{562.} 2. Wirtschaft


Inhaltsverzeichnis

Voraussetzungen der kapitalistischen Umgestaltung

Die Jahrzehnte nach der großen Schicksalswende des vergangenen Jahrhunderts, der Revolution von 1848, brachten die Auflösung der überkommenen feudalistischen Wirtschaftsstruktur, die Entwicklung der grundlegenden Klassen der neuen Gesellschaft sowie die Grundlegung des kapitalistischen Wirtschaftssystems mit sich. Die neue Gesellschaftsformation bildete lange Zeit eine strukturierte Einheit verschiedener Produktionsweisen, in der sich immer mehr die kapitalistische Produktionsweise durchzusetzen begann. Nach 50 Jahren hatte sich ganz Ungarn organisch in das System der kapitalischen Weltwirtschaft eingefügt.

Siebenbürgen gehörte zu jenen Regionen der Monarchie, die in der denkbar ungünstigsten Lage waren. Eine marktorientierte Warenproduktion hatte sich in der Landwirtschaft vor 1848 nur hier und da herausgebildet; Allgemeinbildung, Industrie und Urbanisierung standen auf niedrigerer Stufe als in den westlicheren Gebieten. Die bis 1868 von Westen her gebaute Eisenbahnstrecke führte nur bis Großwardein, Temeschwar und Arad.

Die Sparkassen von Kronstadt und Hermannstadt galten als die Vorläufer der modernen Formen des Kreditwesens. Die Österreichische Nationalbank führte erst 1854 in Kronstadt die Wechseldiskontierung ein. 1857 eröffnete die Wiener Creditanstalt eine Filiale in Kronstadt, während 1865 in Klausenburg eine bescheidene Kreditbank ihren Betrieb aufnahm. Nach 1867, doch vor allem um die Jahrhundertwende, kam es dann im Finanzbereich zu einer dynamischen Entwicklung. In Siebenbürgen bestanden 1873 20, 1894 85 und 1909 223 Banken und Sparkassen, die Zahl der Kreditgenossenschaften lag damals bereits bei 497, die ihrer Mitglieder bei 110 000. Die Summe der für den Gutsbesitz flüssig gemachten Hypothekenanleihen überstieg 1910 die 100 Millionen Kronen, wobei auch die Summe der Kredite für die Munizipalbehörden, die Gemeinden und gemeinnützigen Objekte schneller als im Landesdurchschnitt wuchs.

In der Landwirtschaft bestand nach wie vor das Brachensystem, der Anteil der Bereiche der Intensivwirtschaft (Acker, Garten, Weinberg, Heuwiese) betrug 1869 nur 43,7 %, und damit kaum mehr als in Kroatien. Die Anzahl der Lohnarbeiter war wesentlich geringer als die der selbständig wirtschaftenden Bauern, und Dampfmaschinen wurden in der Landwirtschaft auch 1872 nur 38 genutzt, lediglich die Hälfte der Zahl in einem einzigen transdanubischen Komitat.

Von 1857 an bis 1869 verringerte sich in der Industrie – allem Anschein nach – der Rückstand Siebenbürgens gegenüber Ungarn. Schneller als im Landesdurchschnitt wuchs der Anteil (21,2 %,) der selbständigen Gewerbetreibenden und besonders der der Industriearbeiter und Angestellten an der Bevölkerung. Zur Zeit des Ausgleichs gehörten 3,9 % der Bevölkerung Siebenbürgens zu dieser Kategorie. Maschinenkraft wurde vor 1867 in der Eisen- und Metallerzeugung, in der Mühlenindustrie und der Spirituosenherstellung angewendet, dabei allerdings auch nur zu einem Zehntel des Umfangs verglichen mit Transdanubien. Das Arbeitskräfteangebot kam fast bis zum Ende der Periode mit den Ansprüchen der Industrie nicht in ein Gleichgewicht. {563.} Bei Facharbeitern wie angelernten Arbeitern war die Nachfrage im allgemeinen größer als das Angebot, während die Tagelöhner oft nur schwer Arbeit fanden. In der für die Einführung der modernen Arbeitskraft so wichtigen Schulbildung kam es relativ spät zu einer nennenswerten Entwicklung: 1869 noch konnten lediglich 21,7 % der Männer lesen und schreiben, während 56,7 % der Personen über sechs Jahre Analphabeten waren, 59 % der schulpflichtigen Kinder keine Schule besuchten, und dieser Anteil erst am Ende des Jahrhunderts auf 30 % gesenkt wurde.

Auf die Bauernbefreiung folgte die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe mit enormer Verspätung. Der Großgrundbesitz bewahrte auch als Träger der Modernisierung seine prinzipiell nicht profitorientierte Wirtschaftsform, während der Bauernhof durch seine in den Traditionen und dem hohen Analphabetismus des Dorfes begründete Rückständigkeit und infolge seiner geringfügigen Größe nicht den Standard eines modernen Betriebes erreichte. Wer als Bauer zu Geld kam, verwendete es nicht so sehr für Maschinen, sondern eher für den Ankauf von Boden. Die Mehrheit der Handwerker verdiente ihren Unterhalt auch unter neuen Verhältnissen mit der altherkömmlichen Befriedigung traditioneller Bedürfnisse.

Der Staat als wichtiger Motor der Industrialisierung gab in den fünf Jahren nach 1849 sehr bald seine eigenen Versuche zur Einführung neuer Techniken auf, ja er entledigte sich sogar einiger Kammerbetriebe. Erst der Staat der dualistischen Epoche übernahm (über die Industrieentwicklung hinaus) wieder mehr Aufgaben bei der technologischen Modernisierung, und seit den 80er Jahren engagierte sich auch ausländisches Kapital für die Einführung moderner Produktionsverfahren. Die Fabriken und Bergwerke blieben aber bis zum Ende des Jahrhunderts zusammen mit ihrer engeren Umgebung Inseln in einer Welt, die die traditionellen menschlichen Beziehungen, das alte Wertsystem bewahrte. Das durchaus gut ausgebildete sächsische städtische Handwerk schuf sich bereits seit den 50er Jahren moderne, mit Maschinen ausgestattete Kleinwerkstätten. Die Inbetriebnahme oder Entwicklung einer Hütte, eines Bergwerkes benötigten allerdings Techniker und Arbeiter aus fernen Provinzen der Monarchie, selbst wenn in einigen Fabriken jahrhundertealte einschlägige Traditionen vorhanden waren.

Nach dem Ausgleich kam auch die Wirtschaft Siebenbürgens in den Genuß jener Vorteile, die sich aus dem höheren Entwicklungsstand Ungarns in Ostmitteleuropa ergaben. Das Land importierte mehr Kapital, womit es das Banken- und Eisenbahnnetz ausbaute sowie einzelne Industriebranchen entwickelte bzw. schuf. Von Anfang an ist aber auch das heimische Kapital (einschließlich des bescheidenen siebenbürgischen) daran beteiligt, ja um die Jahrhundertwende und besonders nach 1910 trug die innere Akkumulation im engeren Siebenbürgen in größerem Ausmaß zur Wirtschafts- und insbesondere zur Industrieentwicklung bei.

Der Weg zur Beseitigung oder zumindest Verringerung des Rückstandes führte über eine umfassendere Marktintegration neuen Typs. Die Einrichtung eines modernen Verkehrssystems war die Voraussetzung für die Umgestaltung der Landwirtschaft und der Entwicklung der Fabrikindustrie.

{564.} Ausbau des Verkehrsnetzes

Die Modernisierung des Straßennetzes in dem von Bergzügen umgebenen und von der Natur reichlich mit Geländehindernissen versehenen Siebenbürgen nahm in den 1850er Jahren ihren Anfang. Auf den für die militärischen und wirtschaftlichen Interessen des Reiches wichtigen Routen wurden die wichtigsten Straßen, die bisher nach Meinung der Zeitgenossen nicht einmal den Namen Weg verdienten, als sog. Reichsstraßen ausgebaut. 1860 führten bereits 230 Meilen tatsächlich funktionsfähiger Straßen durch Siebenbürgen. Der zweite große Modernisierungsabschnitt setzte 1890 ein. Ende des Jahrhunderts bestanden 753 km mit Steinfundament gebaute und 1250 km einfachere Staatsstraßen, wobei auch die Mehrheit der 4204 km Munizipalstraßen in einen annehmbaren Zustand gebracht wurden. Am langsamsten ging die auf lokale Ressourcen angewiesene Modernisierung der sog. Gemeindewege voran. Am Ende der Periode war nahezu die Hälfte der 7 126 km solcher Wege noch völlig unausgebaut …

1852 wurde der Telegraphenverkehr eröffnet. Innerhalb von einigen Jahren war das Telegraphennetz ausgebaut, dessen Nutzen später sowohl im Wirtschaftsleben als auch in der Privatsphäre spürbar wurde. 1914 arbeiteten in Siebenbürgen 558 Telegraphenstationen. (Um die Jahrhundertwende wurde mit der Einrichtung von Telephonverbindungen begonnen. Anfang der 90er Jahre bestand in mehreren Komitaten bereits ein auch für Privatzwecke nutzbares sog. Munizipal-Fernsprechnetz. Städtische Telephonzentralen arbeiteten in Kronstadt, Hermannstadt, Klausenburg und in Neumarkt, und 1910 begann man bereits wieder mit ihrem Umbau. 1914 wurden 6525 „Telefonstationen” genutzt, was sogar über dem Landesdurchschnitt lag.)

Der Eisenbahnbau begann jenseits des Königssteiges eigentlich mit dem Ausgleich. Wohl hatten bereits 1848 die Vermessungen auf dem Abschnitt Großwardein-Klausenburg begonnen, doch dann setzte ein jahrzehntelanger Kampf um die Entscheidung ein, ob zuerst die Strecke Arad-Karlsburg-Hermannstadt oder die Linie Großwardein-Klausenburg-Kronstadt gebaut und damit auf unabsehbare Zeit die Hauptverkehrsachse festgelegt werden sollte. Die Repräsentanten des ungarischen Grundbesitzes sowie des wirtschaftlich entwickeltesten Kronstadt stimmten für die Strecke Klausenburg-Kronstadt, während die ärmere, doch in der Politik für lange Zeit einflußreichere Bürgerschaft von Hermannstadt verständlicherweise für die aus Arad kommende Linie plädierte.

Schließlich begann die vom Haus Rothschild geförderte Gesellschaft, die Erste Siebenbürgische Eisenbahn, 1867 mit den tatsächlichen Arbeiten. Bis Weihnachten 1868 wurde die Strecke Arad-Karlsburg fertiggestellt.

Mit dem Bau der Klausenburger Linie begann 1868 die Ungarische Ost-Bahngesellschaft unter Mitwirkung des englischen Bauunternehmers Waring und der Englisch-Österreichischen Bank. 1870 wurde der Abschnitt Großwardein-Klausenburg seiner Bestimmung übergeben und dann an der Siebenbürgen durchschneidenden Strecke weitergebaut. 1871 erreichte sie Neumarkt, und Mitte 1873 traf schließlich auch der erste Zug in Kronstadt ein. Diese nach ihrem vollständigen Ausbau 633 km lange und durch mehr als 20 000 Arbeiter errichtete Eisenbahnlinie riß Siebenbürgen aus seiner großen Isolation, indem sie die wichtigsten Städte, das Getreide der Siebenbürgisehen {565.} Heide, das Salz von Thorenburg, Praid und Maroschujvar in den modernen Verkehr der Monarchie einbezog. Die Ost-Bahn verband man bei Dreikirchen mit der Ersten Siebenbürgischen Eisenbahn, die ab 1870 die Braunkohle des Schil-Tales und das Eisen von Eisenmarkt zu den Märkten des Landes transportierte.

Der Staat kaufte 1876 die Ost-Bahn und verstaatlichte 1884 auch die Erste Siebenbürgische Eisenbahn, womit das Haupteisenbahnnetz Siebenbürgens in den Besitz der MÁV (Ungarischen Staatsbahnen) überging. 1879 wurden zwei Verbindungen in Richtungen Rumänien gebaut, 1895 eine dritte.

Das Eisenbahnnetz gehörte zu den herausragenden Objekten des Modernisierungsprozesses in Siebenbürgen. Bei der Meisterung schwerer Geländeabschnitte, beim Bau von Brücken, Viadukten, Tunneln, im Kampf gegen ständige Erdrutsche und Erosionsschäden wurden beachtliche technische Ergebnisse erzielt. Es entstand ein Streckensystem, das die Zukunft der Wirtschaft des Landesteiles in vieler Hinsicht bestimmte. Beim Ausbruch des Weltkrieges bildeten die 2384 km Eisenbahnlinien Siebenbürgens 11 % der ungarischen Strecken. Auf 100 km2 entfielen 6,7 km, auf 1000 Einwohner 1,02 km Eisenbahnlinie, was unter dem Landesdurchschnitt lag, doch höher war als in den osteuropäischen Ländern.

Die wirtschaftliche Rolle des Staates

Die mehr als 50 Jahre umfassende Periode war insgesamt durch eine liberale Wirtschaftspolitik charakterisiert, die bis in die 80er Jahre die Vorstellungen des freien Wettbewerbs, des freien Handels und der freien Wirtschaft auch für die Entwicklung des mit Ungarn in Interessenidentität stehenden Siebenbürgens für die geeignetesten hielt. Man versuchte die Entfaltung kapitalistischer Produktion nicht durch direkte Einmischung, sondern durch die Beseitigung der inneren und äußeren Hemmnisse zu fördern.

Zwischen wirtschaftspolitischer Praxis und Theorie ergaben sich jedoch Widersprüche. 1850 beseitigte der Neoabsolutismus die jahrhundertelange Zollgrenze zwischen der ungarischen und der österreichischen Reichshälfte. In erster Linie zur Förderung der Industrieinteressen der österreichisch-böhmischen Provinzen schuf die Zentralregierung 1854 den Schutzzolltarif, den die damaligen Ökonomen als für die ungarische Industrie und Landwirtschaft zu wenig liberal betrachteten. Ein weit größeres Problem bedeuteten jedoch die instabile Regierung und das für den Kreditbedarf der östlichen Provinzen zu geringe österreichische Kapital, während das System des Neoabsolutismus nicht in der Lage war, ausreichende politische Garantien für die Förderung eines erhöhten Kapitalimports aus dem Westen anzubieten.

Nach 1867 trat in der wirtschaftlichen Entwicklung Siebenbürgens eine Wende ein. Mit dem Ausgleich begann die selbständige ungarische Regierung unter Ausnutzung der verbesserten Möglichkeiten in der sich konsolidierenden Monarchie eine Wirtschaftspolitik, die die besonderen Interessen des Landes im Blick behielt. Mit der Einführung der liberalen Konstitution schuf sie auch die politisch-ideologischen Garantien für den umfangreichen Kapitalimport aus dem Ausland. Sie ließ selbst einen Teil des Eisenbahnnetzes des Landes ausbauen, unterstützte die moderne Kreditorganisation, die {566.} Fachausbildung, die Einrichtung von Mustergütern, spielte auch selbst als Unternehmer eine bedeutende Rolle und regelte mit ihrer Gesetzgebung detailliert die kapitalistischen Produktionsverhältnisse.

Das durch den Neoabsolutismus wirtschaftlich und durch den Ausgleich auch politisch mit Siebenbürgen vereinigte Ungarn konnte unter Leitung der Pester Regierung gegen das industrielle Übergewicht des westlichen Zentrums der Monarchie auftreten. Die Tatsache, daß zwei Länder mit abweichender Wirtschaftsstruktur ein Zollgebiet bildeten, wurde in den führenden Kreisen Österreichs und Ungarns sowie in den Handelsbeziehungen der Monarchie mit ihren Nachbarn Ursache vieler Gegensätze. Österreich-Ungarn mußte seine gemeinsame Zollpolitik bis zum Schluß aufgrund von Kompromissen gestalten, die auch Siebenbürgen unmittelbar berührten, wie das Beispiel seiner Wirtschaftsbeziehungen zu Rumänien zeigt.

In den rumänischen Fürstentümern hatten die Industrieerzeugnisse der Habsburger Monarchie, die siebenbürgischen Handwerker und Händler stets günstige Absatzgebiete vorgefunden, während von dort wiederum Lebensmittel und landwirtschaftliche Rohprodukte importiert wurden, letztere vor allem zu Gewerbezwecken in Südsiebenbürgen. Seit den 50er Jahren jedoch war das traditionelle siebenbürgische Handwerk zu Hause der stärker werdenden Konkurrenz der Ersatzerzeugnisse der österreichisch-böhmischen Fabrikindustrie ausgesetzt, außerhalb der Karpaten-Staatsgrenze wiederum der Flut der auf dem Seewege äußerst billig transportierten englischen und französischen Waren. Einen Ausweg aus der langanhaltenden Krise suchten Handel und Handwerk in Siebenbürgen zunächst vermittels erhöhter Ausfuhren, wobei man die Staatsmacht dahingehend zu beeinflussen suchte, durch ihr Eingreifen wiederum eine privilegierte Stellung zu erreichen. Auf Drängen von siebenbürgischen Industriellen- und Händlerkreisen bemühte sich der Handelsminister bereits 1869 um den Abschluß eines Abkommens mit Rumänien.

1875 schloß die Monarchie mit dem sich formell noch in türkischer Abhängigkeit befindlichen Rumänien ein für zehn Jahre geltendes Handelsabkommen mit Freihandelscharakter ab, sie nahm damit als erste Großmacht die internationale Anerkennung der Selbständigkeit Rumäniens vor. Für diese wertvolle politische Geste mußte Rumänien wirtschaftliche Gegendienste leisten. Während es sein Getreide zollfrei auf den Markt der Monarchie einführen konnte, wurden die Viehzölle bereits abhängig davon festgelegt, wie Deutschland den Viehexport Österreich-Ungarns verzollte. Bukarest mußte seine Protektionsbestrebungen der eigenen Industrie teilweise zurücknehmen und den Industrieerzeugnissen der Monarchie praktisch freien Zugang gewähren. Innerhalb von fünf Jahren verdreifachte sich die Ausfuhr der Monarchie, während die ursprünglich erwartete, noch dynamischere Steigerung der rumänischen Einfuhr allerdings ausblieb. Deutschland schloß nämlich seine Grenzen sehr bald vor dem Vieh aus Österreich-Ungarn, so daß letzteres ab 1877 (ebenfalls veterinärmedizinische Gründe vorschützend) die russische und rumänische Einfuhr einschränkte. Ab 1882 wurde der Rinderimport völlig verboten, während Schafe und Schweine nur zeitweise eingeführt werden durften. Nach Ablauf des Handelsvertrages entzog Rumänien den österreichisch-ungarischen Produkten die Vergünstigungen, worauf die Monarchie mit „Kampfzöllen” (30 %) auf die Einfuhren aus Rumänien reagierte.

{567.} Der von 1886 bis 1893 dauernde Zollkrieg verringerte die Einfuhren aus Rumänien bis auf ein Minimum. Doch auch die Monarchie mußte einen hohen Preis zahlen: ihre Ausfuhren nach Rumänien gingen zurück, sie verlor ihre Monopolstellung. Die Hersteller der siebenbürgischen Industrieerzeugnisse (neben Holz und Holzwaren vor allem Textilien, Lederwaren, Töpferwaren und Glas) mit ihrem relativ niedrigen Verarbeitungsgrad und überwiegend für den allgemeinen Konsum bestimmt, litten am meisten unter den Veränderungen. „Wir wußten, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir mit unseren Industrieerzeugnissen total verdrängt werden. Doch wegen des gescheiterten Handelsvertrages mit Rumänien ist dieser Schlag viel eher eingetreten, als wir uns das vorgestellt hatten” – schrieb der Gewerbeverein von Szekler Neumarkt.* Adresse vom 15. Juni 1886. OL Földmûvelés-, ipar- és kereskedelemügyi minisztérium (FIK) iratai (Schriften des Landwirtschafts-, Industrie- und Handelsministeriums). 1886. 38. t. 32 255.

Der Siebenbürgische Wirtschaftsverein erarbeitete auf seiner Wirtschaftsberatung vom Jahre 1886 ein (sächsisch-ungarisches) Programm für die Überbrückung der Schwierigkeiten, in das die Forderung nach Staatsaufträgen und Vergünstigungen ebenso wie der Ausbau von Genossenschaften und die Entwicklung des Eisenbahnnetzes aufgenommen wurden. Die Regierung startete eine Hilfsaktion in Form staatlicher Aufträge für Betriebe und Handwerker im Grenzgebiet. Man suchte auch nach neuen Märkten in der Bukowina, in Bulgarien und teilweise sogar innerhalb der Monarchie. Die Maßnahmen wurden durch Tarifvergünstigungen und Steuerermäßigungen ergänzt.

Der Zollkrieg beschleunigte die Vernichtung einzelner traditioneller Handwerkszweige. Ein neuer Handelsvertrag im Jahre 1893 regelte die Beziehungen von neuem, die österreichische Fabrikindustrie und gemeinsam mit ihr auch einige zu Mittelbetrieben angewachsene, Qualitätswaren anbietende sächsische Textilfabriken Südsiebenbürgens vermochten zum Teil ihre Märkte in Rumänien zurückzuerobern. Gleiches gelang jedoch dem siebenbürgischen Kleingewerbe und der Heimindustrie nicht mehr.

Bereits seit den 80er Jahren unterstützte der Staat die Industrie mit Steuervergünstigungen und zinsfreien Krediten. Dann ging man stufenweise zur Gewährung von Subventionen über. Ab 1907 konnte die Regierung tatsächlich bedeutende Summen für die Industrieentwicklung einsetzen, aus denen auch die Fabriken und Handwerker Siebenbürgens (vor allem um Kronstadt) ohne nationalen Unterschied Unterstützung erhielten.

Bei der Entwicklung der Agrarproduktion Siebenbürgens übernahm der Staat – trotz seiner damals eingeschränkten Möglichkeiten – eine wichtige Aufgabe. Neben der weniger spektakulären Alltagsarbeit bei der Einrichtung bzw. Verbreitung von Mustergütern, Zuchtanlagen, Rassenveredlung und Fachunterricht sind die Auswirkungen der Agrarpolitik bekannter. Regierungspolitiker aus der Schicht der Gutsbesitzer monopolisierten im Interesse der Sicherung höherer Agrareinkommen seit der Jahrhundertwende den Markt der Monarchie durch eine Reihe von Schutzzollmaßnahmen für die Produzenten im ungarischen Staat, zum Teil auch in Galizien. Durch die Abriegelung vom Weltmarkt mit seinem preissenkenden Einfluß erreichte diese Schicht den angestrebten Preisanstieg, und zwar nach 1906 durch die Agrar-Monopolzölle im Ausmaß einer etwa 30prozentigen Preiserhöhung. {568.} Der Landwirtschaft Siebenbürgens mit ihrem niedrigen Entwicklungsstand wurde gerade dadurch eine rentable Produktion und ihre Fortentwicklung ermöglicht. Die höher qualifizierten Sachsen mit ihrem somit günstigeren Start führte das Schutzzollsystem auf die höchste, Transdanubien vergleichbare Entwicklungsstufe und den breiteren ungarischen und rumänischen Bauernschichten garantierte es immer noch ein sicheres Auskommen, gemessen an den osteuropäischen Verhältnissen.

Eine staatliche Sozialpolitik für die Bauernschaft begann sich auf dem Umweg über Aktionen zur Verringerung regionaler Notstände, über gelegentliche Steuernachlässe und kleine Unterstützungen zu entwickeln, somit noch im Rahmen des wirtschaftlichen Liberalismus. Die erste größere Aktion dieser Art betraf 44 (einstige rumänische Grenzer-) Gemeinden im Nösnerland und bestand in der Sanierung ihrer wirtschaftlichen Lage mit staatlichen Mitteln. Aus dem Gemeinbesitz dieser Dörfer führte der Staat ab 1890 mehr als 200 000 Morgen Wald durch die neugeschaffene Forstverwaltung in Bistritz einer fachgerechten Bewirtschaftung zu, er baute Eisenbahnstrecken, richtete Muster-Schäfereien und Milchviehanlagen ein und befreite die Gemeinden von den angehäuften Steuerschulden. Die Bewirtschaftung wurde von Vertretern der Gemeinden kontrolliert, und der jährliche Reingewinn von mehreren hunderttausend Kronen wurde für – teilweise kulturelle – Zwecke der Gemeinden verwendet, während diese weitere 60 000 Morgen nach eigenen Vorstellungen nutzten. Die Aktion trug (ähnlich wie in Karansebesch) zur Neubelebung der abgesonderten kleinen rumänischen Welt im Nösnerland bei.

Nicht im entferntesten allerdings konnte der Staat ein wirkliches Ergebnis bei der Beseitigung des schweren Problems der Zeit, der Klärung der Szeklerfrage, aufweisen. Bauernbefreiung und Beseitigung der Militärgrenze hatten im Szeklergebiet die Menschen massenweise zu Häuslern gemacht. Aufgrund des Schrumpfungsprozesses der gemeinsamen Felder wurden die Ärmeren sowohl in der Viehhaltung als auch bei der Holzgewinnung zu einem Zeitpunkt eingeschränkt, als noch keine, ein neues Gleichgewicht sichernde Beschäftigungsalternative gegeben war. Die negativen Einflüsse der kapitalistischen Entwicklung traten hier ganz geballt in Erscheinung. Das Kleingewerbe des Szeklergebiets stand unter dem Konkurrenzdruck der Fabrikerzeugnisse, zumal nach dem Ausbau der Haupteisenbahnstrecken. Der 1886 beginnende rumänische Zollkrieg beschleunigte diesen Prozeß und führte mit der Vernichtung kleiner Existenzen zu einem tiefgreifenden Umbruch der Lebensbedingungen und -verhältnisse.

Die Auswanderungswelle, die Arbeitssuche in Rumänien, der häufige dortige Verbleib lenkten die Aufmerksamkeit der ungarischen Öffentlichkeit auf die Probleme der Szekler. Um die Jahrhundertwende versuchte man Szekler Fuhrleute, Knechte und Dienstmägde im Landesinneren unterzubringen. Das Handelsministerium startete zugleich eine „Szekler Industrie-Aktion” für eine bescheidene Unterstützung der Heimindustrie, des Handwerks und der Gewerbeausbildung.

Der Szekler Kongreß 1902 in Tuschnad, den die Regierung und die Opposition gemeinsam veranstalteten, unterstrich, daß die Probleme durch staatliche Intervention zu beseitigen seien. Im gleichen Jahr wurde eine Hilfsaktion zur Entwicklung der vier Szekler Komitate eingeleitet. Mit Hilfe des Landswirtschaftsministeriums wurden mehrere hundert Landwirtevereine {570.} gegründet und Lehrgänge organisiert. Ab 1905 wurden Fachexkursionen in Landwirtschaftsschulen, in sächsische Wirtschaften, zu Kecskeméter Gemüsebauern und in Viehzuchtanlagen organisiert. Heimindustrie-Unterricht, Volksbücherei und kostenlose Rechtsberatung sollten der breiten Aufklärung dienen. Am erfolgreichsten waren Zuchttiervermehrung und Weideverbesserung, also Dinge, deren Voraussetzungen im allgemeinen verstanden wurden.

{569.} Tabelle 7. Die Bevölkerung nach Nationalitäten und Hauptberufsgruppen 1910
(Verdiener und Versorgte zusammen)

Hauptberufsgruppe Ungarn Rumänen Deutsche Sonstige Muttersprachen Gesamt bevölkerung
in 1000 % in 1000 % in 1000 % in 1000 % in 1000 %
I. Urproduktion 512 55,8 1245 84,6 134 57,3 30 55,6 1921 71.7
II/A. Bergbau-Hüttenwesen 20 2,2 23 1,6 2 0,9 5 9,2 50 1,9
II/B. Industrie 172 18,8 89 6,0 52 22,2 15 27,8 328 12,3
II/C. Handel und Kredit 35 3,8 10 0,7 14 6,0 x x 59 2,2
II/D. Verkehr 39 4,2 10 0,7 3 1,2 x x 52 1,9
II/A+B+C+D 266 20,9 132 9,0 71 30,3 20 37,0 489 18,3
III. bürgerlicher und kirchlicher öffentlicher Dienst 52 5,7 23 1,6 12 5,1 x x 87 3,2
IV. Streitkräfte 11 1,2 9 0,6 4 1,7 x x 24 0,9
V. Tagelöhner 17 1,9 26 1,8 2 0,9 4 7,4 49 i,8
VI. Hausgesinde 26 2,8 19 1,3 2 0,9 x x 47 1,8
VII. sonstige und unbekannte Berufe 34 3,6 18 1,1 9 3,8 x 61 2,3
Insgesamt 918 100,0 1472 100,0 234 100,0 54 100,0 2678 100,0
Verdiener 397 43,2 654 44,4 103 44,0 26 48,0 1180 44,1
Versorgte 521 56,8 818 55,6 131 56,0 28 52,0 1498 55,9


Bemerkung: Die x in den betreffenden Spalten bedeuten Werte unter 1000 bzw. unter 0,1 %.

Quelle: Magyar Statisztikai Közlemények. Új sorozat (Ungarische Statistische Mitteilungen, Neue Serie). Bd. 56

Die „Szekler Aktion” wurde auf Ersuchen mehrerer Komitate stufenweise ausgedehnt. Überragende Ergebnisse erbrachte sie nirgendwo, doch konnte perspektivisch eine Entwicklung in Gang gesetzt werden, da sie gewissermaßen den Rahmen und die Strukturen ersetzte, die die Gesellschaft des Dorfes zur Durchsetzung ihrer Interessen auf sich allein gestellt nicht mehr zu schaffen vermochte.

Umgestaltung der Landwirtschaft

Wälder und grasbewachsene Hügelhänge dominierten die Naturlandschaft, doch spielte die Pflanzenproduktion der Flußtäler eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung der Wirtschaftsstruktur.

In den ersten drei Jahrzehnten nach 1848 wurden die Bande der feudalen Zusammengehörigkeit der bäuerlichen und der Gutsherrenwirtschaft teilweise abgeschafft und umgestaltet. Diese Wende jedoch schuf eher noch zusätzlich neue Probleme in der Wirtschaft, als daß sie die alten gelöst hätte. „In der heutigen Welt steht ein lediglich pflügendes und säendes Volk nur auf einem Bein. Und da unsere Landwirtschaft krank ist, ist auch das eine Bein verkrüppelt“* [D. TELEKI], Siebenbürgen und die Österreichische Regierung in den letzten vier Jahren 1860–1864. Leipzig 1865, 141. – schrieb ein liberaler Politiker 1865. Die Einführung des modernen Steuersystems nach 1850 förderte nicht die Produktion, sondern führte eher zur Verarmung, da die Pro-Kopf-Steuersumme höher war als im entwickelteren Transdanubien. Zu Beginn der 60er Jahre schätzte man die Summe, die nach dem mit 13 bis 15 Millionen angenommenen landwirtschaftlichen Einkommen in Form direkter oder indirekter Steuern von den siebenbürgischen „Gutsbesitzer” gezahlt wurde, auf rund 12 Millionen. Die Zeitgenossen meinten, auch der sparsame Bürger könne die Steuerlasten nicht tragen, und berechneten bereits, wann das steuerzahlende Volk Siebenbürgens zahlungsunfähig werden würde.

Charakteristisch für die Übergangsperiode war, daß ein ehemaliges Herrschaftsgut nur selten rentabel Körnerfrüchte erzeugen konnte, die Kosten der Ackerproduktion lagen – laut Zeitgenossen – viermal höher als vor 1843. Die Bauernwirtschaft war gerade ihrer Gerätschaften, ihrer Tiere und unzähliger Mehrleistungen wegen auch als Verkäufer auf dem Markt lange Zeit den Herrschaftsgütern gegenüber im Vorteil. Aus Mangel an Arbeitskräften, Geräten und Krediten kam es auf den Herrschaftsgütern als Zwangslösung oftmals dazu, daß Bauern ihre Boden-, Weide- und Waldnutzung abarbeiteten bzw. das System der Anteilsarbeit eingeführt wurde. Anfang der 70er Jahre begann aufgrund der plötzlich verbesserten Preis- und Kreditverhältnisse die Mechanisierung der Großwirtschaften und setzte sich– {571.} trotz mehrfacher Stockungen – in der gesamten Periode fort, sie kompensierte gleichzeitig den Nachteil der Großgüter, daß der überwiegende Teil des Viehbestandes bei den Bauernwirtschaften verblieben war.

Gut zwei Drittel der Bodenfläche waren in der Hand von Bauernwirtschaften, die hauptsächlich Weizenarten und Mais im Rahmen des modernisierten Dreifeldersystems anbauten, in den bergigen Gegenden dagegen häufig noch im Zweifeldersystem. In den 60er Jahren begann in den Bauernwirtschaften der Gerätewechsel, es erschien der Eisenpflug, von dem es 1872 erst wenige gab, bis er sich nach der Jahrhundertwende allgemein durchsetzte. Nur auf einigen Gebirgsböden sahen sich die Bauern gezwungen, vom Eisenpflug wieder zum alten Pflug zurückzukehren. Im Sachsenland begann sich, hauptsächlich als Folge des stärkeren Anbaus der Reihenbearbeitung erfordernden Hackfrüchte, die Sämaschine durchzusetzen. Den Widersinn der Entwicklung zeigt die Tatsache, daß bereits ein Jahrzehnt vor der allgemeinen Verbreitung der Sense auch maschinell geerntet wurde.

Bis zur Jahrhundertwende war demnach die aus früheren Jahrhunderten vererbte landwirtschaftliche Produktionstechnik ganz verdrängt, und die Geräte und Maschinen hatten sich gründlich geändert, obwohl zahlreiche Ausrüstungsgegenstände auch weiterhin genutzt wurden. Die Weiterentwicklung der Geräte, das Auftauchen westlicher Rinderrassen und die Marktnachfrage beschleunigten die Auflösung des alten Brache-Fruchtwechsel-Systems. Seine Beseitigung bzw. Verdrängung oder die qualitative Verbesserung der Dreifelderwirtschaft und die zumindest teilweise realisierte Flurbereinigung führten zu einer historisch bedeutsamen Entwicklung in der Landwirtschaft. Lagen in den 50er Jahren noch 40 % des Ackerbodens brach, so verringerte sich dieser Anteil bis 1910 auf 20 % (mit der Ausnahme Kronstadts, dort unter 5 %), und von 2 163 067 Morgen (1 Morgen = 0,57 ha) im Jahre 1857 erhöhte sich die Ackerfläche bis 1910 auf 2 741 642 Morgen.

In den 40er Jahren war die Maisanbaufläche doppelt so groß wie die des Weizens, danach folgten Hafer, Roggen und Gerste. Den ertragreichen Mais (und die zu einem wichtigen Handelsartikel werdenden Hülsenfrüchte) bauten in erster Linie die rumänischen Bauern an, Roggen vor allem die Sachsen um Kronstadt, während Hafer fast überall wuchs, da er dem Klima Siebenbürgens am ehesten entsprach. Bis zur Jahrhundertwende hatten sich die mit Weizen und Mais bebauten Flächen größenmäßig nahezu angeglichen.

In den getreideproduzierenden Komitaten entsprach der Weizenanteil dem ungarischen Durchschnitt, doch auffallend große Flächen wurden mit weniger ertragreichem und qualitativ schwächerem Sommerweizen bestellt. In einem guten Erntejahr deckte das Getreide Siebenbürgens den Eigenbedarf, während schon in Jahren mit mittlerem Ertrag Einfuhren erforderlich wurden. Solcher Weizen kam aus Rumänien oder der Großen Ungarischen Tiefebene bzw. in der zweiten Hälfte der Periode ausschließlich aus der Tiefebene. Mais wurde mehrfach aus dem Ausland bezogen.

Bei den Industriepflanzen waren Hanf und Flachs für das bäuerliche Hausgewerbe seit jeher wichtige Grundmaterialen für die Bekleidung. Durch den Bau zweier großer Zuckerfabriken wuchs die Zuckerrübenproduktion am Ende des Jahrhunderts bedeutend. Sie belegte zwar zur Jahrhundertwende nur 0,42 % der Anbaufläche Siebenbürgens, hatte aber im Komitat Kronstadt einen weit über dem Landesdurchschnitt liegenden Anteil und brachte hohe Erträge.

{572.} Im Einzugsbereich größerer Städte waren bereits früher Gemüseanbauflächen entstanden, wie das Klausenburger Hóstát oder Dörfer im Stuhl Aranyos, die Thorenburg bzw. das Erzgebirge versorgten. In der Nähe von Neumarkt wurden auf dem Schwemmboden von Nyárád im „Möhrenland” Mohrrüben, Petersilie, Zwiebeln und Melonen angebaut. Dank solcher Traditionen war in Siebenbürgen der Ertrag bei einzelnen Produkten, so bei Kartoffeln und Kohl, lange Zeit höher als in Ungarn.

Der Weinbau erstreckte sich bereits um 1848 auf etwa 0,5 % des produktiven Bodens, in teils so alten Weinanbaugegenden wie an den beiden Kokel sowie um Karlsburg und Straßburg. Doch ging seit den 80er Jahren auch hier die Anbaufläche ständig zurück, die Phylloxera befiel 1889 von den ohnehin schon verringerten 38 000 Morgen weitere 10 000 und vernichtete im Verlauf der Jahre eine ganze Reihe kleinerer örtlicher Kulturen. Mit der Verteilung von verbilligten Weinsetzlingen, von Kupfervitriol sowie der Gewährung von Steuervergünstigungen leistete der Staat Hilfe bei der Wiederanpflanzung.

Die überall anzutreffenden Pflaumen stellten in Siebenbürgen zwei Drittel des Obstes. Eine stärkere Verbreitung von Obstsorten setzte im letzten Drittel des Jahrhunderts ein, um die Jahrhundertwende registrierten die Statistiken elf Millionen Obstbäume. Zur selben Zeit erweiterten sich die Verkaufsmöglichkeiten, selbst der siebenbürgische Apfel kam auf den Weinapfelmarkt nach Stuttgart, auf dem übrigens Obst aus Ungarn 30 % des Angebotes ausmachte.

Die natürlichen Bedingungen waren für die Forstwirtschaft äußerst günstig. Mehr als die Hälfte des produktiven Bodens, 3,5 Millionen Morgen, bestand aus Wäldern. Nach der Bauernbefreiung besaß der ehemalige Besitzadel zwar mehr Wald als Ackerboden, dennoch war die Hälfte der Wälder in Form von Gemeinbesitz oder Mitbesitzer-Eigentum in der Hand der Bauern geblieben und stellte damit eine substantielle Einkommensform für die Dörfer dar. Die 1,2 Millionen Morgen Waldbesitz der Gemeinden und die weiteren Waldgüter im Kollektivbesitz lassen sich bis heute noch nicht befriedigend in das System der Bauernwirtschaft einordnen. Ihre Bedeutung wird auch dadurch belegt, daß um die Jahrhundertwende in den kollektiven Waldungen 210 000 Rinder und 300 000 Schafe weideten.

Die einfache Rodung war in den Kammergütern bereits früher von einer systematischen Bewirtschaftung abgelöst worden. Die Forstgesetze von 1858 und noch mehr von 1879 und 1898 setzten die in staatlicher Regie betriebene Forstbewirtschaftung durch. Seit der Jahrhundertwende bewirtschaftete der Staat auch die Komitats- und Gemeindeforste.

Seitdem führten kapitalstarke Gesellschaften die industriemäßige Holzgewinnung in den Wäldern ein. Der Holzhandel wurde zu einem sehr gewinnträchtigen Geschäft. Solche Firmen konnten das Schicksal der Bauern ganzer Regionen beeinflussen, lebte doch z. B. im Szekler Gebiet die Hälfte der Bevölkerung in irgendeiner Form vom Wald. Trotz der Expansion der Mammutunternehmen blieben viele kollektive Waldgüter erhalten, und kleine bäuerliche Sägemühlen waren nach wie vor in Betrieb. Zum Teil schufen sie die Basis der vom Holzlöffel, über Schindeln und Fässer bis zu Balken reichenden dörflichen Holzindustrie, für die Siebenbürgen während der ganzen Periode überall in der Monarchie bekannt war.

In der Viehzucht gehörte Siebenbürgen zu den Gebieten mit günstigeren Gegebenheiten. Begründet durch die geographischen Ähnlichkeiten sowie {573.} den insgesamt stolzen Viehbestand hofften die Zeitgenossen darauf, hier eine Schweiz des Ostens schaffen zu können. Am Ende des Jahrhunderts umfaßten die Gemeinde- und sonstigen gemeinsamen Weiden etwa 780 000 Morgen, 56 % der gesamten Weidefläche.

Die Schafhaltung war jahrhundertelang eine Produktionstätigkeit von entscheidender Bedeutung. In der gesellschaftlich-ökonomischen Arbeitsteilung der Monarchie übernahm diese Provinz – und vor allem die Rumänen in Südsiebenbürgen – die Funktion des Viehzüchters. Das traditionelle rumänische Hirtenleben hat hier auch in ihrer äußeren Erscheinung entwickelte Dörfer geschaffen, wie z. B. Städterdorf und Großdorf im Gebiet von Hermannstadt, die gleichzeitig zur wichtigen Basis des Nachwuchses der rumänischen Intelligenz aus dem Volk wurden.

Die spezifische Form der althergebrachten Viehhaltung, die als siebenbürgische Spezialität zu betrachtende Wanderschäferei (Transhumanz), verlor im Kapitalismus an Bedeutung. Vor 1848 wurden gut eine Million Schafe auf den Bergpfaden über die Karpaten an die untere Donau zum Überwintern getrieben. Dennoch verringerte sich der herumziehende Schafbestand schon in den 50er Jahren auf eine Zahl unter eine halbe Million, während die Zahl der Wanderhirten bis zum Jahr 1879 von früher 20 000–25 000 auf 10 000 zurückging. Viele von ihnen ließen sich in der Dobrudscha nieder. Dennoch wurden die Reste dieser archaischen Form der Viehhaltung durch den traditionellen Bedarf an Wolle, Fleisch und Milcherzeugnissen – als komplementärer Teil der Marktwirtschaft – noch lange am Leben erhalten.

In dem landesweiten Prozeß, den die Verringerung des Schafbestandes seit den 60er Jahren charakterisierte, nahm Siebenbürgen einen besonderen Platz ein. Eine Zeitlang verringerte sich auch hier die Anzahl der Schafe, worauf nach der Jahrhundertwende eine starke Zunahme folgte. Mehr als 90 des Schafbestandes hielten die Klein- und Zwergwirtschaften.

Die Zurückdrängung der extensiven Rinderhaltung war mit der Auflösung der traditionellen Wirtschaftsweise, der Umwandlung der alten gemeinsamen Weiden in Ackerland und der Abnahme des Brachlandes verbunden. Wie sich dies alles in Siebenbürgen langsamer vollzog als im mittleren und westlichen Teil des Landes, ebenso verspätet kam es zum Wandel im siebenbürgischen Rinderbestand. Bis zur Mitte der 50er Jahre stiegen die Rinderpreise, und dieses Preisniveau (nach dem Preisverfall der 80er Jahre) erhöhte sich allmählich in bescheidenem Ausmaß. Die ersten siebenbürgischen Eisenbahnen transportierten viele Rinder und Schweine nach Pest, wobei aber eine zahlenmäßige Verringerung des Bestandes bereits 1868 zu bemerken war. Ein neuer Zug der Entwicklung war der Austausch der Rassen, der durch den sächsischen Wirtschaftsverein in den 70er Jahren mit staatlicher Unterstützung eingeleitet wurde. Die aus Österreich oder der Schweiz eingeführten Tiere hatten eine wesentlich kürzere Wachstumszeit, größeres Gewicht und brachten teilweise eine über 1000 Liter höhere Milchleistung als die siebenbürgische Rasse. Die Einführung der neuen Rassen blieb hinter dem Landesdurchschnitt zurück, wobei eine Rolle spielte, daß sich Siebenbürgen auf Zugvieh spezialisiert hatte. Die alte siebenbürgische Rinderrasse war nicht nur eine wesentlich bessere Zugkraft, sondern auch rund zehnmal widerstandsfähiger gegen Krankheiten als die westlichen Rassen. Das Szeklerland, Groß- und Klein-Küküllõ sowie Unter-Fehér wurden durch das {574.} Landwirtschaftsministerium zu Schutzzonen der siebenbürgischen Rinderrasse erklärt und entsprechende Zuchtmaßnahmen eingeleitet.

Als gemeinsame Resultante von Traditionen, Marktforschung und behördlichen Maßnahmen machte die Rinderzucht Siebenbürgens eine Entwicklung durch, die ihr zugleich auch die Vielseitigkeit erhielt. (Auch der Büffel blieb erhalten, ja verbreitete sich sogar.) Am Ende der Periode galt die Region als Gebiet mit geringerer Viehbestandsdichte, doch hielten die Bauernwirtschaften hier mehr Rinder als im Landesdurchschnitt, während im Gebiet Fogarasch sogar 678,2 Tiere auf 1000 Einwohner kamen, was zu den günstigeren europäischen Kennziffern gehörte.

Beim Pferdebestand kamen die reinen Wirtschaftsaspekte weniger zur Geltung, da die Pferde von den Groß- und Mittelgütern auch aus Repräsentationsgründen gezüchtet wurden und die Pferdekäufe der Armee konjunkturunabhängig waren. Gerade durch die Verbreitung der Eisenbahnen stieg bei den Wagenpferden die Nachfrage, stagnierte jedoch am Ende des Jahrhunderts. Bei der Verbesserung des Pferdebestandes kamen dem nach dem Ausgleich gegründeten, auf Lipizzaner spezialisierten staatlichen Gestüt Fogarasch sowie dem sich der Erhaltung des siebenbürgischen Pferdebestandes widmenden Zuchtbetrieb von Kolozstorda besondere Bedeutung zu.

Die Gliederung des Viehbestandes nach Gebieten weist keine besonderen Spezifika auf. Der Rinder-, Pferde- und Schweinebestand der Sachsen war am größten; die Schafzucht blieb nach wie vor nahezu ein rumänisches Monopol; der Viehbestand in den rumänischen Gebieten war größer als in den ungarischen, die dortigen Kühe hatten eine höhere Milchleistung, während der Rinderbestand der ungarischen Gebiete ein höheres Durchschnittsgewicht aufwies. 1885 befanden sich mehr als 80 % der Tiere in den Bauernwirtschaften, und dieser Anteil veränderte sich auch später nicht. Im Vergleich zu Transdanubien besaßen die Großgüter pro Wirtschaft insgesamt ein Drittel und die Mittelgüter nur etwa die Hälfte an Rindern, während bei den Wirtschaften mit 5–20 Morgen der siebenbürgische Durchschnitt höher lag als in Transdanubien. Andererseits ließ sich das Vieh der Großgüter im Durchschnitt zu einem um 30 % höheren Preis verkaufen, darin zeigte sich der Vorteil des Großbetriebs hinsichtlich Qualität und Marktausnutzung. Wenn die Herrschaftsgüter in diesem Wirtschaftszweig Verdienste aufzuweisen hatten, so auf dem Gebiet der Rassenaufbesserung, während die breiten bäuerlichen Schichten auf ihren immer kleiner werdenden Weiden nahezu den vollständigen siebenbürgischen Viehbestand hielten.

Modernisierung von Bergbau und Industrie

Die kapitalistische Industrieentwicklung Siebenbürgens wurde durch die Forderungen des 1850 gebildeten gemeinsamen Zollgebietes der Habsburgermonarchie, die verhältnismäßige Kapitalarmut Ungarns sowie den niedrigen Akkumulationsgrad des regionalen Kapitals determiniert. Der Aufschwung war eine Folge des Kapitalzuflusses sowie der staatlichen Investitionen, doch wurden die Grundlagen im allgemeinen durch ältere oder neue örtliche Unternehmen geschaffen. Die Basis der Industrie dieses Landesteils war der Bergbau, die Förderung von Rohstoffen.

{575.} Lange Zeit hindurch stellte Siebenbürgen etwa die Hälfte der Salzproduktion des Reiches, und diese bildete eine wichtige Einnahmequelle der staatlichen Finanzverwaltung. Nach 1867 wurde als erstes das Bergwerk von Maroschujvar modernisiert, in dem man am Ende des Jahrhunderts auch zur chemischen Verarbeitung des Abfallsalzes überging.

Der Goldbergbau hatte seinen einstigen Glanz verloren, obwohl Siebenbürgen auch nach 1850 zwei Drittel des Goldes der Monarchie produzierte. In diesem reichsten Goldgebiet Europas besaßen die Kammer, die Aristokraten, die Bürger und Bauern gleicherweise Bergwerke oder. Grubenanteile. Die bedeutendste „Grubengewerkschaft” der Grundherren war„ 12 Apostel” in Ruda, die im Jahre 1864 mit 400 Bergleuten 46,3 kg Gold förderte. Die Kammergruben erbrachten ein Drittel der Goldförderung. Das Orlaer Bergwerk beschäftigte in den 80er Jahren 400 und das von Groß-Astdorf 880 Bergleute. Zu jener Zeit wuchs auch das Interesse des ausländischen Kapitals an den Bodenschätzen Siebenbürgens, wodurch die Modernisierung der mehrheitlich stagnierenden privaten Bergwerke einsetzte. Von der Deutschen Bank bis zur Crédit Lyonnais schalteten sich deutsche, englische, belgische und französische Banken über verschiedene Unternehmen in die Produktion ein. Die Gothaer Harcort’sche Bergwerke AG errichtete 1889 bei der von ihr übernommenen Rudaer Grube „12 Apostel” die größte Golderz-Aufbereitungsanlage des Kontinents, wodurch diese Firma bereits nahezu die Hälfte der Goldproduktion Ungarns lieferte. Zwar kam es in Siebenbürgen nicht zu einem Goldrausch wie in Kalifornien, wohl aber zu einem Aufleben des gesamten Goldbergbaus, da auch die Kammer im benachbarten Neustadt-Gebiet an diesem Prozeß beteiligt war. Englisches und deutsches technisches Personal stellte die Erschließung auf die Grundlage fachgerechter Forschungsarbeit. Die Edelmetallhütte bei der zentralen Berghauptmannschaft von Kleinschlatten übernahm auch die Schmelze der hier eingelösten Rohproduktion der privaten Zwerggruben, woraus dann in Kremnitz (Oberungarn) Geld geprägt wurde.

Neben der Gold- und einer gewissen Silberförderung blieb der Kupferbergbau unbedeutend, obwohl sich ab 1858 mehrere Aktiengesellschaften darin versuchten. Dabei spielte der Verfall der europäischen Metallpreise ebenso eine Rolle wie bei der Bleiproduktion. Um die Jahrhundertwende setzte die breitere Nutzung weiterer Komponenten der Buntmetallerze in der chemischen Industrie ein.

Der Kohlebergbau kam schwer in Gang, durchlief dann aber eine umso spektakulärere Entwicklung. Die vom Westen her ausgebauten Eisenbahnlinien brachten auch die böhmische Kohle ins Land, und zudem steigerte in der Nachbarschaft die mit französischem Kapital arbeitende Firma STEG (Österreichische Staatseisenbahn-Gesellschaft) im Banat die Steinkohleförderung (und die Eisenverhüttung) bereits 1860 auf jährlich 100 000 Tonnen Kohle. Mit der Erschließung der umfangreichen und qualitativ guten Braunkohlevorkommen im Schil-Tal wurde nach 1857 im Rahmen einer gleichzeitigen Tätigkeit des Kronstädter Bergbau- und Hütten-Aktien-Vereins und der staatlichen Finanzverwaltung begonnen. In den 80er Jahren erreichte die Förderung im Schil-Tal 200 000 Jahrestonnen. Bis zur Jahrhundertwende beherrschten die Salgótarjáner Steinkohlen-Bergbau-AG und die Urikány-Zsilthaler Kohlenbergwerks-AG bereits das gesamte Becken, wobei letztere mit ungarisch-französischem Kapital arbeitete. Diese {576.} beiden Gesellschaften förderten auf technisch hohem Niveau, so daß die Produktion im Jahre 1913 bereits 2,5 Millionen Tonnen erreichte. Von weither trafen angelernte Arbeiter ein, Tschechen, Polen und Deutsche, es entstanden bedeutende Bergmannskolonien mit den üblichen Dienstleistungseinrichtungen: Petroscheni und Schylwolfsbach wuchsen von kleinen Dörfern zu Städten heran, arbeiteten doch 1913 allein in den dortigen Gruben 14 000 Menschen.

Außer im Schil-Tal gab es auch in Egeresfalva Kohlebergbau, der zunächst mit siebenbürgischem und dann mit belgisch-ungarischem Kapital betrieben wurde. In Neustadt-Burzenland arbeiteten sächsische Unternehmer und im Szeklerland in Köpecbánya ab 1872 eine von Aristokraten gegründete AG.

Das Eisenhüttenwesen bestand früher aus verstreuten kleinen, mit nahezu mittelalterlicher Technik arbeitenden Hütten, es gab zu viele Betriebspausen, allein die Kammerbetriebe lieferten eine ausgeglichenere Produktion. Die Modernisierung setzte wiederum in der unmittelbaren Nähe Siebenbürgens ein, in den Betrieben in Reschitza und Altwerk der bereits erwähnten Banater Firma STEG, womit dieses Gebiet ab 1862 für längere Zeit zum entwickeltesten Hüttenzentrum Ungarns aufstieg. In Siebenbürgen kaufte der Kronstädter Bergbau- und Hütten-Aktienverein der Reihe nach (ab 1856) die alten Hütten auf, modernisierte sie und produzierte 1867 bereits ebensoviel Roheisen wie die Kammerbetriebe. 1872 ließ sie unter Leitung belgischer Ingenieure in Kalán zwei ganz moderne Hochöfen errichten. Die sich vielversprechend entwickelnde Firma geriet am Jahrhundertende in eine Finanzkrise, wurde aufgelöst und entstand 1898 mit österreichisch-deutschem und ungarischem Kapital unter dem Namen Kaláner Bergbau- und Hütten-AG neu.

Die Kammer besaß 1867 in Siebenbürgen fünf Hochöfen alten Typs in sehr erneuerungsbedürftigem Zustand. Aus Sparsamkeitsgründen stimmte das Parlament gegen ihre kostenaufwendige Modernisierung, so daß die Kammer erst später größere Investitionen durchführte. In Eisenmarkt entstanden ab 1884 mehrere neue Hütten, wobei hier 1895 der größte Hochofen Ungarns (mit einer Jahreskapazität von 400 000 dt Eisen) errichtet wurde. Auch das staatliche Eisenwerk von Kudschir wurde in den 80er Jahren modernisiert und mit Walzwerkanlagen ergänzt. Um die Jahrhundertwende produzierten die Kaláner AG und die Kammer fast die gesamte Eisenmenge Siebenbürgens. Während die bäuerlichen Hammerwerke – wie in Eisenhütte – langsam eingingen, konnte sich der mittelgroße Privatbetrieb in Karlshütte halten, der von der Dreschmaschine über den Spaten bis zur Hacke alles herstellte.

Nur in Ausnahmefällen gelang den Handwerksbetrieben für Maschinen- und Werkzeugbau der Sprung zum kapitalistischen Betrieb. Sogar der Ingenieur Péter Rajka, der schon in den 50er Jahren mustergültige landwirtschaftliche Werkzeuge und Maschinen baute, verkaufte seinen Klausenburger Kleinbetrieb an einen Händler. Obwohl in diesem Betrieb 1874 die erste siebenbürgische Dampfmaschine gebaut wurde, konnte von seiner Umgestaltung zum Großbetrieb keine Rede sein. Von den Mittelbetrieben zur Jahrhundertwende ist die vielseitige Rieger-Maschinenfabrik in Hermannstadt hervorzuheben und ferner die stark erweiterten Betriebe der Ungarischen Staatsbahnen in Klausenburg und Fischdorf. Der Maschinenbau entwickelte sich besser in der Nachbarschaft Siebenbürgens: Die Firma STEG baute in Reschitza einen sehr seriösen Maschinenbau auf und {577.} produzierte 1872 – erstmals in Ungarn – eine Lokomotive. In Arad wurde seit dem Jahrhundertende die Maschinen- und Waggonfabrik Weitzer erweitert, in deren Nachbarschaft 1909 die Automobilproduktion begann und im Weltkrieg auch Benz-Flugzeugmotoren gebaut wurden.

Die Entwicklung der chemischen Industrie setzte in Ungarn recht spät ein. Im Banat und in Siebenbürgen wurde Ende der 50er Jahre mit der Raffinerie des aus Rumänien (seit dem Ende des Jahrhunderts aus Rußland und Galizien) importierten Erdöls begonnen. Schwefelsäure wurde in Kronstadt und in Kleinschlatten produziert; 1894 wurden in Maroschujvar und später auch in Thorenburg Sodafabriken gebaut, die den Gesamtbedarf des Landes deckten. Erdgas wurde 1909 in der Siebenbürgischen Heide entdeckt, und da sich keine englischen und amerikanischen Kapitalgeber fanden, wurde 1915 mit deutschem Kapital die Ungarische Erdgas-AG gegründet. Damals bestanden bereits Ferngasleitungen, und während des Krieges wurde in St. Martin unter Nutzung des Erdgases ein Chemiebetrieb errichtet. Die Zahl der Gasquellen belief sich 1918 auf 38.

In den sächsischen Städten entwickelte sich die Textilindustrie organisch aus den alten Kleinbetrieben heraus. Der rumänische sowie der lokale Markt und später die staatliche Unterstützung ermöglichten es einzelnen Tuchherstellern von Kronstadt und Hermannstadt (Scherg, Leonhardt), namhafte Unternehmen aufzubauen. Daneben entstand auch eine bescheidene Baumwollindustrie.

Die Lebensmittelindustrie erfüllte für die Kapitalakkumulation eine hervorragende, wenn auch nicht so bedeutende Funktion wie im engeren Ungarn. Eine Reihe großer Spirituosenfabriken umfaßten Siebenbürgen von Lugosch bis Großwardein, doch auch im Inneren Siebenbürgens entstanden nach 1849 handelsorientierte Brennereien. Elek Sigmond gründete 1851 in Klausenburg eine Fabrik, und für Jeremiás Baruchs Fabrik in Neumarkt ist bezeichnend, daß 1874 hier die erste Dampfmaschine siebenbürgischer Produktion in Betrieb genommen wurde. Von der Spirituosenindustrie gingen die Unternehmer schließlich zur Mühlenindustrie oder zu anderen Branchen über. 1878 existierten 125 industrielle Brennereien, wobei die größeren von ihnen vor allem aus Rumänien importierten Mais verarbeiteten. Die zwei führenden Fabriken am Ende des Jahrhunderts waren im Besitz der sächsischen Familie Czell und der ungarischen Familie Sigmond. Die übrigen Betriebe dieser Art erreichten bei weitem nicht die Größe der Fabriken im Banat. Die Brennereien beschäftigten sich auch mit Rindermast und verkauften ihr Vieh in das Landesinnere oder nach Wien. Um die Jahrhundertwende begann der Aufschwung der Bierbrauerei. Neben den Kleinbetrieben entwickelten sich die Brauereien von Thorenburg und Neumarkt zu Großbrauereien mit einem Jahresausstoß von 120 000 hl.

Moderne Großmühlen wurden in erster Linie in Pest und am Rande der Großen Ungarischen Tiefebene mit Hilfe des akkumulierten Handelskapitals errichtet. Während 1872 in den Städten von Bihar, Arad und Sathmar 30 Dampfmühlen arbeiteten, gab es in Siebenbürgen laut Statistiken nur vier. Der Spirituosenfabrikant Elek Sigmond gründete 1853 in Klausenburg eine Dampfmühle, Jeremiás Baruch 1855 in Neumarkt eine große Mühle, die später auch Strom für die erste öffentliche Beleuchtung der Stadt lieferte. Die Anzahl der Wassermühlen wächst auch weiterhin: zwischen 1850 und 1890 um 1525, und auch 1895 sind nur 88 der insgesamt 5236 Mühlen Dampfmühlen. {578.} Um die Jahrhundertwende beginnt dann eine dynamische Modernisierung, zwischen 1881 und 1906 entstehen 109 Dampfmühlen. Im letztgenannten Jahr lag die Mühlenindustrie Siebenbürgens bei der Nutzung der Verbrennungsmotoren bereits an der Spitze. Dennoch blieben natürlich die ganz kleinen, aus Holz gebauten Wassermühlen auch weiterhin bestehen; allein im Komitat Hunyad arbeiteten 1031 dieser Sorte.

Die alte Zuckerproduktion ging nach 1849 auch in Siebenbürgen zurück. Durch staatliche Initiativen um die Jahrhundertwende wurde 1889 die große Kronstadt-Brenndorfer Fabrik der Ungarischen Zuckerindustrie AG geschaffen, die 1912 mit 1218 Arbeitern 145 000 dt Zucker produzierte. Aristokraten gründeten 1893 in Neumarkt eine Zuckerfabrik mit staatlichen Krediten und bei den Produzenten hinterlegten Aktien, die diese mit Zuckerrüben tilgten. 1912 stellte man hier mit 405 Arbeitern 47 000 dt Zucker her, der auch nach England, Italien und Ägypten exportiert wurde. Die übrigen Lebensmittel-Industriezweige – abgesehen von den beiden staatlichen Tabakfabriken – waren eher in den sächsischen Städten zu finden. Salamifabriken arbeiteten in Hermannstadt, Kronstadt, Bissritz, Mediasch und in Agnetheln; in Desch und Schloßberg gab es Konservenfabriken. Der größte Betrieb zur Herstellung von Milchprodukten wurde 1902 in Hermannstadt errichtet.

Zum Schluß sei die holzverarbeitende Industrie erwähnt, die sich trotz einer hohen Holzgewinnung eigentlich niemals stark entwickelte. Das auf dem Mieresch geflößte Holz wurde überwiegend in Szegedin verarbeitet, es wurde aber auch nach Rumänien exportiert. Der erste große Kunde war die Eisenbahn, und dann verbrauchten vor dem Weltkrieg allein die Gruben von Petroscheni jährlich 100 000 qm Grubenholz. Sägewerke bestanden bei allen größeren Forstwirtschaften, doch gab es nur wenige Holzwaren- bzw. Möbelfabriken. Demgegenüber zogen sich bei den bäuerlichen Sägemühlen ganze Reihen von Holzfabrikationsdörfern am Fuß der Gebirge hin, die auch Bretter, Latten und Schindeln für den städtischen Markt lieferten. In Zetelak im Hargitagebirge wurden die besten von Hand gehauenen Balken angefertigt. In Bedecs stellte man sozusagen in Vorfabrikationstechnik Holzhäuser her, die dann wieder zerlegt und schließlich am Bestimmungsort, d. h. im Dorf des Auftraggebers, erneut montiert wurden. Hatte irgendwo ein Großfeuer stattgefunden, wurden Anfang des Jahrhunderts auf der Wiese bei Bedecs mehrere Dutzend Häuser mit Nebengebäuden auf einmal gebaut, die auf ihren Abtransport warteten …

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Nahezu für die gesamte Industrie Siebenbürgens ist ein Dualismus charakteristisch: Am Ende des Jahrhunderts erobert die neue kapitalistische Fabrikindustrie das Land, häufig sogar unter Einführung auch der modernsten Technik, daneben bleibt aber vom Goldbergbau über die Holzindustrie bis zur Köhlerei das System der traditionellen Kleinwerkstätten bestehen, die mit archaischer Technik arbeiten und nur im Gesamtrahmen der kapitalistischen Wirtschaft als Unternehmen bezeichnet werden können, sowie das weitgefächerte Netz des dörflichen Gewerbes, das ebenfalls einen echten Bedarf erfüllt.