{196.} 2. Adel und hörige Bauern in Siebenbürgen (1241–1360)


Inhaltsverzeichnis

Verfall der königlichen Komitate

Die Institution der königlichen Komitate in Ungarn begann bereits an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert zu verfallen. Königshof und Gespane begnügten sich nicht mehr mit den primitiven Produkten der Dienstdörfer, weil sie sich aus der ausländischen Einfuhr wie auch von den französischen und deutschen angesiedelten Stadtbürgern Handwerksartikel von besserer Qualität besorgen konnten. Dazu brauchten sie aber Geld, weshalb sie begannen, die ausschließlich Produktsteuer zahlenden Sklavenwirtschaften auf den weltlichen und kirchlichen Gütern gegen Geldrente zahlende freie Siedlungsbauern auszutauschen. Die hohen Würdenträger des Landes und ihre Familien verlangten nach dem Muster der westeuropäischen Grundherren Güter im Eigenbesitz statt der Sklavenwirtschaften mit ihrem geringen Ertrag und den Einkünften, die ihnen ihr Amt in der königlichen Burgenorganisation einbrachte. Aber auch das in den königlichen, kirchlichen und Grundherrengütern teils wie Sklaven arbeitende, im Prinzip aber auch im freien Stand zur erblichen Dienstbarkeit verpflichtete Gemeinvolk strebte nach den Privilegien der aus dem Westen gekommenen Siedler. Die Möglichkeit dafür war auch geboten durch Übernahme der besseren Bodenbearbeitungsverfahren (Beetpflug, Mehrfeldersystem, vierfacher statt zweifacher Körnerertrag) und die wachsende Zahl von Märkten. Anfang des 13. Jahrhunderts kam es in den westlichen Landesteilen bereits zu Bauernbewegungen gegen die Fronlasten.

Die königlichen Einkünfte bestanden schon am Ende des 12. Jahrhunderts nur noch zu einem Viertel aus den Naturalleistungen der Komitate und der Rest aus der Geldsteuer ausländischer Ansiedler, dem Ertrag aus der Münzprägung sowie dem königlichen Monopol des Salz- und Edelmetallbergbaus. Unter solchen Umständen überließ der König die bis dahin überwiegend im Burgensystem konzentrierten Arbeitskräfte und Ländereien den sich nach eigenen Gütern sehnenden vornehmen Familien. Doch verletzte die Schenkung von Burggütern die Interessen der auf ihnen lebenden königlichen Soldaten mit freiem Kleinbesitz (sog. servientes) und der Burgoffiziere (sog. Burgjobagionen), weil sie nun aus dem freieren Zustand der königlichen Oberhoheit in die Botmäßigkeit der Grundherren gerieten. Einen Ausweg aus dieser allgemeinen Krise bot allein der Übergang zum sog. Zensussystem des westeuropäischen Feudalismus, also zu einem Zustand, in dem der Bauer auf dem Grundherrenbesitz frei umherziehen und selbständig wirtschaften konnte sowie frei von Fron nur Natural- und Geldsteuer zahlte. Diese Umstellung geschah in Ungarn im Laufe des 13. Jahrhunderts. 1298 wurde durch Gesetz den Bauern die Freizügigkeit gewährt, die nun den Namen „jobbágy“ (lat. iobagio) tragen, wie vorher nur die als Freie in Dienst tretenden Leute. Noch früher, 1267, wurde der Adelstitel der Servienten mit freiem Grundbesitz und der Burgjobagionen anerkannt, der bisher nur den von nun an Barone genannten Würdenträgern am königlichen Hof zustand. Gleichzeitig damit., wurde das Adelskomitat geschaffen, in dessen Gericht {197.} neben dem vom König aus der Reihe der Barone ernannten Gespan von den Adligen gewählte Stuhlrichter Recht sprachen.

Adelskomitat und Adelsrechte entstanden in Siebenbürgen erst später und in anderer Form. Die Gründe dafür liegen in dem langsameren, noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts andauernden Verfall der königlichen Burgenorganisation in Siebenbürgen, womit sich der Aufstieg der Burgjobagionen in den Adel verzögerte; vorwiegend aber in dem drückenden Gewicht der Woiwodenmacht. Seit Beginn des 13. Jahrhunderts nahm der Weißenburger Gespan den Titel Woiwode an und ernannte selbst die Gespane der übrigen fünf siebenbürgischen Komitate (Doboka, Kolozs, Torda, Küküllõ und Hunyad) aus der Schar seiner persönlichen Anhänger. Demgegenüber wurden die Gespane der Komitate außerhalb Siebenbürgens auch weiterhin direkt vom König aus der Reihe der Barone ernannt. Von 1263 bis 1441 wurde auch die Gespanschaft des von Nordsiebenbürgen bis zur Theiß reichenden Komitats Szolnok dem Woiwoden unterstellt, so daß dieser außer den autonomen Distrikten der Szekler, Sachsen und Rumänen alle Verwaltungs-, Gerichts- und Heerführerfunktionen in Siebenbürgen versah. Die Woiwoden genossen die Einkünfte der ihnen vorbehaltenen Burgdomänen, aber nicht sie, sondern königliche Beamte verwalteten die dem König zukommenden Steuern, Zölle und Bergwerkseinkünfte. Sie bemühten sich zwar auch um königliche Schenkungsgüter, da aber die Könige sie oft auswechselten und immer aus vornehmen Familien außerhalb Siebenbürgens auswählten, wurden nur wenige von ihnen zu siebenbürgischen Großgrundbesitzern.

Der erste Woiwode mit siebenbürgischem Grundbesitz zu Beginn des 13. Jahrhunderts war der westungarische Gyula Kán; er erhielt einige Dörfer, verlor sie aber mit seinem Weggang wieder, und erst 1268 erlangte ein Nachkomme von ihm, ebenfalls zusammen mit dem Woiwodenamt, einen Teil von ihnen zurück. Noch vor ihnen, am Ende des 12. Jahrhunderts, erhielten die Vorfahren der Familie Wass eine Besitzschenkung. Ein größeres, aber unbewohntes Gebiet am Oberlauf des Mieresch erhielt der Nordungar Michael (Mihály) Kácsik während seiner Woiwodenschaft (1209–1212), zusammen mit seinem Bruder Banus Simon. Weil letzterer sich empörte, wurden ihnen die Güter entzogen und 1228 Dénes Tomaj von Losonc übergeben, der später ebenfalls Woiwode und der Ahnherr der reichsten, später in die drei Zweige Losonci, Bánffy und Dezsõfi geteilten Familie wurde. Smaragd Zsámboki vermochte in seiner kurzen Woiwodenschaft (1206/07) nur einige Dörfer im Komitat Hunyad zu erwerben, die ein in Siebenbürgen angesiedelter Zweig seiner Familie mit wenig Grundbesitz, Barcsai, erbte. In der Nachbarschaft der Tomaj-Besitzungen bekam schon vor 1228 ein Glied der Familie Kökényes-Radnót die ausgedehnte Herrschaft um Tekendorf, doch starben seine Nachkommen bis zum Jahrhundertende aus. Grundbesitz im Norden, am Großen Samosch, hatte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Geschlecht Becse-Gergely-ebenfalls nicht siebenbürgischer Herkunft – erhalten, von dem die bis in die Neuzeit hinein führenden Familien Bethlen, Apafi und Somkereki Erdélyi abstammten.

Von diesem aus mehreren Dörfern bestehenden, aber einen zusammenhängenden Block in peripherer Lage am Fuße der Gebirge bildenden Großgrundbesitz gut zu unterscheiden waren die beidseitig des Kleinen Samosch und in der Siebenbürgischen Heide weit entfernt voneinander, verstreut liegenden Besitzungen von 2–10 Dörfern je eines in mehrere Familien geteilten {198.} Geschlechtes. Diese Geschlechter nannten sich nach einem am Ende des 12. Jahrhunderts im ganzen Land verbreiteten Brauch nach ihrem als Erstbesitzer bezeichneten frühesten bekannten Vorfahren (de genere X). Fünf solche Geschlechter sind in Siebenbürgen schon aus Quellen vom Anfang des 13. Jahrhunderts bekannt. Anonymus erwähnt als Landnehmer des 10. Jahrhunderts das auch später im Komitat Doboka ansässige Geschlecht Zsombor (und dessen Dorf Esküllõ) sowie das Geschlecht Agmánd im Komitat Inner-Szolnok. Im Wardeiner Gottesurteilverzeichnis, das sich auf die ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts bezieht, finden sich das in den Komitaten Kolozs und Torda beheimatete Geschlecht Kalocsa (auch Szil und dann Tyukod genannt) sowie die Miglieder des nach seinem ersten bekannten Vorfahren Mikola benannten Geschlechtes. Auch für das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit dem Patronat über das Kloster Almás ausgestattete und sich später im Komitat Bihar ausbreitende Geschlecht Borsa lassen sich ähnliche Besitzverhältnisse nachweisen. Diese erwähnten fünf Geschlechter aus den vier nordsiebenbürgischen Komitaten tauchen außerhalb Siebenbürgens nur im benachbarten Komitat Bihar auf, und dort auch erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts – sie sind also als Erstlandnehmer zu bezeichnen, als Geschlechter, die seit der ungarischen Landnahme ständig in Siebenbürgen ansässig waren. Von allen fünf Geschlechtern stammen zahlreiche Familien ab, die zum großen Teil bis in die Neuzeit existierten und stets den Kern des ungarischen Adels Siebenbürgens darstellten.

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beschleunigte sich die gesellschaftliche Umgestaltung nicht nur, sie dehnte sich auch in Siebenbürgen auf immer breitere Volksschichten aus. Die alten Komitatsburgen (Desch, Doboka, Klausenburg, Thorenburg, Weißenburg, Kokelburg und eventuell auch Hunyad) fielen dem Mongolensturm zum Opfer. Zwar reorganisierte König Bela IV. das Burgensystem, indem er neue Elemente unter die Burgleute aufnahm, doch hatten die Burgen selbst ihre militärische Bedeutung verloren. Ihre Verteidigungsfunktion übernahmen die auf königliche Initiative hin errichteten Gebirgsburgen, deren Burgvögte die Verwaltung leiteten. Das Amt des Komitatsgespans wurde üblicherweise mit der Funktion des Vogtes einer solchen neuen Gebirgsburg verbunden. Die alten Zentren Desch, Klausenburg, Weißenburg und Thorenburg wurden neu durch Ansiedlung von königlichen Bauern und Händlern (hospites) errichtet und waren bereits ausschließlich auf ihre wirtschaftliche Funktion konzentriert sowie mit den Rechten der freien Richterwahl, der Marktabhaltung und des zollfreien Handels ausgestattet. Teils waren sie Ungarn, teils deutsche „Gäste“ und frühere Burgleute mit ähnlichen Rechten, und aus ihrer Verschmelzung (cives et hospites) entstand die ungarische Stadtbürgerschaft Siebenbürgens. Weißenburg und Klausenburg schenkte der König im 13. Jahrhundert dem siebenbürgischen Bischof. Während letzteres 1316 zur königlichen Freistadt wurde, blieb Weißenburg bischöflich, was seine Stadtentwicklung in vieler Hinsicht behinderte. Die Burg Doboka erhielt ein kürzlich nach Siebenbürgen umgesiedelter Zweig des Geschlechtes Kökényes-Radnót aus Ungarn geschenkt, die Burg selbst verlor jede Bedeutung, und die dazugehörige Siedlung blieb als einfaches Dorf, als Herrschaftszentrum der Güter der Familie Dobokai erhalten. Kokelburg und Hunyadvár behielten aufgrund ihrer exponierten Lage ihre militärische Funktion, wurden später aber gleichfalls vom König als Schenkung verliehen. Die zu den {199.} Burgen gehörenden Dörfer kamen eines nach dem anderen in Privathand, bis sich der Königsbesitz schließlich auf die Gebirgsgegenden um die neuen Burgen – auch das noch ein gewaltiges Gebiet – beschränkte.

Das Innere des Siebenbürgischen Hochlandes und sogar einzelne Teile des Gebirges gingen in den Besitz teils örtlicher Adliger, teils neu hinzugekommener Familien über. Von dem westungarischen Geschlecht Szalók stammte die an der Kokel mit Besitz ausgestattete Familie Kendi, die später in Siebenbürgen eine große Rolle spielen sollte. Von dem ebenfalls nicht siebenbürgischen Geschlecht Ákos hatten der Zweig Thoroczkai im Komitat Torda und die Zweige Illyei und Folti nördlich des Mieresch im Komitat Hunyad ihre Besitzungen. Ganz in der Nähe letzterer, linksseits des Mieresch erhielt das später in viele kleinadlige Familien zerfallende westungarische Geschlecht Hermány Besitzungen. Die Familie Lackfi aus dem Geschlecht Hermány gehörte im 14. Jahrhundert zu den vornehmsten Familien des Landes. Sechs von ihnen, Vater, Söhne und Enkel, lenkten als Woiwoden oder Szekler Gespane zwischen 1328 und 1376 die Geschicke Siebenbürgens. Von den alten Familien gewannen die Bánffys von Losonc erheblich an Bedeutung, da sie als Schenkungen von Ladislaus (László) IV. und Andreas III. einen großen Teil der nördlichen Gebirgsgegend im Komitat Inner-Szolnok, die Domänen Csicsó und Laposch erhielten. Das westungarische Geschlecht Csák bekam im Komitat Doboka die Domäne Bruck, die aber Ende des 14.Jahrhunderts gleichfalls auf die Bánffys überging, die damals auch die Sebesvárer Güter im Komitat Kolozs und die Újvárer Güter im Komitat Küküllõ als Schenkung erwarben. Damit standen sie an der Spitze der Aristokratie Siebenbürgens und spielten, obwohl sie im Laufe des 15. Jahrhunderts auch viel an Ansehen und Vermögen verloren, bis in die jüngste Zeit stets eine wichtige Rolle im öffentlichen Leben Siebenbürgens.

Anarchie und Konsolidierung

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatten politische Ereignisse die Expansion des privaten Grundbesitzes vorangetrieben. Um den brennenden Ehrgeiz seines höchst temperamentvollen Sohnes Stephan (István) zu befriedigen, hatte König Bela IV. 1257, wie einst sein eigener Vater, mit ihm das Land geteilt. Den östlichen Teil mit Siebenbürgen überließ er Stephan, der sich außer jüngerer König auch Herzog Siebenbürgens nannte, einen eigenen Hof hielt und eine selbständige Außenpolitik verfolgte. Dieser hat sich große Verdienste um die Neuordnung der nach dem Mongolensturm üblen Verhältnisse in Siebenbürgen und um die Sicherung der Landesverteidigung erworben und belohnte die für ihn Partei ergreifenden Adligen mit reichen Güterschenkungen. Doch der recht bald wieder aufgebrochene Gegensatz zwischen Vater und Sohn stürzte das Land in unselige interne Machtkämpfe. Belas Truppen drängten Stephan ins Burzenland, in die Burg Zeiden, wo er jedoch bei einem Ausfall mit Unterstützung eines überlaufenden Teils des Belagerungsheeres seines Vaters Truppen zersprengte und bei deren Verfolgung bis Pest vordrang. Im Frühling 1265 errang er einen entscheidenden Sieg und zwang Bela, ihm seinen Landesteil weiter zu überlassen. So blieb es bis zu Belas Tod 1270, doch war die Aussöhnung keineswegs aufrichtig, und beide bemühten sich um die Stärkung ihres {200.} Lagers, was wiederum nicht anders möglich war, als sich die Aristokratie mit ihren bereits gewaltigen Besitzungen durch weitere Schenkungen zu verpflichten.

Als Stephan V. nach zweijähriger Herrschaft plötzlich starb, nutzten die Großgrundbesitzer-Familien die Minderjährigkeit seines Sohnes Ladislaus IV. aus und schwangen sich – gestützt auf die Bewaffneten ihrer Güter sowie die ihnen anvertrauten Komitate als Privatgüter behandelnd – zu wahren Regionalfürsten auf. Als erster verweigerte der rumänische Woiwode Litvaj, der das nach 1260 von den Johannitern verlassene Szörényer Banat verwaltete, offen den Gehorsam, er fiel aber in dem gegen ihn eingeleiteten Kriegszug, und sein Bruder und Nachfolger Bărbat bekehrte sich für gewisse Zeit wieder zur Königstreue und gab die königlichen Einkünfte frei. In den folgenden Jahren gingen aber das Szörényer Banat und sogar das frühere Kumanien völlig für den König verloren, die rumänischen Woiwoden machten sich selbständig, ebenso wie Ungarn selbst in Provinzen der ihre Macht mißbrauchenden Amtsträger zerfiel, wogegen sich auch der 1290 ermordete Ladislaus IV. als machtlos erwies.

Sein Nachfolger Andreas III. erbte völlig unklare Verhältnisse und eine in Frage gestellte öffentliche Sicherheit. Beunruhigt durch die von fremden Mächten unterstützten Thronprätendenten, vermochte er in seiner kurzen Amtszeit die Ordnung nicht wiederherzustellen. Kurz nach seinem Regierungsantritt unternahm er auch eine Rundreise durch Siebenbürgen, um mit seinem persönlichen Auftreten die auch dort um sich greifende Anarchie zu bekämpfen. Die Schwäche der Zentralmacht ermöglichte zahllose Übergriffe, die auch die Anwesenheit des Königs nicht verhindern konnte. Nach seiner Abreise griff der Woiwode selbst, Roland (Lóránd) aus dem Geschlecht Borsa, der mit seinen Brüdern einen beträchtlichen Teil Ostungarns beherrschte, 1294 den Wardeiner Bischof mit Waffengewalt an, ja stellte sich sogar den königlichen Truppen entgegen, die ihn mäßigen sollten. Nach erbitterten Kämpfen konnte er besiegt werden, aber sein Nachfolger, der 1297 ernannte Ladislaus (László) Kán, erwies sich keineswegs als bessere Wahl. Hinter dem Rücken des überall von aufflammenden Erhebungen in Atem gehaltenen Königs beschlagnahmte er die königlichen Einkünfte, er gliederte seiner Woiwodschaft und der Gespanschaft Szolnok auch die sächsischen und Szekler Gespanschaften ein, besetzte die Bergstädte – kurz, er betrachtete Siebenbürgen als seinen Privatbesitz. Zwischen 1307 und 1309 verweigerte er die Neubesetzung des verwaisten siebenbürgischen Bischofsstuhles so lange, bis das Kapitel seinen Kandidaten wählte. In die Burgen setzte er seine Anhänger als Burgvögte ein und enteignete jeden, der zögerte, in seine Dienste zu treten.

Ähnliche Bestrebungen zeigten sich auch in anderen Gegenden des Landes, so daß sich Ungarn 1301 beim Tode Andreas’ III. in den Händen eines Dutzend von Provinzherren befand, die in ihren Gebieten selbständig regierten. Dem Staat drohte die Gefahr der feudalen Zersplitterung. Die jahrelangen Thronzwistigkeiten begünstigten ebenfalls die Oligarchie. Mit Andreas III. war die Herrscherfamilie der Arpaden in männlicher Linie ausgestorben, und es setzte ein erbitterter Kampf um die Nachfolge zwischen den Verwandten der weiblichen Linien ein. Der Papst unterstützte Karl Robert, ein Mitglied der französischen Anjou-Dynastie in deren sizilianischer Linie, der aber anfangs nicht die Sympathie des gesamten Adels für sich zu {201.} gewinnen vermochte. Die Mehrheit rief zuerst den Böhmenherzog Wenzel zum König aus und nach dessen Abdankung den Bayernherzog Otto. Woiwode Ladislaus Kán lud den neuen König – mit dem angeblichen Angebot der Hand seiner Tochter – nach Siebenbürgen ein, ließ ihn dort gefangen nehmen und nach Bayern zurückschicken. Dann erkannte er 1308 Karl Robert als König an, hielt aber die Königskrone bei sich zurück.

Die öffentliche Meinung war aber nur für den Fall bereit, die Rechtmäßigkeit der Herrschaft Karls anzuerkennen, wenn er sich mit der Krone Stephans des Heiligen krönen ließ. Die wiederum war im Besitz des Woiwoden Ladislaus, der auch nicht am Landtag der Königswahl teilgenommen hatte, sondern zwischen seinen Bergen der künftigen Dinge harrte. Der päpstliche Gesandte Kardinal Gentile regte Verhandlungen mit ihm an, und als diese zu keinen Ergebnissen führten, belegte er ihn 1309 unter dem Vorwand der Heirat seiner Tochter mit dem orthodoxen serbischen König Uros II. mit dem Kirchenbann. Diese schwere Strafe verfehlte nicht ihre Wirkung. Im Jahr darauf übergab der Woiwode die Krönungsinsignien und versprach auch die Rückgabe der usurpierten königlichen Rechte und Einkünfte. Schon 1303 hatte Karl Robert Siebenbürgen besucht, er mußte aber noch ein Jahrzehnt lang blutige Schlachten gegen die Oligarchie schlagen, da diese sich nicht mit der Beschränkung ihrer Macht abfinden wollte. Währenddessen blieb Woiwode Ladislaus weiter der Herr von Siebenbürgen, er ließ die königlichen Wachen nicht in seine Burgen und konnte sogar verhindern, daß sein 1315 ernannter Nachfolger Nikolaus (Miklós) Pok sein Amt tatsächlich antreten konnte. Erst nach seinem Tod gelang es dem königlichen Heer durch die Schlacht bei Diemrich 1316 Siebenbürgen seinen Söhnen wieder abzunehmen. 1318 lag der neue Woiwode Dózsa von Debreczin im Kampf mit dem siebenbürgischen Aristokraten Mojs, der sich mit den aufständischen Borsa verbündet hatte. Aber auch der Nachfolger von Dózsa, der 1320 an seine Stelle getretene Thomas (Tamás) Széchényi aus dem Geschlecht Kácsik, hatte noch damit zu tun, die Macht der Söhne von Ladislaus Kán endgültig zu brechen – 1321 besetzte er ihre letzte Festung, die Burg Csicsó.

Woiwode Thomas schuf im noch immer gärenden Siebenbürgen mit harter Hand Ordnung. Er zwang die Anhänger des Woiwoden Ladislaus und eine ganze Reihe von auf eigene Rechnung ihr Unwesen treibenden Adligen zur Unterwerfung und wandte sich schließlich gegen die Sachsen. Diese hatten im Laufe ihres endlosen Zwistes mit dem Bischof 1308 erneut Weißenburg verwüstet, und als nach dem Tod des Woiwoden Ladislaus die sächsische Gespanschaft auch weiter mit der Woiwodenwürde verbunden blieb, empörten sie sich unter Führung des Petersdorfer Gräven Henning gegen den neuen Woiwoden. Nur mit Hilfe der aus der Großen Ungarischen Tiefebene herbeigeholten kumanischen Truppen konnten sie 1324 geschlagen werden. Doch wenn sich Thomas Széchényi auch dem König gegenüber gefügig zeigte, war er in Siebenbürgen nicht weniger auf seine Macht bedacht als vor ihm Woiwode Ladislaus. Wie wir aus den Beschwerden des siebenbürgischen Bischofs wissen, mußte dieser oft genug seine Gewaltsamkeit und Besitzgier hinnehmen, mit der er sich und seinen Anhängern Güter aus dem Besitz der Kirche zu verschaffen versuchte.

Der siebenbürgische Sieg Karl Roberts hatte die ihm feindliche Aristokratie empfindlich getroffen. Alte, landnahmezeitliche und später zugezogene große Familien verloren ihre Güter aufgrund ihrer Untreue, und obwohl ihnen der {202.} König später zum großen Teil verzieh (wie z. B. den Geschlechtern Zsombor und Borsa sowie der Familie Wass), blieb die Führungsrolle doch seinen erprobten Anhängern vorbehalten. Thomas Széchényi blieb bis zu Karl Roberts Tod (1342) Woiwode und erhielt als Lohn für seine Dienste einen erheblichen Anteil von den eingezogenen Gütern der Aufrührer: 1319 die gewaltige Domäne Scharnberg zwischen Bistritz und Mieresch und 1324 die Gemarkung der Burg Salgo im Szebener Komitat. Ähnlich dem Woiwoden Ladislaus nahm auch er eine Piastenherzogin Anna von Auschwitz zur Frau. Stets die Familieninteressen vor Augen, hatte er auch seine Vettern mit nach Siebenbürgen gebracht, von denen er Simon, dem Ahn der Familie Kentelki Radó, die Domäne Groß-Schogen und das einträgliche Amt des Szekler Gespans verschaffte, während Péter Cseh, gestützt auf das Ansehen seines Onkels, die Hand der Erbin der schwerreichen sächsischen Grävenfamilie von Talmesch und damit deren ausgedehnte Besitzungen gewann. Er begründete die Familie Geréb von Weingartskirchen, deren zwei Vertreter im 15. Jahrhundert auch die beiden höchsten Würden Siebenbürgens, die des Bischofs und des Woiwoden, innehatten. Übrigens verheirateten sich die nach Siebenbürgen verschlagenen Mitglieder des Kácsik-Geschlechtes auch in anderen Fällen mit sächsischen Familien. Ein Nachkomme des Szekler Gespans Simon erwarb über die Grävenfamilie von Radna das der Familie den Namen gebende Gut Kentelke/Kindeln, und Péter Csehs Sohn, János, nahm ebenso wie sein Vater eine sächsische Gräventochter zur Frau, die Tochter jenes schwerreichen Michael von Kelnek/Keling, der sechs von seinen sieben Töchtern ungarischen Adligen zur Frau gab. Auch die an Besitz arme ungarische Adelsfamilie Barcsai im Komitat Hunyad machte ihr Glück mit der Erbschaft eines Teils des Vermögens der im Mannesstamme ausgestorbenen sächsischen Grävenfamilie von Alvinc/Winzendorf. Natürlich kamen auch auf umgekehrtem Wege große Familiengüter zustande, so erlangte z. B. die sächsische Grävenfamilie Brassai von Kronstadt durch Einheirat die Besitzungen eines ausgestorbenen Zweiges des Zsombor-Geschlechtes.

Adelskomitat und Adel

In Siebenbürgen entstand das Adelskomitat auf die gleiche Weise wie im Verlauf der allgemeinen ungarischen Entwicklung, nur mit Verzögerungen. Während in anderen Teilen Ungarns die Adelskomitate die Funktion der königlichen Komitate bereits vor dem Mongolensturm zu übernehmen begannen, erlebte in Siebenbürgen die Institution der Burgjobagionen noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihre Blütezeit und werden in den Urkunden die Burgjobagionen von (Inner-) Szolnok, Doboka, Kolozs, Torda und Fehér häufig erwähnt. Wohl gerade deshalb, weil die große gesellschaftliche Umgestaltung hier in den Jahren der politischen Krise erfolgte, verschmolzen die Burgjobagionen mit dem Adel nicht zu einer solchen Einheit wie weiter westlich. Diese sich spät aus der Abhängigkeit befreiende Schicht wurde vom Strom der Ereignisse in eine unsichere, soziale Randlage abgedrängt. Fast in jeder Urkunde über Güterverkäufe wird sie erwähnt, in mehreren Fällen sind die Käufer Nachkommen der Geschlechter aus der Landnahmezeit (z. B. Mitglieder der Familien Gerendi, Kecseti, Szentmártoni) oder andere Adlige ungewisser Abstammung, machmal auch Kleriker. Das {203.} Schicksal jener Burgjobagionen, die ihren Besitz verloren, kennen wir nicht; manche mögen gerade so viel Besitz behalten haben, daß sie ein Leben im Stil des Adels führen konnten. Überwiegend aber wurden sie sicherlich dazu gezwungen, bei vermögenderen Adligen in den Dienst zu treten oder ihr Auskommen bei den neu gegründeten königlichen Burgen zu suchen, denn von keiner der mittelalterlichen Adelsfamilien Siebenbürgens läßt sich mit Sicherheit nachweisen, daß sie von Burgjobagionen abstammt.

In den Teilen der Siebenbürgischen Heide, die zu den Komitaten Inner-Szolnok, Doboka, Kolozs und Torda gehörten, lebte daher im Mittelalter eine einheitliche Adelsgesellschaft, die überwiegend aus Familien bestand, welche von den landnehmenden Geschlechtern abstammten. Sie unterschieden sich allein in ihrem Vermögen, da infolge der vielen Nachfahren mancher Familienbesitz sehr zerstückelt war; manchmal lebten in einer Dorfflur mehrere Familien in ihren Kurien und bebauten den Acker mit eigener Hand. Aber auch die weniger mit Nachkommen gesegneten Familien besaßen nur selten mehr als 10 Dörfer, nur wenige der Reichsten hatten 20–30 Dörfer, aber nicht in zusammenhängenden Blöcken, sondern inmitten der Güter anderer Familien. Einheitliche Domänen von 20–50 Dörfern entstanden am Rande dieses vom Klein- und mittleren Adel bewohnten Gebietes.

Zwar gewährte 1290 ein Gesetz auch für Siebenbürgen der Organisation des Adelskomitats, den Adligen und „den nach Weise der Adligen über freien Besitz verfügenden Siebenbürger Sachsen“* Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen I. Hermannstadt 1892. 175. die Steuerfreiheit sowie die Gerichtsbarkeit über ihre Bauern und verfügte ihre persönliche Kriegspflicht, dennoch entfaltete sich die Emanzipation des siebenbürgischen Adels später als in den übrigen Gebieten Ungarns. Noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts zahlten die siebenbürgischen Adligen Steuern an den Woiwoden, wovon sie erst 1324 durch Karl Robert befreit wurden, aus Dank für ihre Verdienste an der Niederschlagung des Sachsenaufstandes. Die Gerichtsbarkeit über die Bewohner ihrer Güter, also die volle Grundherrengewalt, erhielten sie aber erst 1342 vom Woiwoden, bestätigt 1363 durch den König. Umso mehr Bedeutung kam den Beschluß zu, demzufolge der König die von Karl Robert unter der Bezeichnung lucrum camerae verfügte Steuer von 18 Denar pro Bauernhufe den siebenbürgischen Adligen für ihren Militärdienst erließ, also ihnen überschrieb. Somit zahlte der siebenbürgische ungarische und sächsische Hörige nur an seinen Grundherrn Steuer, anders als die Rumänen, die weiterhin ihr Fünfzigstel an den König zahlten.

Die Versuche der Adligen, für ihre Komitate die Autonomie zu erkämpfen, hatten bereits weniger Erfolg. Zwar finden sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch in Siebenbürgen die Komitatsgerichte, zusammen mit den Vertretern der Autonomie, den Stuhlrichtern. Ferner halten einige Komitate auch selbständige Vollversammlungen ab, doch setzten sich bis zur Jahrhundertmitte wieder die Zentralisierungsbestrebungen des Woiwoden durch. Von da an veranstalteten nicht mehr die einzelnen Komitate Vollversammlungen, geleitet von ihren Gesparten, sondern der Woiwode berief sie gemeinsam mit den sieben siebenbürgischen Komitaten (im allgemeinen nach Thorenburg) ein. Hier wählte man auch gemeinsam die Stuhlrichter der Komitate, zwei pro Komitat (nicht vier, wie in anderen Landesteilen). Der Woiwode regierte also die siebenbürgischen Komitate wie ein einziges und verhinderte {204.} damit weitgehend die Entwicklung in Richtung der lokalen Selbstverwaltung. Somit erhielt der siebenbürgische Adel nur individuell jene Rechte, die ihn landesweit von den Nichtadligen unterschieden, und konnte sein politisches Gewicht als Gremium, als gesellschaftlicher Stand, nicht gegen den Woiwoden ausspielen. Verhindert wurde dies zudem noch durch die soziale Einrichtung der sog. Familiaren, die sich als typische ungarische Variante des Lehnsverhältnisses parallel zur Entstehung des Großgrundbesitzes zu verbreiten begann.

Die ärmeren Freien begannen sich freiwillig in den Dienst Vornehmerer zu begeben, vorwiegend als Mitglieder des militärischen Gefolges oder als Wirtschaftsverwalter der Herrschaftsgüter. Sie wurden von ihrem Herrn in seine Familie aufgenommen (daher der Name familiaris), der damit für ihren Unterhalt und ihren Rechtsschutz aufkam, während sie beeideten, treue Dienste zu leisten. (Der Gutsbesitz der Familiaren war jedoch vom Herrn völlig unabhängig, nach ungarischem Recht konnte nur der König Güter verleihen.) In Siebenbürgen ernannte der Woiwode den Vizewoiwoden meist aus seinen nichtsiebenbürgischen Familiaren; dieser war sein unmittelbarer Stellvertreter, versah gleichzeitig die Aufgaben des Gespans im Komitat Fehér und war Vorsitzender des Woiwodengerichts. Ebenso verfuhr der Woiwode mit den Komitatsgespanen, die wiederum die Vizegespane unter ihren eigenen Anhängern auswählten. Da die Gespanswürde Einkünfte und Ansehen sicherte, bemühten sich auch mehrere Vertreter der vermögenderen siebenbürgischen Familien um sie, womit breite Schichten des siebenbürgischen Klein- und Mitteladels zu Familiaren des Woiwoden wurden, was dessen Macht sehr steigerte. Damit läßt sich erklären, daß es in Siebenbürgen nicht einmal die vermögendsten Aristokratenfamilien mit dem gesellschaftlichen Ansehen des Woiwoden aufnehmen konnten, obwohl dieser im allgemeinen kein Siebenbürger war, sondern aus anderen Landesteilen stammte und deshalb in Siebenbürgen auch keinen umfangreichen Besitz sein eigen nannte.

Das Hauptmotiv für die große gesellschaftliche Umgestaltung, in deren Rahmen der Adel entstanden war, bildete die bewußte Verteidigungspolitik der Könige. Diese sorgten nicht nur dafür, daß die freien Ungarn und die zu Freien gewordenen Burgjobagionen den Adelsstand auffüllten und persönlichen Kriegsdienst leisteten, sondern sie unterstützten im Interesse der Landesverteidigung stets auch jene Elemente in der Szekler, sächsischen und rumänischen Gesellschaft, die am besten für den Militärdienst geeignet waren. Den ungarischen Soldaten umgab der Nimbus des Kreuzritters, und da nun Adel und Soldat miteinander identifiziert wurden, bildete die adlige Lebensform neben ihren gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Vorteilen (dem mit der kostenlosen Arbeitskraft des Bauern bearbeiteten freien Grundbesitz, der Steuerfreiheit und der Unterstellung unter direkte königliche Gerichtsbarkeit) auch eine moralische Anziehungskraft für die Szekler, sächsische und rumänische Gesellschaft, und diese Anziehungskraft prägte den gesamten Prozeß der Umgestaltung.

{205.} Szekler und Sachsen innerhalb des Adels

Der Lebensform des Adels stand die Sozialordnung der Szekler seit jeher am nächsten, da die beiden wichtigsten Merkmale der Zugehörigkeit zu den Szeklern, die persönliche Freiheit und die persönliche Kriegsdienstpflicht, auch den Adel kennzeichneten. Aus diesem Grunde betrachtete man den Szekler schon im 14. Jahrhundert auch über seine engere Heimat hinaus als Adligen. Im Jahre 1346 brauchte ein gewisser Pál von Sényõ bloß seinen Szeklerstand zu beweisen, um überall im Land als freier Mensch leben zu können. Im Szeklerland selbst war der individuelle Aufstieg jedoch durch die uralte Besitzgemeinschaft und die rechtliche Gleichheit beschränkt. Der Hauptvorteil des Komitatsadels, der unbeschränkte Besitzerwerb und die Verfügung über die Gutsbewohner als dienstpflichtige Untertanen, konnte sich hier nicht entwickeln. Aufgewecktere Szekler versuchten deshalb schon früh, ihr Glück im Dienste des Königs zu machen, und erhielten auch als Lohn für ihre Verdienste Anteile an den zerstückelten königlichen Gütern. Da sie aber auch an ihrem Szekler Erbteil festhielten, erwarben sie sich üblicherweise in einem dem Szeklerland benachbarten Komitat Besitz durch königliche Schenkung. Vorwiegend gelangten die im Szeklergebiet liegenden königlichen Burggüter in den Besitz des neuen Szekler Adels. So schenkte der König 1252 das Gebiet Szék an der Grenze vom Burzenland und den Drei Stühlen dem Szekler Vorfahren der vornehmen Familien Nemes, Mikó und Kálnoki. Diese Familien wollten ihre dem Szeklerrecht unterstehenden Dörfer ebenfalls nach Adelsrecht besitzen, was zwischen 1342 und 1366 zu erbitterten Kämpfen mit den Sepsier Szeklern führte, bis schließlich das umkämpfte Gebiet doch im Szeklerland verblieb. Ebenso schenkte der König im Laufe des 13. Jahrhunderts die ungarischen (und sich magyarisierenden slawischen) Dörfer der königlichen Burg Götzenburg dem Ahnen der Szeklerfamilien Kézdi und Apor. Die Besitzer besiedelten dieses Territorium mit ungarischen und russischen Fronbauern und unterstellten es der Komitatsbehörde, ihre Ansprüche auf das Kászon-Gebiet wurde dagegen von den Csíker Szeklern 1324 erfolgreich zurückgewiesen. Am Ostrand der Komitate Fehér, Küküllõ, Torda, Kolozs und Doboka rings um das Szeklerland erhielt eine ganze Reihe von Familien namens „Székely“ im Laufe des Mittelalters Adelsbesitz, teils durch königliche Schenkung, teils durch Einheirat in den Komitatsadel. Da sie ihren Anteil am gemeinsamen Szeklerbesitz behielten, spielten sie aufgrund ihres Szekler- und ihres Komitatsbesitzes eine Rolle im öffentlichen Leben der Szeklergesellschaft wie des Komitats. Vertreter einer Familie erscheinen einmal als Stuhlrichter eines Komitats, ein andermal als Amtsträger der Szekler Nation.

Die Masse der Szekler konnte jedoch das Niveau des damals allein als zeitgemäß geltenden gepanzerten Reiters mangels der dazu erforderlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht erreichen. Sie verblieben daher stets in der Waffengattung der leichten Reiterei. Weiter westlich in Ungarn war diese uralte Form des Waffendienstes im Aussterben. Die europäische Kampfesweise verlangte das gepanzerte Heer, weshalb die Könige von jenen gesellschaftlichen Gruppen, welche anfangs zum individuellen Kriegsdienst verpflichtet waren, nach dem Mongolensturm nur eine gewisse Anzahl, allerdings vorzüglich ausgerüsteter Soldaten benötigten. Das führte dann dazu, daß die vom tatsächlichen Kriegsdienst ausgeschlossenen Elemente {206.} notwendigerweise zu Hörigen absanken, da ihre Funktion nur noch darin bestand, ihren im Kriegsdienst stehenden Gefährten die materielle Basis für Bewaffnung und Dienst zu sichern. Dieses Schicksal wurde den im 13. Jahrhundert im Gebiet zwischen Donau und Theiß angesiedelten Kumanen und Jazygen zuteil. Ursprünglich zogen sie selbst in den Krieg, bald aber stellten sie dem König nur noch 600 Soldaten, wodurch ihre soziale Einheit zerfiel. Die Militärdienstschicht zwang schließlich das Gemeinvolk zum bäuerlichen Dienst. Siebenbürgens Grenzen wurden jedoch das gesamte Mittelalter hindurch von Feinden bedroht, deren Heere ebenfalls auf der leichten Reiterei basierten (Tataren, Litauer, Rumänen und später Türken), weshalb die uralte Kampfesweise und Ausrüstung der Szekler auch weiterhin genügten. Da sich auch die Ärmeren die primitivere Ausrüstung beschaffen konnten, vermochte jeder Szekler mit dem Recht und der Pflicht der persönlichen Kriegsteilnahme auch seine persönliche Freiheit zu bewahren.

Die sächsische Gesellschaft machte keine geringere Krise durch als die der Szekler, doch führte die daraus resultierende Entwicklung in ganz andere Richtung. Anders als die Szekler nahmen die Sachsen nicht persönlich am Krieg teil, sondern stellten eine gewisse Anzahl von Soldaten. Die gesellschaftlichen Vorteile des Kriegsdienstes beschränkten sich demnach schon zu Anfang bereits nur auf eine Schicht der Volksgemeinschaft, vor allem auf die Gräven. Diese – Richter, Verwaltungsbehörde und Militärbefehlshaber in einer Person – waren erbliche Amtsträger. So verschmolz ihr Amt, wie bei den Szeklern, mit dem damit verbundenen Grundbesitz und wurde verkäuflich und verpfändbar. Auch die Gräven banden Gemeinschaftsinteressen, sie mußten sich den sächsischen Rechtsnormen unterwerfen und trugen die gemeinsame Steuerlast mit. Folglich konnten auch sie, ähnlich den Szekler Vornehmen, ihre ungebundenere Verwirklichung nur innerhalb der Komitate finden. Am Rande des Sachsenlandes erwarben sie sich deshalb Güter, die sie überwiegend mit Deutschen besiedelten, aber nicht als gleichberechtigte Volksgenossen, sondern als Hörige. Auf diese Weise entstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine „sächsische“ Hörigenschicht außerhalb des Sachsenlandes.

Die Dörfer in den Komitaten besaßen die Gräven bereits nach Adelsrecht wie Adlige, und viele von ihnen wurden von den Königen auch formell geadelt (als erster unseres Wissens im Jahre 1206 der Wallone Comes Johannes Latinus aus Voldorf). In der öffentlichen Meinung waren sie aber ohnehin Adlige, obwohl man sie von den vollrechtlichen Adligen unterschied (1358: nobiles et alii comites). Begründet war diese Unterscheidung damit, daß die Gräven (und darin waren sie wieder mit den Szekler Vornehmen zu vergleichen) nicht auf ihren Besitz im Sachsenland verzichteten, sondern ihre Macht und ihr Ansehen aufgrund ihres Komitatsbesitzes dazu benutzten, ihre Führungsrolle in der sächsischen Volksgemeinschaft auszubauen. Die sächsische Geschichte des 13. und 14. Jahrhunderts verlief im Zeichen des wachsenden Gewichtes und der ausschließlichen Herrschaft dieser Grävenfamilien. Sie besetzten sämtliche Ämter in der Selbstverwaltung der Volksgemeinschaft, sie vertraten die militärischen Kräfte und die wirtschaftliche Macht, und ihre Lebensform als Großgrundbesitzer und Soldaten – eine Nachahmung der ungarischen adligen Lebensform – drückte allen Äußerungen des sächsischen Lebens ihren Stempel auf. Heiraten ungarischer Adliger mit sächsischen Gräven wurden immer häufiger. Ihren Familiennamen {207.} wählten sie ebenso wie die Adligen nach ihren Gütern, und mit Vorliebe nicht nach ihren Gütern im Sachsenland, sondern ihren nach Adelsrecht besessenen Komitatsgütern, und oftmals verraten nur die deutschen Vornamen und der Beiname „Geréb“ die sächsische Herkunft einer solchen Familie. Mehrere ihrer Mitglieder wurden Komitatsbeamte, Vizegespane oder Stuhlrichter, und ein Geréb von Salzburg war im 15. Jahrhundert Vizewoiwode und dann Szekler Gespan. Die siebenbürgische Adelsgesellschaft bereicherte sich damit um wertvolle neue Elemente mit Führungsqualitäten, änderte sich aber in ihrem Grundcharakter nicht: zahlenmäßig blieben die Adligen fremder Herkunft weit hinter den Ungarn zurück, und zudem haben sie sich in der Regel magyarisiert.

Innerhalb der sächsischen Volksgemeinschaft finden sich auch am Ende des 15. Jahrhunderts Gräven in Führungspositionen, aber in ständig abnehmender Zahl. Die sächsische Gesellschaft hatte sich inzwischen in eine ganz andere Richtung zu entwickeln begonnen, von der sich die Gräven ausgeschlossen fühlten. Teils auf den Druck der um die Rechtsgleichheit und die Volkseinheit besorgten sächsischen Mittelschicht hin, teils freiwillig verkauften sie ihre Güter im Sachsenland und stellten ihre Ämter wieder der Volksgemeinschaft zur Verfügung; sie siedelten in die Komitate um, wo sie als Adlige weiterlebten. Die Verwaltung und Gerichtsbarkeit der sächsischen Stühle war bereits im 14. Jahrhundert in die Hände ernannter königlicher Beamter, der Königsrichter, übergegangen.

Frühe Kirchenorganisation und Bildung

Der Komitatsadel, die Szekler und die Sachsen gehörten im Mittelalter zur römischen Kirche und mehrheitlich zu deren siebenbürgischem Bistum, ausgenommen das früheste sächsische Siedlungsgebiet, das sog. Altland, welches seit 1192 die direkt dem Graner Erzbistum unterstellte Hermannstädter Propstei bildete. Das übrige sächsische Gebiet, das der freien ebenso wie das der unter Grundherrengewalt lebenden Sachsen, war in eigene Dekanate eingeteilt und genoß eine gewisse Autonomie. Die Archidiakonate des siebenbürgischen Bistums stimmten im großen und ganzen mit den königlichen Komitaten überein. Im Bereich der Komitate entsprach allein dem Archidiakonat Ózd am Oberlauf des Mieresch kein Komitat. Möglicherweise aber hatte ursprünglich ein Komitat Ózd bestanden und war nur bei der Ausweitung der Szekleransiedlung verschwunden bzw. mit den Komitaten Kolozs und Torda verschmolzen. Die nicht zur Hermannstädter Propstei gehörenden Teile des Sachsenlandes sowie von den Szekler Stühlen der Sepser Stuhl verblieben im Archidiakonat Weißenburg, während für den Kézder und den Orbóer Stuhl ein eigenes Kézder und für den von Udvarhely das Telegder Archidiakonat geschaffen wurden.

Die siebenbürgischen Bischöfe waren anfangs Ausländer (Franzosen, Deutsche, Italiener), später immer mehr einheimische (mit einer Ausnahme nichtsiebenbürgische) Aristokraten, seltener entstammten sie städtischen Bürgerfamilien, alle aber hatten sie an ausländischen Universitäten studiert. Nicht nur einer war vorher königlicher Notar wie Adorján am Ende des 12. Jahrhunderts, der die Beurkundungspraxis der königlichen Kanzlei organisierte, oder sein Nachfolger Pál, der 1181 die Urkunde über den {208.} verbindlichen Schriftgebrauch in der königlichen Kanzlei formulierte. Zu jener Zeit standen die siebenbürgischen Bischöfe mit jährlich 2000 Mark (1 Mark = cca. 245 g) Silber Zehnteinkommen an vierter Stelle der 14 Bischöfe Ungarns. Ihre kirchliche Bildung hinderte sie jedoch niemals an der streitbaren Verteidigung ihrer Zehnt- und Besitzrechte, welche im 13.–14. Jahrhundert sogar zu bewaffneten Zusammenstößen mit dem Woiwoden, den Sachsen und dem Abt von Appesdorf führte.

Die klösterlichen Orden vertrat in erster Linie die von Ladislaus I. in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts gegründete Benediktinerabtei von Appesdorf. Diese gehörte nach der gesetzlich festgelegten Ordnung der Schriftlichkeit in Ungarn, nach 1231 zu den mit der Ausstellung von authentischen Urkunden beauftragten sog. glaubwürdigen Orten (loca credibilia). (In Siebenbürgen besaß dieses Recht noch das Weißenburger Kapitel.) Im Mongolensturm brannten deren Archive ab, die früheste ausgestellte Urkunde der ersteren stammt aus dem Jahre 1288, von Weißenburg ist das mit 1278 einsetzende Register lückenhaft erhalten geblieben. Ein Benediktinerkloster hatte noch Herzog Álmos 1120 am siebenbürgischen Eingang des Meszescher Torpasses gegründet, das nach 1288 in den Urkunden nicht mehr erwähnt wird. Eigenklöster großer Familien entstanden in Almás (im 13. Jahrhundert im Besitz des Geschlechtes Borsa), in Mönchsdorf (vermutlich für das Geschlecht Kácsik) und in Gyerõmonostor für das Geschlecht Mikola. Sie alle hatten die Form einer dreischiffigen Basilika mit Rundbogenfenstern, bis heute erhalten geblieben ist nur noch die von Mönchsdorf. Für die Zisterzienser wurde 1202 das in anderer Beziehung bereits erwähnte Kloster Kern errichtet, dessen in spätromanisch-frühgotischem Stil erbaute Kirche bei der weiteren siebenbürgischen Tätigkeit der Bauhütte großen Einfluß auf den ungarischen und sächsischen Kirchenbau besaß. Das Kloster selbst allerdings verödete im 16. Jahrhundert, und heute steht es nur noch als Ruine.

Wenn auch anfänglich nicht in der Architektur, so spielten doch in der Gestaltung des geistigen Lebens die Bettelorden eine viel größere Rolle als die traditionellen Mönchsorden. Die Dominikaner begannen bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts von Siebenbürgen aus mit der Bekehrung der Kumanen, deren erster Bischof ebenfalls ein ungarischer Dominikaner war. Im 13. Jahrhundert besaßen sie fünf Klöster in Weißenburg und in sächsischen Städten, wo sie auch Nonnenklöster hatten. Im 14. Jahrhundert wurden auch die Franziskaner in Siebenbürgen beliebt (vor allem aufgrund ihrer Predigten in den Muttersprachen), bei Ungarn, Szeklern und Sachsen gleicherweise. In einer lateinischen Predigtsammlung der Franziskaner um 1310 finden sich kurze ungarische Zusammenfassungen des Inhalts, die sog. „Weißenburger Zeilen“. Die Blütezeit der siebenbürgischen Franziskaner fällt aber erst in das 15. Jahrhundert.

Karte 12. Die Einteilung der Kirchenverwaltung des siebenbürgischen Bistums zu Beginn des 14. Jahrhunderts

{209.} Karte 12. Die Einteilung der Kirchenverwaltung des siebenbürgischen Bistums zu Beginn des 14. Jahrhunderts

Die Stadt- und Dorfpfarrer erhielten ihre Ausbildung in den städtischen Pfarr- und den Kapitelschulen. Aber schon sehr früh wurden auch Dorfschulen gegründet, die erste Nachricht stammt aus dem Jahre 1332 und bezieht sich auf das Schulgebäude (domus scolaris) im Dorf Zsuk im Komitat Kolozs. Im 15. Jahrhundert werden in mehreren Dörfern Schulmeister erwähnt. Das Studium an ausländischen Universitäten war nur wenigen Siebenbürgern möglich, aber bis 1520 immatrikulierten sich immerhin 206 als Siebenbürger bezeichnete Personen im 12. Jahrhundert an der Universität von Paris, seit dem 13. Jahrhundert an den Universitäten von Bologna und Padua und seit {210.} der Mitte des 14. Jahrhunderts überwiegend an den Universitäten von Prag, Krakau und Wien, in erster Linie Adlige und Bürgersöhne aus Städten oder Marktflecken (oppida), manchmal aber auch aus Dörfern.

Von den Bischofs- und Klosterkirchen unterschieden sich die ungarischen Dorfkirchen in den Komitaten und bei den Szeklern in Konstruktion und äußerer Form. Sie waren vor der Mitte des 13. Jahrhunderts einschiffige Gebäude mit einem Altarraum, der durch einen halbkreisförmigen Triumphbogen abgesondert war und in einer halbrunden Apsis endete. Die archäologisch freigelegte früheste Kirche dieser Art (Mühlendorf) ist auf den Beginn des 11. Jahrhunderts zu datieren, doch baute man drei Jahrhunderte hindurch auf diese Weise, bis seit der Mitte des 13. Jahrhunderts der viereckige Altarraum den halbrunden abzulösen begann. Die Kirchen im Szeklerland vertreten mit einer Ausnahme alle den früheren Typus. Die sächsische Bevölkerung sowohl in den Stühlen als auch in den Hörigendörfern errichtete die für die deutsche Kolonisation im Osten typische dreischiffige Basilika. Für den Rang der Führungsschicht ist es kennzeichnend, daß es in den meisten ungarischen und sächsischen Kirchen auch eine sog. Grundherrenempore gibt.

Rumänische Grundherren und Fronbauern diesseits und jenseits der Karpaten

Nachdem die Kumanen ihr als „Kumanien“ bezeichnetes Land südlich und östlich der Karpaten verlassen hatten, unterstellte der König – ähnlich wie in Siebenbürgen – die dort lebenden Rumänen den von ihm ernannten Woiwoden. Doch die unaufhörlichen Angriffe der Mongolen verhinderten eine Konsolidierung ihrer Herrschaft. Nur in der Walachei konnten einige dieser Woiwoden in einem schmalen Streifen längs des siebenbürgischen Grenzgebirges ihre Herrschaft festigen – die Moldau war noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein politisch herrenloses und dünnbesiedeltes Gebiet. Unter Ausnutzung der Wirren in Ungarn um die Jahrhundertwende versuchten die walachischen Woiwoden, sich nach dem Vorbild der ungarischen Oligarchie von der Zentralmacht unabhängig zu machen. König Karl Robert konnte 1330 Basarab, den Woiwoden des damals in Vergessenheit geratenen „kumanischen“, schon „walachisch“ (terra Transalpina) genannten Gebietes, nicht zur Unterwerfung zwingen und wäre in dem unglücklich endenden Kriegszug beinahe selbst gefallen. Von da an mußten sich die ungarischen Könige mit dem bloßen Lehnseid der zu selbständigen Herrschern gewordenen walachischen Woiwoden begnügen, was diesen weitgehende politische Möglichkeiten sicherte. Ebenfalls gelang es Bogdan, dem 1359 rebellierenden rumänischen Woiwoden der Moldau, dessen Land erst 1352 durch die Truppen des Szekler Gespans Endre Lackfi von den Tataren geräumt worden war, sich von der tatsächlichen Abhängigkeit zu befreien und das Lehnsverhältnis zu erkämpfen.

Die auf die Bedrohung seitens der Tataren zurückzuführende existentielle Unsicherheit in den Gebieten jenseits der Karpaten führte zu einer wahren Völkerwanderung nach Siebenbürgen. Die Urkunden des 14. Jahrhunderts bezeugen ein außerordentlich bewegtes Bild der ostungarischen Siedlungsgeschichte: in Gegenden, die bisher in den Quellen kaum auftauchten oder von {211.} ihnen als völlig unbewohnt beschrieben wurden, entstehen lange Reihen von Dörfern, die teilweise wieder rasch verschwinden, teilweise neuen oder benachbarten Platz machen. Zweifellos hängt dieser Prozeß mit der Ansiedlung der in großer Zahl hereinströmenden Rumänen zusammen. 1292 erhielt der ungarische Grundherr von Eifenmarkt die königliche Genehmigung zur Ansiedlung von Rumänen. 1350 teilen sich seine Nachkommen die weder der Zahl nach noch namentlich bekannten „rumänischen Siedlungen“ (possessiones olacales), 1468 gab es in dieser Herrschaft bereits 50 namentlich genannte rumänische Dörfer. Die 1365 aus der Walachei eingewanderte Familie Rékási erhielt 1365 das Gebiet Ikus im Komitat Krassó mit damals 5 Dörfern, wogegen 1404 14 Siedlungen aufgelistet wurden, von denen nur noch eine mit einer der ursprünglichen 5 übereinstimmte; 1506 bestand das Gebiet aus 36 Dörfern, und nur zwei der früheren 13 Namen waren noch vorhanden, 11 waren inzwischen verschwunden und 34 neu hinzugekommen. Die tatsächliche Niederlassung der Rumänen beanspruchte also längere Zeit, im allgemeinen bis zum Ende des Mittelalters – das belegen die zahlreichen Veränderungen der Dorfnamen, wie in den zitierten Beispielen.

Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts bevölkerte die rumänische Einwanderung ausschließlich die noch unbewohnten Berge und ihre unmittelbare Umgebung. Das geschlossene Siedlungsgebiet der Ungarn und Deutschen in der Mitte des Siebenbürgischen Hochlandes wurde erst danach durch rumänische Streusiedlungen aufgelockert. Ein Teil der aus der Bergregion in die Siebenbürgische Heide transhumierenden Rumänen blieb dort und ließ sich in den ungarischen und sächsischen Dorffluren nieder. Auf diese Weise entstand die große Zahl von Zwillingsdörfern mit dem Beinamen „Ungarisch-“, „Sächsisch-“ bzw. „Walachisch-“, deren rumänische Bevölkerung der die Ansiedlung leitende Knese verwaltete, als Untertan des ungarischen, sächsischen oder rumänischen Grundherrn im Range eines Dorfrichters. Auch innerhalb des rumänischen Volkes in Ostungarn und damit in Siebenbürgen vollzog sich ein Schichtungsprozeß, aus dem die Fronbauern und der Adel hervorgingen, aber dieser Prozeß verlief in vieler Hinsicht anders als bei den Ungarn, Szeklern und Sachsen.

Die rumänischen Woiwoden und Knesen, deren gesellschaftliche und rechtliche Lage in vielen den sächsischen Gräven ähnlich war, stiegen über die gleichen Stufen in den Adel auf wie die Gräven, doch hatte diese Entwicklung andere Folgen für die Rumänen insgesamt. Die Könige gaben einzelnen Woiwoden und Knesen für ihre militärischen Verdienste die von diesen bisher nur verwalteten und von ihnen angesiedelten Dörfer, verpflichteten sie aber auch weiterhin zu materiellen Leistungen und zum persönlichen Kriegsdienst, die mit dem Woiwoden- oder Knesenamt verbunden waren. Die Rechtsstellung der besitzfähigen Knesen regelte König Ludwig (Lajos) I. (1342–1382) im Jahre 1366. Beim Auftreten als Zeuge vor Gericht galten der durch königliche Urkunde in seinem Besitz bestätigte Knese rechtlich als dem Adel gleichgestellt. Das bedeutete zwar nicht einen „echten Adel“, also nicht seine und der auf seinem Besitz Lebenden Befreiung von der königlichen Steuer. Es war aber ein erster Schritt zu seiner Unterscheidung von dem ihm bisher rechtlich gleichgestellten und nur seiner Verwaltung überlassenen, aber nicht seiner Grundherrlichkeit unterworfenen Gemeinrumänen (communis Olachus) und sogar von den noch nicht durch königliche Urkunde in ihrem Besitz bestätigten Knesen (communis kenezus). Diese wiederum waren {212.} rechtlich den gewisse Steuervergünstigungen genießenden, aber als Untertanen geltenden Dorfrichtern (villicus) der ungarischen und deutschen Dörfer gleichgestellt. Solche Unterscheidungen kamen schon in den rumänischen Knesenstühlen zum Ausdruck: So werden bei der erwähnten Hatzeger Versammlung drei der außer den 12 Knesen und 6 Priestern als Richter teilnehmenden 6 Gemeinrumänen (Olachi populani) schon als Untertanen der Knesen bezeichnet. Es sitzen der Knese Basarab Longus und der als sein „iobagio“ bezeichnete Mihul (dem Brauch der Zeit entsprechend, wie jeder Gemeine, nur mit seinem Vornamen genannt) gemeinsam zu Gericht.

Solche Woiwoden und Knesen im halbadligen Stand werden in den Urkunden „adliger Woiwode“ bzw. „adliger Knese“ (nobilis vaivoda, nobilis kenezius) genannt, und ihre gesellschaftliche Stellung entspricht genau der des ungarischen bedingten (conditionarius) Adligen, dessen Adel an bestimmte Dienste gebunden war. Die Wardeiner und siebenbürgischen Bischöfe belohnten die in ihren Privattruppen kämpfenden rumänischen Woiwoden ganz entsprechend: sie verliehen ihnen den dem bedingten Adel entsprechenden „Kirchenadel“. Dadurch wurde der ihnen ursprünglich nur zur Verwaltung überlassene Besitz zu ihrem privaten Adelsbesitz und die darauf lebenden freien Rumänen gleichsam ihre Untertanen. Das reine Besitzrecht verblieb jedoch beim König bzw. Bischof, und die rumänischen Adligen unterstanden statt dem Adelsgericht der Komitate nun der Gerichtsbarkeit des königlichen bzw. bischöflichen Burgvogts. Während diese Abhängigkeit der halbadligen Woiwoden von den Bischöfen bis zum Beginn der Neuzeit, der Aufhebung des kirchlichen Großgrundbesitzes durch die Reformation andauerte, stiegen die königlichen adligen Woiwoden und Knesen weiter auf und erreichten früher oder später den bedingungslosen, den sog. echten oder Landesadel, wurden also den ungarischen Adligen in Rechten und Pflichten völlig gleichgestellt.

Vom Adel Szekler und sächsischer Herkunft unterschieden sich die rumänischen Adligen in erster Linie dadurch, daß sie, die rumänischen Woiwoden und Knesen, jene Güter als Adelsbesitz erhielten, die sie bisher als Beamte verwaltet hatten, während jene ihren Adelsbesitz außerhalb der Szekler- und Sachsengebiete, in den Komitaten erhielten. Damit war folgerichtig verbunden, daß die Gemeinrumänen ihre persönliche Freiheit verloren und zu Untertanen ihrer geadelten Woiwoden und Knesen herabsanken – ein Zustand, mit dem sich das rumänische Gemeinvolk nach vereinzelten Widerstandsversuchen abgefunden hat. Der König hatte kein Interesse daran, die Freiheit der ohnehin nicht kriegspflichtigen Gemeinrumänen vor den Kriegsdienst leistenden Woiwoden und Knesen zu schützen, und so war die große Masse der Rumänen bereits am Ende des Mittelalters zu Untertanen entweder der ungarischen bzw. sächsischen oder der aus ihren eigenen Reihen hervorgegangenen rumänischen Adligen geworden. Dies ist der Grund, warum auch keine eigene rumänische „Ständenation“ entstehen konnte, hatte doch der Untertan gleich welcher Nationalität keine politischen Rechte, während der Adel, gleichfalls ohne ethnische Unterscheidung, eine einzige „Nation“ bildete.

Am schnellsten verlief der gesellschaftliche Aufstiegsprozeß der rumänischen Führungsschicht außerhalb Siebenbürgens, in Marmarosch, weil im 14. Jahrhundert Ungarn gerade hier an seiner nordöstlichen Grenze durch die noch immer angriffslustige Mongolen- (Tataren-)macht ernsthaft bedroht {213.} war. Die rumänischen Woiwoden und Knesen von Marmarosch und Bereg nahmen an den Kriegszügen Karl Roberts und Ludwigs I. gegen die Tataren, die Litauer und schließlich gegen den aufständischen rumänischen Woiwoden Bogdan der Moldau teil und wurden in zunehmender Zahl geadelt. Den „echten“ Adel erhielten die Woiwoden- bzw. Knesenfamilien Barcánfalvi 1326, Bedõházi 1336, Bilkei 1339, Ilosvai 1341, jeweils unter Befreiung von allen Steuern und Diensten außer dem persönlichen Kriegsdienst.

1365 zogen die von Bogdan aus der Moldau vertriebenen Woiwoden Balk und Drag mit ihren Geschwistern nach Marmarosch und lösten damit eine echte kleine Völkerwanderung aus. In den folgenden Jahren wurde die bis dahin fast unbewohnte nördliche Gebirgsregion Siebenbürgens in schneller Folge durch von ihnen herbeigeholte Rumänen besiedelt, ja einer ihrer Brüder brachte rumänische Siedler sogar bis nach Polen. Die von Drag abstammenden und in den Komitaten Marmarosch, Ugocsa, Sathmar, Inner- und Mittel-Szolnok zu Besitztümern kommenden Drágfis stellten (schon im 14. Jahrhundert) die ersten rumänischen Aristokraten in Ungarn, welche auch im politischen Leben bereits eine Rolle spielten. Aus Woiwoden von Marmarosch wurden königliche Gespane des Komitats Marmarosch, und unter ihrer Führung gestaltete um 1380 der rumänische Adel von Marmarosch seine Selbstverwaltung nach dem Muster der ungarischen Adelskomitate, indem er aus den eigenen Reihen Stuhlrichter und Geschworene wählte als Beisitzer des königlichen Gespans.

Ähnlich, wenn auch langsamer entwickelte sich ein militärisch ebenfalls wichtiges Gebiet Ungarns, die Komitate Temesch und Krassó im Szörényer Banat innerhalb der Karpaten. Auch hier erhöhte sich die rumänische Bevölkerung im 14. Jahrhundert sprunghaft. Die Angaben sprechen von Masseneinwanderungen aus Gebieten jenseits der ungarischen Grenzen. 1334 wanderte ein gewisser Woiwode Bogdan ein, der auf seine Besitztümer im Komitat Temes derart viele Rumänen mitbrachte, daß deren Ansiedlung mehr als neun Monate dauerte und im Auftrage des Königs einer der vornehmsten Würdenträger des Landes, der Erzbischof von Kalocsa, die Angelegenheit leiten mußte. 1359 siedelten sich sechs Mitglieder einer anderen vornehmen walachischen Familie im Komitat Temes an, „all ihren Besitz in der Walachei zurücklassend“. Sie erhielten 13 Dörfer und sechs Jahre später den schon erwähnten Distrikt Ikus. Von ihnen stammten die später zum Adel gerechneten Familien Rékási und Dobozi Dánfi ab.

Ludwig I. benutzte dieses Gebiet als Brückenkopf für seine Kriegszüge von 1365 und 1369 gegen die Walachei und Bulgarien, mit denen er schließlich die dortigen Herrscher nur zur Leistung des formalen Lehnseides zwingen konnte. Dafür suchte er die Unterstützung der Knesen der Komitate Temesch und Krassó zu gewinnen, deren Treue er sich durch deren Übertritt von der griechisch-orthodoxen zur römisch-katholischen Kirche versichern wollte. Eine in einer Kopie aus dem 19. Jahrhundert erhaltene königliche Urkunde von 1428 erwähnt die angebliche Verfügung Ludwigs I., daß im Sebes-Distrikt des Komitats Temesch nur Adlige und Knesen römisch-katholischen Glaubens Besitz erhalten können. Ob diese Urkunde nun echt oder gefälscht ist, in Wahrheit ist nur ein einziger authentischer Übertritt von 1366 bekannt, als einer der Knesen der Burg Világos im Komitat Arad, Sorban, konvertierte und den römisch-katholischen Namen Stephan erhielt, aber schließlich doch nicht zum vollrechtlichen Adligen werden konnte. Die nachweislich von {214.} einem lokalen Knesen abstammende Familie Mutnoki nennt sich erstmals 1376 adlig, vermutlich gehörten sie zu den wenigen zum Katholizismus übergetretenen, da 1384 ein Familienmitglied Domherr im Weißenburger Kapitel war. (Irgendwann zu jener Zeit wurden auch die Vorfahren der Knesenfamilie Temeseli Dési im Komitat Temesch geadelt: Mehrheitlich besaßen aber die Knesen in den rumänischen Distrikten der Komitate Temes und Krassó um 1370 noch keine königliche Bestätigung ihres Adels.)

Selbst in diesen Gebieten war die römisch-katholische Mission im 14. Jahrhundert so wenig erfolgreich, daß einer ihrer Repräsentanten, der bosnische Franziskanervikar Alverna, sich beklagte: „es gibt Dumme und Gleichgültige, die das vor kurzem begonnene heilige Werk seiner Majestät des Königs und Herren der Ungarn für falsch halten und verächtlich machen ... nämlich die Bekehrung und Taufe der Slawen und Walachen in seinem Lande“. Hierbei handelt es sich nicht einfach um einen naturgemäßen Widerstand der Rumänen, sondern offensichtlich bezieht sich das auch auf die katholischen ungarischen Grundherren, die die sich auf ihren Besitzungen ansiedelnden Rumänen mit Unterstützung von deren Geistlichen bei sich halten wollten. Charakteristischerweise war es unseres Wissens auch nicht einmal ein weltlicher, sondern ein kirchlicher Grundherr – der katholische Bischof von Wardein –, der als erster (1349) einem rumänischen Woiwoden namens Peter erlaubte, in seinem Dorf Felventer einen steuerbefreiten rumänischen Pfarrer (presbyterum Olachalem) einzustellen. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts errichteten die ungarischen Grundherren der Siebenbürgischen Heide selbst Holzkirchen und stellten Pfarrer für ihre rumänischen Bauern an.

Unter solchen Umständen überrascht es nicht, daß die königlichen Gespane von Sathmar und Marmarosch, die Woiwoden Balk und Drag, 1391 vom Konstantinopeler Patriarchen das Recht erwirkten, daß der Egumen des von ihnen gegründeten Klosters Körtvélyes (Peri) die griechisch-orthodoxen rumänischen Geistlichen und Kirchen auf ihren Besitzungen in den Komitaten Marmarosch, Sathmar, Ugocsa, Inner- und Mittel-Szolnok weihen und leiten dürfe. Ihre Nachfahren, die Drágfis, wurden erst im 15. Jahrhundert katholisch (einer wurde auch siebenbürgischer Woiwode), blieben aber die Patrone dieses griechisch-orthodoxen Klosters. Das gleiche Recht der griechisch-orthodoxen Priesterweihe im Komitat Hunyad besaß das zum Ende des 14. Jahrhunderts gegründete Kloster Prislop, mit dem einzigen Unterschied gegenüber dem nördlicheren Körtvélyes, daß es nicht unmittelbar dem Konstantinopeler Patriarchen, sondern dem Erzbischof der Walachei unterstand.

Die frömmsten und opferbereitesten Anhänger ihres Glaubens waren die im 14. Jahrhundert noch nicht in den Adelsrang erhobenen königlichen Knesen der rumänischen Distrikte von Hatzeg, Eisenmarkt und Diemrich, die Steinkirchen erbauten und auf Wandbildern mit Aufschriften in Altkirchenslawisch sich und ihre Familienglieder als Stifter darstellten. Das Fresko aus dem Jahre 1313 in der schon früher (den Rundbogenfenstern nach zu urteilen im 13. Jahrhundert) erbauten Kirche von Sztrigyszentgyörgy nennt neben den Namen des Stifters, des Knesen, und des Pfarrers auch den des Malers Teofil. Auch hier, wie überall in diesem Gebiet, stammten die Geistlichen aus den Knesenfamilien. Auch die griechisch-orthodoxen Kirchen von Zeikdorf und Mühldorf sind Bauten aus dem 13. Jahrhundert, die gleichaltrige von {215.} Demsdorf ist dagegen ein byzantinischer Zentralbau, während ihr in der Mitte errichteter Turm die romanischen Türme der katholischen Kirchen Siebenbürgens aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachahmt. Schriftliche Angaben aus dem Jahre 1360 besitzen wir außer über die Demsdorfer noch über vier andere rumänische Kirchen, von denen die in Groß-Rodendorf heute noch steht; ihr Stil verbindet sie aber mit der siebenbürgischen Gotik des 14. Jahrhunderts, ebenso wie die ebenfalls von Knesen gestiftete Kirche in Lesnyek. Gotische Bauten sind auch die in den Gebirgsdomänen der Wardeiner und siebenbürgischen Bischöfe im 14. Jahrhundert erbauten griechisch-orthodoxen Kirchen in Kristyór, Ribice und Wolfsdorf. Die einzige nicht von einem Knesen, sondern einem ungarischen Grundherrn für seine (nach 1293 angesiedelten) rumänischen Bauern erbaute frühbyzantinische Steinkirche steht in Gursaden. Andererseits ist es auffällig, daß in den ebenfalls früh von Rumänen besiedelten Komitaten Marmarosch und Bereg, im Fogarascher Gebiet und den rumänischen Teilen der Komitate Temes und Krassó keine griechisch-orthodoxe Steinkirche erhalten blieb und nicht einmal solche erwähnt werden, sondern nur Holzkirchen, aus deren heutigem Zustand man nicht auf den ursprünglichen zurückschließen kann.