso mehr zeitgenössische Quellen. Auch König Matthias trug an einem Tag der zu seiner Hochzeit veranstalteten Feierlichkeiten einen prächtigen Mantel um die Schultern.

Das universellste ungarische Kleidungsstück aber war der in den Quellen auch "Turca" genannte Umhang. Ihn trug vom König bis zum Hirten jeder Ungar. Unterschiede gab es lediglich im Hinblick auf sein Material oder seine Verarbeitung. Die ungarische Ausführung war ein am Hals geschlossener, pelzgefütterter, langer, umhangartiger Überwurf vorn mit Knöpfen. König und Adlige ließen ihn aus Brokat oder Seide schneidern und mit Hermelin oder Zobel füttern. Die königlichen Kammerherren trugen Umhänge aus Marder-, die Türsteher aus Schaffellen, und sogar der Ochsenhirte des Esztergomer Erzbischofs bekam - wie das Rechnungsbuch von Hippolit d'Este belegt - einen Schaffellumhang.

Zur Kleidung gehörten weiters die verschiedensten Mützen, Hauben oder Hüte, die ihren typisch ungarischen Charakter durch den bestickten oder Pelzrand sowie den perlen- und edelsteinbesetzten Federbusch und die dazugehörigen Federn erlangten. Auch die ungarische Haartracht wich von der europäischen ab. Wie schon im Zusammenhang mit Pipo von Ozora erwähnt, entsprachen in Ungarn langes Haar und lange Bärte dem Geschmack. Mózes Buzlai, der Gesandte König Matthias', erregte 1489 in Mailand mit seinen langen, perlengeschmückten Haarflechten großes Aufsehen. Die später gleichfalls als Eigenheit der ungarischen Tracht zählenden Stiefel tauchten auf türkischen Einfluß erstmals im 15. Jahrhundert auf.

Die Kriegstracht der schweren Reiterei bestand von der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an aus einer den ganzen Körper bedeckenden Blechrüstung und der dazu gehörigen Bewaffnung. In solch einer Rüstung wurden der Palatin Imre Szapolyai und sein jüngerer Bruder István auf ihren Grabsteinen in Csütörtökhely dargestellt, ebenso wie Tamás Tarcai, einer der berühmtesten Feldherren unter König Matthias. Ganz anders sah die Kriegsbekleidung der leichten Reiterei aus. Auf türkischen Einfluß hatte sich bis zur Wende 15./16. Jahrhundert die ungarische Husarenkleidung eingebürgert, deren Charakteristika das lange Gewand, der Hut mit Straußenfeder und die türkischen Stiefel waren. Die früheste bekannte Darstellung eines ungarischen Husaren blieb auf einem um 1500 hergestellten Säbel erhalten. Aber auch auf den das Leben Kaiser Maximilians darstellenden Weisskunig-Stichen kann man Husaren sehen.

Die wichtigsten Waffen der schweren Reiterei waren Lanze und Schwert, ergänzt eventuell von einem Dolch oder Streitkolben. Die Kriegslanze hatte eine Länge von ungefähr vier Metern und wurde beim Angriff in den am Brustpanzer befindlichen Rüsthaken gehängt. Eine große Tartsche, die gleichzeitig den sichereren Halt der Lanze gewährleistete, schützte die Hand des Ritters. Die Schwerter wurden im 15. Jahrhundert notwendigerweise länger, um gegen Blechpanzer effektivere Angriffe führen zu können. Am verbreitetsten waren die schweren, zweischneidigen Ritterschwerter mit mehr als einem Meter Länge. In Ungarn verwendete man einen speziellen Typ des Streitkolbens, den sog. Federstreitkolben, und Schriftquellen zufolge war auch der ungarische Dolch charakteristisch.

Zur Bewaffnung der leichten Reiterei gehörten im 15. Jahrhundert das Schwert oder der Säbel, der Spieß und der Bogen, aber auch der Streitkolben oder die Streitaxt. Der meistverwendete Säbeltyp war der nach türkischem Muster gefertigte Husarensäbel mit leicht gekrümmter, einschneidiger Klinge und einem geraden, breiten Griff. Der ungarische Säbel mit gekrümmtem Griff bildete sich bis zum 16. Jahrhundert heraus und wurde danach die am häufigsten benützte Waffe. Als Schutzwaffe dienten sowohl der schweren wie auch der leichten Reiterei Schilde. Den Schild stellte man im allgemeinen aus Holz her und überzog ihn mit Leder oder Leinen. Oft verwendeten die Husaren aber auch kleine, runde, aus Schilf geflochtene Schilde.

Frauentracht, Schmuck

Die Kleidung der Frauen hat sich im Laufe des 15. Jahrhunderts kaum verändert. Sie bestand aus zwei Teilen: dem als Unterkleid getragenen Hemd und einem einteiligen Oberkleid, das man Schaube oder Rock nannte. Der breite Halsausschnitt des Kleides ließ die Hemdschulter sehen, die man mit Stickerei und Perlenbordüren verzierte. Bürgerfrauen trugen jedoch meist ein am Hals geschlossenes Kleid. Das Haar bedeckte man mit einem Schleier oder einer Haube, nur Mädchen durften mit unbedecktem Kopf gehen. Gegen die Kälte schützten sie sich im allgemeinen mit einem Mantel. Wie aus Quellen hervorgeht, gab es aber auch Frauenumhänge.

Über die Kleidung der drei Königinnen - Beatrix, Anna Canadale und Maria von Habsburg - wissen wir recht viel. Von der Garderobe der beiden Erstgenannten berichten lediglich Schriftquellen. Dagegen gehört eines der Prunkgewänder von Maria, der Gattin Ludwigs II., zu den wohlgehüteten Schätzen des Ungarischen Nationalmuseums. Als Hochzeitsgewand hatte Maria ein grünes Siedendamastkleid mit hoch angesetzter Taille und tiefem, trapezförmigem Ausschnitt und darunter ein weißes, am Hals und an den Ärmeln mit Silberfäden besticktes Leinenhemd getragen. Der Kleiderstoff war ein Erzeugnis der italienischen Renaissance-Webkunst, der Schnitt entsprach dem - sich damals verbreitenden - deutschen Renaissance-Geschmack vom Anfang des 16. Jahrhunderts.

Die Königinnen trafen natürlich mit einer ihrer Herkunft gemäßen, nach italienischer, französischer oder deutscher Mode geschneiderten Garderobe in Ungarn ein. Doch gab es im 15. Jahrhundert auch schon eine - schwer zu rekonstruierende - Frauentracht ungarischen Geschmacks. Im Jahr 1457 sandte Ladislaus V. seiner französischen Braut, Prinzessin Magdalene, ein ungarisches Kleid als Geschenk. Ebenso beschenkte Matthias Beatrix und später die Braut seines Sohnes, Bianca Maria Sforza, mit einem ungarischen Kleid. Ausgesprochen ungarische Elemente der Frauentracht waren auf jeden Fall der pelzgefütterte Frauenumhang sowie der wundervolle Kopfschmuck. Einen solchen erhielt Beatrix ebenfalls von Matthias.

Ergänzt wurde sowohl die Frauen- als auch die Männertracht durch prächtigen Schmuck. Von Matthias' und Beatrix' Schmuckgegenständen gibt es zwar ausführliche Beschreibungen, doch nicht eines der Stücke blieb nachweislich erhalten. Bei Cesare Valentini ist der mit Rubinen und Perlen besetzten Federbusch Matthias' erwähnt. Seine Kleider schmückten Edelsteingehänge sowie Halsketten aus Edelsteinen und Perlen. Beatrix traf 1499 Verfügung hinsichtlich ihrer mit Rubinen und Perlen besetzten Brosche sowie ihrer Halskette aus Diamanten und Smaragden. Auch zahlreiche Barone besaßen wertvollen Schmuck. Der bosnische König Miklós Újlaki beispielsweise trug zu Matthias' Hochzeit an einer Goldkette einen Anhänger, in welchem ein riesiger Saphir und 300 kleinere Diamanten eingefaßt waren.

Um Schmuckgegenstände ging es in zahlreichen Testamenten. Mózes Buzlai, dessen perlengeschmückte Haartracht in Italien so großes Aufsehen erregt hatte, verfügte in seinem Testament unter anderem über eine wertvolle Goldkette, Edelsteine und Fingerringe. Übrigens lagen die Güter Buzlais im Komitat Tolna, und als interessante Parallele zu dem in seinem Testament aufgezählten Schmuck bietet sich ein Schatzfund aus dem Komitat Tolna an. Die hier zum Vorschein gelangten silbervergoldeten Prunkgefäße und Schmuckgegenstände wurden im 16. Jahrhundert vor den Türken versteckt. Ihr Besitzer mag ein wohlhabender Kaufherr der Gegend gewesen sein. Der silbervergoldete Renaissance-Schmuck waren Gürtel- und Kleiderschnallen, ein Anhänger mit Granatapfelverzierung und das Fragment einer Kette.

Wohnungseinrichtung

Im Laufe des 15. Jahrhunderts vollzogen sich in den ungarischen Heimen bedeutende Veränderungen: Die Zahl der Möbel wuchs, neue, bis dahin nicht verwendete Möbel erschienen, die ein früher unbekanntes, hohes technisches Niveau auszeichnete. Neben den früher - und auch weiterhin - gefertigten, grob gezimmerten Möbeln begann man damals mit der Herstellung von Tischlermöbeln. In Buda waren schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts Tischler tätig, und bis zum Ende des Jahrhunderts wurden in allen beutenden Städten Tischlerzünfte gegründet. In Kaschau z.B. schlossen sich 1459 die Stellmacher und Drechsler zu einer Innung zusammen.

Als wichtigstes Möbelstück zählte noch immer die zur Aufbewahrung verschiedenster Dinge - Gebrauchsgegenstände, Textilien, Früchte - verwendete Truhe. Daneben diente sie auch als Sitzmöbel. Frau Kottaner erinnerte sich, daß man auf den Deckel der zur Verwahrung der Krone angefertigten Truhe Samtkissen legte - vermutlich, um bequemer darauf sitzen zu können. Anfang des 15. Jahrhunderts begannen sich in Ungarn die deutschen Einfluß widerspiegelnden, gezimmerten Truhen in Form eines Häuschens zu verbreiten, die sich nicht mehr zum Sitzen eigneten. Eines der schönsten Stücke dieser Art wurde in Rosslen, in der Umgebung von Hermannstadt, gefunden, dessen besonderen Wert seine gemalten figuralen Verzierungen ausmachen.

In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstand aus der auf die kürzere Seite gestellten Truhe, bzw. durch das Übereinandersetzen von zwei Truhen, ein neues Möbelstück: der Schrank. Auf einer der Altartafeln in Jánosrét sind die beiden Möbelstücke nebeneinander zu sehen; beide stehen auf einem gewölbten Sockel. Gut zeigt die Entwicklung der Möbelherstellung ein in den 1480er Jahren für die Bartfelder St. Ägidiuskirche gefertigter Bücherschrank, der an seinem ursprünglichen Bestimmungsort vermutlich in die Wand eingelassen war. Solche Wandschränke, bei denen nur die Tür des Schränkchens und der Rahmen um die Nische aus Holz bestanden, stellte man damals übrigens vielerorts her.

Der früher jeweils nach Erfordernis aus Platten und Böcken zusammengestellte und wieder auseinandernehmbare Tisch wurde in diesem Zeitalter zu einem ständigen Möbelstück. Zahlreiche Tischdarstellungen des 15. Jahrhunderts belegen das. Auf Tafelbildern sieht man im allgemeinen mit Tischtüchern verdeckte Tische runder oder eckiger Form. Die frühesten gotischen Tische Ungarns blieben aus der Zeit Ende 15.-Anfang 16. Jahrhundert erhalten: Tische in Form einer Kinderwiege, in deren unterem Teil etwas aufbewahrt werden konnte, oder Tische mit großem Schubfach. Ähnlich dauerhaft bürgerte sich etwa zur selben Zeit die Kopf- und Fußstütze bei Betten ein, und von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist über dem Kopfteil der Betten immer häufiger einen Baldachin zu beobachten.

Sitzmöbel gab es, wie die Tafelbilder bekunden, in mannigfaltiger Form. Am einfachsten war die Holzbank mit gespreizten Beinen, auf der mehrere Personen gleichzeitig sitzen konnten. Aber auch dreibeinige Stühle mit rundem Sitz oder vierbeinige mit eckigem Sitz wurden hergestellt. Außerdem kannte man gezimmerte Stühle mit geflochtenem Sitz und mit oder ohne Rückenlehne, sowie die vermutlich nur für wohlhabendere Besteller gefertigten Lehnstühle. Den Lehnstuhl gab es in der Ausführung mit hoher, rechteckiger Lehne oder als sog. "Scherenstuhl" (der im allgemeinen zusamenklappbar war). Von der Mitte des 15. Jahrhunderts an kam als neues Möbelstück der Kircheneinrichtung das Stallum hinzu.

Über das Mobiliar der königlichen Paläste wissen wir recht wenig. Von Matthias' Budaer Bibliothek dagegen und dem Mobiliar seiner weithin berühmten Festgelage gibt es relativ ausführliche Beschreibungen. In der Bibliothek standen ein Sofa, auf dem goldgemusterte Decken lagen, und dreibeinige Stühle. Die Bücher waren in einem Intarsienschrank bzw. in dreireihig angeordneten Bücherregalen untergebracht. Das Hochzeitmahl für Matthias und Beatrix fand im Budaer Friss-Palast statt, wo man für das Königspaar an einem runden Tisch und für die geladenen Gäste an etwa zehn Meter langen Tafeln gedeckt hatte. Das Tafelgeschirr - annähernd eintausend prächtige Gold- und Silbergefäße - wurde in einem großen und acht kleineren sog. Becherstühlen zur Schau gestellt. Den Becherstuhl des Königs bewachten zwei große silberne Einhörner.

Was den Tischschmuck an Matthias' Tafeln betrifft, äußerten sich Augenzeugen besonders anerkennend über die verschiedenen Gefäße in Tierform, ein prachtvolles Silberschiff, die Gefäße des Königspaares aus reinem Gold oder eine von Löwen getragene Salzbüchse, die Matthias gehörte. Von dieser großen Zahl an Kleinodien blieben jedoch nicht mehr als einige Silberpokale erhalten, die wertvollsten Stücke sind lediglich aus Beschreibungen bekannt. Einige Fayencestücke vom Tafelgeschirr des Königspaares haben die Zeiten aber dennoch überdauert, ebenso wie zwei Gläser eines Services, in denen man Matthias einst Getränke servierte.

Wertvolles Tafelgeschirr nannte aber nicht nur der Herrscher sein Eigen. Mózes Buzlai traf in seinem Testament Verfügungen über eine Vielzahl Kannen, Schüsseln und Teller. Er besaß auch mehr als einhundert Löffel, die Anfang des 15. Jahrhunderts noch als Rarität galten. Und die Ende des Jahrhunderts als Neuheit auftauchenden Gabeln waren in seinem Nachlaß mit 16 Stück vertreten. Wertvoll mag auch die Salzbüchse aus Korallen gewesen sein, die er vermutlich von einer seiner Auslandsreisen mitgebracht hatte. In Kölesd kamen im vergangenen Jahrhundert die Schätze des Ambrus Sárkány, einer bekannten Persönlichkeit der Jagiellonenzeit, ans Licht. Heute sind von dem silbervergoldeten Fundkomplex noch sechs Stücke bekannt: ein Deckelpokal, eine Trinkschale und sechs Becher.


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